Lehmann sprach zum Auftakt des Treffens am Samstag, 11. Oktober, im Erbacher Hof in Mainz über die „Grundlinien einer Theologie der Taufe für die Praxis". Dabei plädierte grundsätzlich dafür, dass die Taufe „wieder sehr viel stärker inmitten der Gemeinde und nicht im Sinne eines Familiengottesdienstes gefeiert wird". Dies müsse jedoch „immer mit Klugheit und Einfühlungsvermögen entschieden werden".
Wörtlich sagte er: „Die Taufe schafft einen neuen Raum der Freiheit des Geistes, die Kirche Jesu. Dies steht in einem krassen Gegensatz zu der heimlichen Annahme, die Taufe sei eher eine Familienangelegenheit als eine Sache der Gemeinde. Wir haben eine viel zu sehr dem Individualismus verfallene Auffassung von Taufe. Eine Taufe, an der die Gemeinde nicht interessiert ist, ist eine kuriose Form. Dadurch dass sie in einer Kirche, einem Kirchenraum geschieht, aber nur innerhalb einer kleinen Gruppe, ist sie noch nicht ausreichend in ihrer kirchlichen Struktur verstanden."
Lehmann betonte, dass der Mensch mit der Taufe allein „noch nicht am Ziel" sei. „Sie ist Gottes Gabe, aber auch unsere menschliche Antwort gehört dazu." Und weiter: „Gerade deshalb aber stellt uns die Taufe in die Sendung. Die Wirklichkeit des neuen Lebens kann nur dann bewahrt werden, wenn sie in unseren täglichen Lebensvollzug zu immer neuer Wirksamkeit kommt. Dies gilt für unser Christsein und für die Zeugenschaft des Glaubens im Alltag."
Das „gemeinsame Priestertum" sei „entscheidendes Fundament des christlichen Lebens", sagte Lehmann. Alle Gemeindemitglieder sollen ihre Fähigkeiten und Begabungen „für den Aufbau des Reiches Gottes in die Gemeinde einbringen". Wörtlich sagte er: „Man kann diese verschiedenen Dienste ‚Charismen' nennen oder sie einfach auch schlicht vom ehrenamtlichen Zeugnis her verstehen. Hier bedürfen wir immer noch einer Vertiefung dessen, was bisher erreicht wurde: Wahrnehmung und Entdeckung von Charismen, Weckung der einzelnen Charismen, echte Delegation von Aufgaben und Befugnissen, Anerkennung des Geleisteten, (Entschädigung, wo möglich und notwendig), öffentlicher Dank, Verständnis für begrenzte Zeit des Engagements, Vertiefung einer neuen Kultur des Ehrenamtes. In diesem Kontext muss ein neues Verhältnis zwischen Amt und Charismen entstehen und eingeübt werden."
Der Kardinal erinnerte außerdem daran, dass die ökumenische Dimension der Taufe „nicht gering geschätzt" werden dürfe. „Es ist ein großer Schatz, dass die Kirchen in hohem Maß trotz aller Trennungen das sakramentale Band der Einheit durch die Taufe erhalten haben." Weiter sagte er: „Alle Einheit geht aus der Taufe hervor. Aber es ist doch ein unvollkommenes Band der Einheit. Diese ist ausgerichtet auf ein weiteres Wachsen in das Maß der Fülle Jesu Christi. Dies fordert uns in ganz besonderer Weise heraus. In diesem Geist und in einer neuen Spiritualität der Taufe müssen wir die Hindernisse zwischen den getrennten Kirchen überwinden und noch mehr eine umfassendere Einheit gewinnen. Dies ist gewiss der noch nicht genügend entdeckte Sinn der ökumenischen Taufanerkennung vom 29. April 2007 im Dom zu Magdeburg."
Er verwies auch auf den Zusammenhang der Taufpastoral mit dem Strukturprozess im Bistum Mainz. Wörtlich sagte er dazu: „Die Strukturen sollen uns ja helfen, die Aufgabe wirklichen Christseins besser in unserer konkreten Lebenswelt vollziehen zu können. Wir haben eingesehen, dass ein Christentum weitgehend in Form der ‚Volkskirche' - wir wollen aber daraus keine Karikatur machen - schon längst im Wandel begriffen ist. Dann werden das entschiedene Christwerden und auch das als Lebenszeugnis sich bewährende Christsein viel wichtiger. Deshalb wollen wir mit diesem Thema auch die neuen Strukturen, die sich in den nächsten Jahren vermutlich nochmals verändern, lebensfähiger und lebensnäher machen. Deshalb ist das Thema auch auf längere Zeit geplant. Es läuft uns nichts davon, wenn wir diese Aufgabe gründlich erfüllen."
Rainer Stephan, Referent für Gemeindekatechese im Seelsorgeamt, berichtete in der anschließenden Aussprache von den bisherigen praktischen Erfahrungen aus dem Bistum. Neben mehreren Werkstattgesprächen in den Regionen ist das Thema „Taufe" im Dekanat Mainz-Süd als Schwerpunkt aufgegriffen worden. „Dort, wo intensiv an dem Thema gearbeitet wurde, haben wir durchaus einen Anstieg der Taufen feststellen können", sagte Stephan. Besonders bewährt habe sich ein ehrenamtlicher Besuchsdienst, der zu Familien geht, um zur Geburt eines Kindes zu gratulieren, berichtete er.
Weiteres Thema des Tages war ein Bericht der Mainzer Delegierten vom vierten bundesweiten Dialogtreffen des Gesprächsprozesses der Deutschen Bischofskonferenz, das im September in Magdeburg stattgefunden hat. Beim geistlichen Impuls zu Beginn der Diözesanversammlung beteten die Teilnehmer für den Verlauf der Außerordentlichen Bischofssynode zum Thema Familie in Rom. Zum Abschluss des Tages feierten die Teilnehmer gemeinsam mit dem Mainzer Generalvikar, Prälat Dietmar Giebelmann, die Eucharistie. Geleitet wurde die Sitzung von der Geschäftsführenden Vorsitzenden der Diözesanversammlung, Dr. Hildegard Dziuk.
Die Diözesanversammlung des Bistums Mainz - die es in vergleichbarer Form nur noch im Bistum Rottenburg-Stuttgart gibt - tritt in der Regel einmal im Jahr zusammen. Sie ist nach den Worten des Bischofs von Mainz, Kardinal Karl Lehmann, so etwas wie eine „kleine Synode des Bistums" mit seinen rund 750.000 Katholiken. Ihr gehören rund 125 Mitglieder an. Sie setzt sich unter dem Vorsitz des Bischofs aus den diözesanen Räten (Priesterrat, Katholikenrat und Konferenz der Dekane) und den Vertretern der Bistumsleitung zusammen. Hinzu kommen Vertreter der Ordensfrauen, der Ständigen Diakone, der Pastoralreferentinnen und -referenten, der Gemeindereferentinnen und -referenten sowie des Diözesan-Caritasverbandes. Außerdem können bis zu sieben Persönlichkeiten hinzugewählt werden. Die Organe der Diözesanversammlung sind der Vorstand mit dem Bischof als Vorsitzendem, der Diözesan-Pastoralrat (eine Art Hauptausschuss) und neun Sachausschüsse, die bei der konstituierenden Sitzung gebildet wurden.