Professor Dr. Helwig Schmidt-Glintzer ist Direktor der Herzog August-Bibliothek in Wolfenbüttel. Sein Vortrag stand unter der Überschrift „Kosmische Ordnung und die Rückkehr ins Diesseits - Himmelskult, Geisterglauben und soziale Bindung in China". Der Mainzer Bischof, Kardinal Karl Lehmann, hatte als Inhaber der diesjährigen Stiftungsprofessur die Vorlesungsreihe unter die Überschrift „Weltreligionen - Verstehen, Verständigung, Verantwortung" gestellt.
Schmidt-Glintzer wies darauf hin, dass Radio Vatikan seit März dieses Jahres sein Programm auch auf Chinesisch ausstrahle, als bisher achte Programmsprache. Der Brief von Papst Benedikt XVI. an die chinesischen Katholiken aus dem Jahr 2007 sei „ein Schritt in eine versöhnliche und konstruktive Richtung", sagte Schmidt-Glintzer. China sei im 20. Jahrhundert oft als religionsloses oder atheistisches Land bezeichnet worden, doch gleichzeitig hätte die große Glaubenspraxis der Bevölkerung, die von Daoismus, Konfuzianismus und Buddhismus geprägt sei, im Gegensatz dazu gestanden. Für China sei insgesamt eine Religionsvielfalt zu verzeichnen, wie es sie sonst kaum auf der Welt je gegeben habe und gebe.
Er erklärte, dass Religion im Programm der kommunistischen Partei Chinas nicht mehr als etwas vorkomme, das „absterben müsse", sondern „als Mittel der gesellschaftlichen Kultivierung". Es habe also ein Wandel eingesetzt, doch nach wie vor gebe es einen „konfliktreichen Gegensatz" zwischen Staat und Religion, da die kommunistische Partei „Heilsversprechen" für sich in Anspruch nehme, die zu Intoleranz gegenüber Religionen führe. Die Zulassung von Religions- und Meinungsfreiheit sei eines der größten Probleme des Landes überhaupt, sagte Schmidt-Glintzer.
Kardinal Lehmann, der auch das anschließende Kolloquium moderierte, hatte in seiner Einführung hervorgehoben, dass Schmidt-Glintzer „in herausragender Weise das alte und das neue China kennt und auch meisterhaft darzustellen versteht". Der Kardinal würdigte besonders das in diesem Jahr erschienene Buch „Wohlstand, Glück und langes Leben. Chinas Götter und die Ordnung im Reich der Mitte", in dem er sich mit der Prognose beschäftige, dass die Religion in China wieder eine Zukunft habe. „Man darf wohl ohne Übertreibung sagen, dass dieses Buch eine neue Seite im Verständnis Chinas und seines Verhältnisses zu den Religionen aufschlagen kann und vielleicht auch wird", sagte Lehmann. Schmidt-Glintzer ist unter anderem seit 2007 Vorsitzender der Deutschen Vereinigung für Chinastudien (DVCS). Beim achten Abend der Vorlesungsreihe waren fast alle Plätze des 1.200 Zuhörer fassenden Hörsaals besetzt.
Die nächste Gastvorlesung der Mainzer Stiftungsprofessur übernimmt am Dienstag, 23. Juni, Professor Dr. Dr. Manfred Hutter vom Institut für Orient- und Asienwissenschaften der Universität Bonn. Er spricht zum Thema „Die Baha´i-Religion im globalen Kontext: Ihre Lehre über die ‚Fortschreitende Offenbarung' als Grundlage für ethisch-soziales Engagement in einer Welt vielfältiger Kulturen". Die Vorlesung mit anschließendem Kolloquium findet von 18.15 Uhr bis etwa 20.00 Uhr im Hörsaal RW 1 (Neubau Recht und Wirtschaft) auf dem Campus der Johannes Gutenberg-Universität Mainz statt.
Hinweis: Weitere Informationen im Internet unter http://www.stiftung-jgsp.uni-mainz.de/