Konkreter Anlass seien oft Arbeitslosigkeit, Existenzangst oder Einsamkeit. Darüber hinaus sei das Thema sehr schambehaftet. „Vielen Menschen fällt es schwer, überhaupt darüber zu sprechen." Die sechs Telefonseelsorge-Einrichtungen in Rheinland-Pfalz hatten ihre Arbeit im vergangenen Jahr erstmals gemeinsam auf Landesebene vor Journalisten vorgestellt.
Die Telefonseelsorge sehe ihre Aufgabe vor allem darin, „am Leben der Menschen Anteil zu nehmen und ihnen ihre Würde und ihren Mut wiederzugeben", sagte Seidlitz. Oft hätten die Anrufer einfach nur den Wunsch, wahrgenommen zu werden. „In Ermutigungsgesprächen nehmen die Mitarbeiter wahr, was die Menschen können und leisten. Wir wollen sie ernst nehmen und ihnen so ihre Selbstachtung wiedergeben und ihnen helfen, ihre Scham zu überwinden." Weiter sagte Seidlitz: „Wir wollen für eine Kultur der Anteilnahme werben, die in unserer Gesellschaft mehr und mehr verloren geht." Ein Grund für die Zunahme beim Thema soziale Ausgrenzung sei der Trend zur Individualisierung, der oft auch mit Anonymisierung und Vereinsamung einhergehe.
„Häufiger als man denkt sind wir die einzige Stelle, an die sich diese Menschen wenden können", sagte Pfarrerin Ellen Simon von der Telefonseelsorge Mittelrhein in Koblenz. Sie ging auch auf die hohe Zahl der Scherzanrufe ein. Diese seien gerade bei jungen Leuten oftmals ein erster Versuch, Kontakt aufzunehmen und führten oft schließlich zu wirklichen Beratungsgesprächen. In der Regel dauert ein Beratungsgespräch zwischen 20 und 25 Minuten.
Insgesamt hätten die Einrichtungen im vergangenen Jahr mit insgesamt 461 ehrenamtlichen Mitarbeitern (davon etwa 25 Prozent Männer) und zwölf Hauptamtlichen rund 70.000 Gespräche geführt. Das sagte Georg Krämer von der Telefonseesorge Nahe-Hunsrück in Bad Kreuznach. Damit sei die Telefonseelsorge ausgelastet. „Viel mehr geht nicht", sagte Krämer. Rund die Hälfte der insgesamt etwa 144.000 Anrufe seien Scherzanrufe oder es sei gleich wieder aufgelegt worden. Neben einem Viertel der Anrufer aus der Altersgruppe bis 20 Jahre liege der Schwerpunkt bei den 40- bis 60-Jährigen. „Gerade diese Menschen geraten häufig in Lebenskrisen", erklärte Krämer. Insgesamt veränderten sich die statistischen Daten über die Jahre kaum, fügte Martina Patenge von der Telefonseelsorge Mainz/Wiesbaden hinzu. Allerdings sei in den letzten Jahren der Anteil der Männer langsam, aber kontinuierlich angestiegen. Im Bereich der Telefonseelsorge Trier habe sich der Männeranteil in den vergangenen Jahren sogar verdoppelt, sagte Gabriella Kokott von der Telefonseelsorge Trier.
In Rheinland-Pfalz gibt es Dienststellen der Telefonseelsorge in Bad Kreuznach, Bad Neuenahr, Kaiserslautern, Koblenz, Mainz und Trier. Bis auf Trier, das allein in katholischer Trägerschaft ist, sind alle anderen Einrichtungen ökumenisch getragen. In Kaiserslautern, Mainz und Trier wird außerdem eine Chat- oder E-Mail-Beratung angeboten. Darüber hinaus sind in den Beratungsstellen in Mainz und Bad Kreuznach auch persönliche Beratungsgespräche möglich. Insgesamt gibt es in Deutschland 105 Telefonseelsorgestellen; die meisten davon in ökumenischer Trägerschaft. Die Telefonseelsorge ist rund um die Uhr unter den Rufnummern 0800-1110111 und 0800-1110222 sowie im Internet unter http://www.telefonseelsorge.de/ erreichbar.