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Predigt Pfarrer Dr. Givens am 23.03.2025:Das Ringen um Gott...

Pater Hubert Ordon
Pater Hubert hat sich immer wieder gefragt: Was bedeutet dieser Gott, der von sich sagt 'Ich bin der ich bin' für mich und für andere?
Datum:
25. März 2025
Von:
Pfr. Dr. Ronald A. Givens

Liebe Schwestern und Brüder im Herrn.

Es war in einem sehr sonnigen sehr warmen Samstagnachmittag 2006, da hatte er fast 20 Stunden Autofahrt hinter sich. Sein Bruder hat ihn abgeholt, so kam Pater Hubert quer durch ganz Polen und Tschechien bei uns an und stand am Tor, ganz als Priester bekleidet, und ich in kurzen Hosen.

Da sind Welten aufeinandergetroffen:

Er, der Professor, der ein paar Tage vorher noch jeden Tag Studenten vor sich gehabt hat, denen er von seiner großen Liebe erzählt hat: Der Liebe zur Heiligen Schrift, zum Neuen Testament. Weil ihm das Wort so wichtig war, hat er übersetzt, aus dem Urtext ins Polnische, das gesamte Johannesevangelium, hat sich um jedes einzelne Wort Gedanken gemacht.

Er war auch hier ein Liebhaber der Sprache und hat genau hingehört. Er kam in eine ganz andere katholische Welt als die Welt, die ihm vertraut gewesen ist. Heute, am Sonntag, da wären in der Nähe von Katowice, wo er geboren worden ist, 12 Messen in einer Kirche gefeiert worden, alles so voll wie diese. Da wären ganz selbstverständlich die Menschen vor der Messe zur Beichte gegangen.

Und dann kam er in eine Welt, in der wir überlegt haben, wie wir Gottesdienste zusammenlegen, wie wir Strukturen verändern, damit wir überhaupt noch die Menschen erreichen. Das war für ihn eine Herausforderung, hier in einem ganz anderen Katholizismus als in dem polnischen seinen Platz und Weg zu finden - aber es gehört zur Lebensbiografie von Pater Hubert ganz sicher mit dazu.

Aufgewachsen ist er in einem Teil von Polen, Schlesien, wo zur Erfahrung für die Bevölkerung damals, 1939, wo er geboren worden ist, auch dazu gehört hat, dass sie besetzt worden sind von den Deutschen. Dass gerade dort, wo er geboren worden ist, etliche Konzentrationslager, das bekannteste Konzentrationslager, Auschwitz, errichtet worden sind.

Johannes Paul II., gar nicht weit vom Geburtsort von Pater Hubert geboren, ist davon geprägt gewesen, was er als Kind, als Jugendlicher, als junger Erwachsener gesehen hat in dieser Besatzungszeit, und auch Pater Hubert, der nicht viel darüber gesprochen hat, ist davon geprägt worden, hat das mitgenommen und in dieser Zeit das gefunden, was wir im Evangelium (Lk 13, 1-9) gehört habe:

Dass da in seiner Ausbildung Menschen gewesen sind, die gesagt haben „Aus diesem Baum kann etwas werden!“, so wie der Gärtner zum Winzer sagt „Gib diesem Baum eine Chance! Ich sehe, dass da etwas wachsen kann, dass das etwas werden kann!“.

Dafür werdet ihr euch Paten aussuchen, dafür gibt es Firmpaten. Firmpaten sind nicht in erster Linie die guten Bekannten aus der Familie, sondern diejenigen, die sagen: Wenn es darauf ankommt, dann grabe ich um dich den Boden auf, damit die Wurzeln deiner Seele Luft bekommen. Wenn es darauf ankommt, dann gebe ich dir Dünger, damit Du stark wirst. Firmpaten sind diejenigen, die über den Tag hinaussehen und die sagen: Ich traue dir etwas zu und ich bestärke dich, dass du deinen Weg gehst!

Das hat Pater Hubert immer wieder erfahren, dass da Menschen gewesen sind, die gesagt haben: Ich bestärke dich ich traue dir etwas zu! Und so ist es nur folgerichtig, dass er nach seiner Priesterweihe, nach dem Ordenseintritt von seinen Oberen dafür ausgesucht wird, damit er junge Menschen unterrichtet, für sie da ist. Wir haben das vielleicht vergessen, weil wir immer nur den alten Pater Hubert gesehen haben, der die Kranken und die Alten besucht hat - aber das war auch mal der junge Pater Hubert, der junge Menschen begeistern konnte.

Den man eingesetzt hat, um junge Menschen zu begleiten, der selbst erfahren hat: Man hat mich bestärkt, und ich gebe diese Bestärkung weiter. Der geteilt hat, was ihm wichtig gewesen ist. Und er sucht sich einen Orden aus, er geht zu den Salvatorianern, der uns tief vertraut ist, auch wenn wir nicht geahnt haben, dass mal ein Salvatorianer zu uns kommt.

Schwester Hildegard in Beth-Emmaus, die sich um Frauen und Behinderte kümmert, ist einen Salvatorianerin. Schwester Bertholda und Schwester Ruth, die sich um palästinensische Kinder kümmern und eine Schule aufgebaut haben, sind Salvatorianerinnen. Pater Hubert sucht sich einen Orden aus, wo die gestärkt und aufgebaut werden, die sonst keine Chance haben, die es schwer haben. Er sucht sich einen Orden aus, der weltweit hinschaut: Wo gibt es Menschen, die sonst unter die Räder kommen, wenn wir nicht da sind? Irgendwann wird sein Herzenswunsch erfüllt, er darf noch tiefer in die Heilige Schrift eindringen.

Wir haben in der Bibel gerade eben gehört haben, wie Mose neugierig über alle Grenzen hinausgeht und an den brennenden Dornbusch kommt, sich fragt Was ist denn da? und Wer ist denn da in diesem Feuer?. Wer ist dieser Gott, der sich verzehrt und doch den Dornbusch nicht verzehrt?

Pater Hubert bekommt die Erlaubnis, dass er nach Rom darf und dort seine Studien fortzusetzen. Er wird Professor an der päpstlichen Bibelakademie und kehrt nach Lublin zurück, um dann viele viele Jahrzehnte als Professor zu arbeiten und immer wieder zu fragen: Was bedeutet dieser Gott, der von sich sagt Ich bin der ich bin. für mich und für andere?

Und so kommt er zu uns nach Viernheim, in diese ganz andere Welt. Jetzt, um diese Uhrzeit, wäre im Josefs Krankenhaus unterwegs hätte die Messe um 8:30 Uhr gefeiert, und dann wäre er von Zimmer zu Zimmer gegangen, ungefähr bis zur Mittagsessenszeit, um Kranke und Sterbende zu besuchen. Das war für ihn nicht immer einfach, weil er von seiner Frömmigkeit und von der Art und Weise, wie er aufgewachsen ist, Menschen begegnet ist, die mitunter sehr ablehnend gewesen sind, gar nicht verstanden haben, dass da sich einer um ihre Seele sorgt. Dass da einer fragt: Gibt es da etwas was in deinem Leben, was schiefgelaufen ist, das du noch in Ordnung bringen musst, das in die Beichte hineingehört?

Viele haben ihn da verständnislos angeschaut, für manchen und manche aber war das die notwendige Frage, um den Ballast loszuwerden, den sie oder er ein ganzes Leben lang mit sich herumgeschleppt hat und nicht den Mut gefunden hat zu sagen Da habe ich etwas falsch gemacht, da habe ich etwas zerbrochen, da lastet auf meinem Herzen, da lastet auf unserer Familie etwas, das muss jetzt endlich geklärt werden., und dann von ihm, Pater Hubert, zu hören: Gott ist barmherzig! Der brennende Dornbusch verzehrt dich nicht, er vernichtet dich nicht, sondern er gibt dir neues Leben! Er gibt dir Zukunft, Gott vergibt dir!

Sonntagnachmittag ist er dann oft eingeladen worden oder hatte viele Besuche, 2500 in 8 Jahren. Das fehlt uns heute, jemand, der zu Besuch kommt, jemand der klingelt und sagt: Sie haben heute ein Fest, sie haben heute einen wichtigen Tag, ich komme im Namen der Pfarrei und im Namen der Kirche!

Und wieder hat es ihm geholfen, dass er ein guter Zuhörer gewesen ist, dass er selber erfahren hat, wie wichtig das für seine Studenten gewesen ist, wie wichtig das für ihn selber gewesen ist, dass da immer und immer wieder auch Menschen waren, die gesagt haben: Ich sehe in dir etwas Gutes!

Oft hat er berichtet, wenn er zurückgekommen ist: Heute habe ich Torte bekommen, ein Glas Sekt und einen Teller mit Schnittchen, aber wenn ich von Gott gesprochen habe, da wurde es plötzlich ganz still. Aber bei denen, wo es nicht nur die Torte, das Glas Sekt und die Schnittchen gegeben hat, die dankbar waren, dass da auch einer war mit der mit dem sie über Gott reden konnten, da entstanden Freundschaften und enge Beziehungen. Da hat Pater Hubert immer wieder angeklopft, weil er wusste: Uns verbindet auch der Glaube, uns verbindet dieses Ringen um Gott.

Nach seiner Pensionierung, als er die Altersgrenze erreicht hat, die für Priester im Dienst möglich ist, ging er wieder zurück, um in Lublin an der Universität auszuhelfen, da zu sein, Gottesdienst zu halten. Das zu teilen, was ihm ein ganzes Leben lang wichtig gewesen ist – bis ihn ein kleiner Knochensplitter absolut gelähmt gemacht hat. Geistig war er bis zum Schluss vollkommen da, aber der Körper, ab dem Hals bis nach unten, war völlig unbeweglich.

Da muss er aushalten, dass dieser Gott so ganz anders ist als wir uns das vorstellen. Ich bin der ich bin. Ich bin nicht der, den du gerne hättest, sondern ich bin der ich bin. So offenbart sich Gott, und da wird es zum Glaubensernstfall für Pater Hubert, auszuhalten, dass Gott so anders ist, und zu begreifen, dass nun der letzte Glaubensschritt nur noch möglich ist durch das verzehrende Feuer hindurch.

Es geht nicht anders zu Gott, als dass wir uns ganz in die Flamme seiner Liebe hineinwerfen und all das ausgelöscht wird, was nicht himmelstauglich ist. Da verzehrt Gott all das, was nicht himmelstauglich ist, um hineinzunehmen, was an Leib und Seele ewigkeitswürdig ist.

Pater Hubert hat einen Teil seines Lebens hier uns geschenkt, und er hat vor allen Dingen eines geschenkt und gezeigt: Dass katholische Kirche in Polen ganz anders sein mag als katholische Kirche in Deutschland. Dass Menschen auf ganz unterschiedlichen Wegen Gott suchen und Gott finden, aber dass, egal wo Menschen leben, es immer um die gleiche Frage geht:

Ist da ein Gott, der mich sieht, und ist da ein Gott, der mit mir geht und ist da ein Gott, der am Ende des Weges auf mich wartet?

Pater Hubert hat fest daran geglaubt. Uns wünsche ich, dass wir ebenfalls so durchs Leben gehen können, dass wir sagen können: Du, mein Gott, bist der, der Du bist, und ich bin dankbar, dass ich vor Dir bestehen kann. Ich bin dankbar, dass Du mich nicht verzehrst, und ich bitte Dich um die Kraft, dass ich, wenn meine Stunde kommt, das letzte, was ich habe, lassen muss.

Dass ich keine Angst habe, mich in die Flamme Deiner Liebe hineinzuwerfen, sondern dann darauf vertraue, dass ich ein Teil von Dir werde - dass ich selbst in Dir und durch Dich und mit Dir zum brennenden Dornbusch werde.

In der Ewigkeit.

Amen.