Neue Sonderausstellung im Dommuseum eröffnet (bis 23.11.)

„Franz von Kesselstatt. Mainzer Domherr, Diplomat und Dilettant in bewegter Zeit“

PORTRÄT--FRANZ--VON--KESSELSTATT (c) Bischöfliches Dom- und Diözesanmuseum Mainz (Ersteller: Bischöfliches Dom- und Diözesanmuseum Mainz)
Datum:
Mi. 27. Aug. 2014
Von:
am (MBN)
Mainz. Im Bischöflichen Dom- und Diözesanmuseum Mainz ist die neue Sonderausstellung „Franz von Kesselstatt (1753-1841). Mainzer Domherr, Diplomat und Dilettant in bewegter Zeit“ eröffnet worden. Die Schau, die bis zum 23. November zu den Öffnungszeiten des Museums zu sehen ist, thematisiert das Leben und Wirken des Mainzer Domherren Johann Philipp Franz Ludwig Willibald Nepomuk Xaver Hyacinth Maria Reichsgraf von Kesselstatt.
bild-kesselstattvom-liebfrauenplatz-und-dom-jpg (c) Landesmuseum Mainz, GDKE /  Rudischer (Ersteller: Landesmuseum Mainz, GDKE /  Rudischer)

Kesselstatt galt als - im besten Sinne des Wortes - Dilettant in den Schönen Künsten: Unvergessen und in zahllosen Stichen reproduziert sind die von ihm geschaffenen Ansichten, die in einzigartiger Weise das Erscheinungsbild des spätbarocken Mainz - des „Goldenen Mainz" - festhalten. Diese originalen Stadtansichten stehen im Mittelpunkt der neuen Sonderausstellung.

Bei der Eröffnung am Freitag, 29. August, sagte Domdekan Prälat Heinz Heckwolf, dass das Dommuseum mit der neuen Sonderausstellung erstmals ein Mitglied des Mainzer Domkapitels in den Fokus rücke. Franz von Kesselstatt vertrete „wie kein anderer die wechselvolle Geschichte dieser Körperschaft zwischen Altem Reich und Säkularisation". Mit der Ausstellung und dem begleitenden Katalog sei ein „wichtiger Baustein zur Erforschung der Geschichte des Mainzer Domkapitels und seiner bedeutendsten Vertreter gelegt". An der Ausstellungseröffnung nahm auch das Mainzer Domkapitel teil, insgesamt waren rund 200 Gäste zu der Eröffnung gekommen.

Zu Beginn hatte Museumsdirektor Dr. Winfried Wilhelmy die Gäste begrüßt und neben seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch der Familie des Reichsgrafen Rudolf von Kesselstatt gedankt, den Nachfahren des Mainzer Domherren. Sie leben heute auf dem Stammsitz der Familie in Schloss Föhren bei Trier. Die Familie hätte stets „ein offenes Ohr für unser Projekt und seine kunsthistorischen Belange gehabt", betonte er. Die Ausstellung zeigt auch Exponate aus Schloss Föhren wie beispielsweise Gemälde aus dem reichsgräflichen Esszimmer, die in Mainz erstmals der Öffentlichkeit präsentiert werden. Wilhelmy wies zudem darauf hin, dass der Impuls für die Ausstellung vom privaten historischen Arbeitskreises „Kurmainz" ausgegangen sei, der sich die Erforschung des geistlichen Mainzer Kurstaates und der Mainzer Stadtgeschichte im 17. und 18. Jahrhundert zum Ziel gesetzt hat.

In seiner Einführung in die Ausstellung unterstrich der Kurator, Dr. Gerhard Kölsch, dass man mit dem Ausstellungstitel „Dilettant" bewusst „für eine kleine Dosis" Irritation sorgen wollte: „,Dilettantentum‘ wird heute als gleichbedeutend mit fehlerhafter Stümperei oder oberflächlicher Unwissenheit angesehen. Das 18. Jahrhundert verstand unter einem Dilettanten hingegen - positiv konnotiert - den praktizierenden Liebhaber oder Amateur, der eine künstlerische oder wissenschaftliche Tätigkeit aus Interesse, Vergnügen oder Leidenschaft verfolgte", sagte er. Kesselstatt als Aquarellist habe sich dabei in bester Gesellschaft dilettierender Zeitgenossen von Johann Wolfgang von Goethe bis Friedrich dem Großen befunden. Als dilettierender Künstler sei Franz von Kesselstatt den Konventionen seiner Zeit gefolgt: „So zeichnete er ideale Landschaften, aber auch viele Ansichten des Rheintals, ganz im Geist der ,Rheinromantik‘. Seine schönsten Darstellungen der Gegenden zwischen Trier, Koblenz und Mainz vereinte er im so genannten ,Trierer Album‘ - ein bemerkenswertes Zeugnis seines Talentes und eine kostbare Leihgabe der Stadtbibliothek Trier, über die wir mehr als nur glücklich sind. Ein extra gefertigtes Faksimile lädt dabei zum Entdecken dieser streng gehüteten Kostbarkeit ein", sagte Kölsch.

Zu Kesselstatts „wahrer Spezialität" gehörten jedoch „minutiös-genau ausgeführte" Ansichten des alten Mainz und hierbei insbesondere Darstellungen, die zu seiner Zeit bereits zerstörte oder vom Untergang bedrohte Bauwerke festhalten. „Seit der Zerstörung von Mainz durch die Beschießung von 1793 lebte Kesselstatt im alten Bischofshof am Höfchen - und hatte dort genau diese Zerstörungen jeden Tag direkt vor Augen. Als Zeuge des Untergangs der ,Aurea Moguntia‘ wie auch der Auflösung des alten Kurstaates wuchs Kesselstatts Bedürfnis, die überlieferte Gestalt der Stadt als Zeugnisse ihrer ,großen‘ Vergangenheit für die Nachwelt festzuhalten. Somit dokumentierte er die untergegangene Favorite und die Martinsburg, die aufgelösten Klöster am heutigen Schillerplatz und die bereits abgerissene Aureuskapelle, aber auch das gotische Kaufhaus am Brand, letzteres quasi ,in letzter Minute‘ vor seiner Niederlegung", hob Kölsch in seinen Ausführungen hervor.

„Chronist des untergegangenen barocken Mainz"

Die Ausstellung in den Räumen des Mainzer Dommuseums zeichnet mit 100 Exponaten das Leben und Wirken Franz von Kesselstatts sowie sein Lebensumfeld in Mainz nach. Kesselstatt, 1753 geboren und einer alten Trierer Adelsfamilie entstammend, wurde 1778 Domkapitular und Mitglied des Domkapitels des alten Erzbistums Mainz. Kesselstatt habe in einer Periode tief greifender historischer Veränderungen gelebt, betonte Kurator Kölsch bei einer Journalistenführung durch die Ausstellung am Mittwoch, 27. August. Seine Lebenszeit umfasste die Französische Revolution und die Besatzung von Mainz, die Auflösung des Mainzer Kurstaates unter Napoleon sowie die Neuordnung Europas durch den Wiener Kongress. Nach der Auflösung des alten Erzbistums Mainz und bei der Wiedererrichtung des Bistums Mainz 1801/03 blieb Kesselstatt ohne offizielles Amt. Kesselstatt lebte als Privatier in Mainz, legte eine Kunstsammlung sowie eine umfangreiche Bibliothek an. Auf dem Wiener Kongress vertrat er 1814/15 die Interessen der Stadt Mainz. Er starb hochbetagt 1841; sein Grab ist heute unbekannt.

Die Ausstellung des Bischöflichen Dom- und Diözesanmuseums stellt zunächst Kesselstatts Lebenslauf und seine Lebenswelt als Domkapitular vor: auf dunkelblau gehaltenen Wänden werden die Biografie Kesselstatts, die Geschichte des Mainzer Domkapitels sowie historische Ereignisse der Zeit thematisiert. Vor hellblauen Wänden, die wie eine Biedermeiertapete gestaltet sind, wird der Maler Kesselstatt vorgestellt. Kesselstatt sei der „Chronist des untergegangenen barocken Mainz", sagte Kölsch.

Er freue sich, die Arbeiten Kesselstatts im Original zeigen zu können, „altgerahmt und altverglast", betonte Museumsdirektor Wilhelmy. Sie seien so im Stammsitz der Familie Kesselstatt im Schloss Föhren erhalten. Die Ansichten könnten aus heutiger Sicht als historische Dokumente eines weitgehend untergegangenen oder stark veränderten Stadtbildes angesehen werden, die es dem Betrachter in einzigartiger Weise erlaubten, in die vergangene Atmosphäre des alten Kurmainz einzutauchen. So ist in der Ausstellung beispielsweise ein alter Stadtplan zu sehen, der den Standort der Bilder Kesselstatts zeigt. Der dritte Teil der Ausstellung - vor roten Wänden - stellt schließlich die 700 Gemälde umfassende Kunstsammlung Kesselstatts vor.

Hinweise:

  • Die Öffnungszeiten des Dommuseums sind Dienstag bis Freitag 10.00-17.00 Uhr; Samstag, Sonntag und Feiertage 11.00-18.00 Uhr. Am 3. Oktober ist das Museum geöffnet, am 1. November geschlossen.
  • Der Eintritt zur Sonderausstellung beträgt sieben Euro, ermäßigt fünf Euro; die Familienkarte kostet 14 Euro. Weitere Informationen - auch zu den Veranstaltungen rund um die Sonderausstellung - im Internet unter www.dommuseum-mainz.de
  • Zu der Ausstellung ist auch ein umfangreicher Katalog erschienen: Franz von Kesselstatt (1753-1841) - Mainzer Domherr, Diplomat und Dilettant in bewegter Zeit. Mit Beiträgen von Gernot Frankhäuser, Prof. Dr. Hildegard Hammerschmidt-Hummel, Thomas Hilsheimer M.A., Dr. Georg Peter Karn, Dr. Gerhard Kölsch, Dr. des. Bettina Schmitt und Dr. Winfried Wilhelmy. Hrsg. von Dr. Gerhard Kölsch, Publikationen des Bischöflichen Dom- und Diözesanmuseums Mainz, Band 5. 232 Seiten, ca. 190 Abbildungen, 24,80 Euro