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Predigt Gemeindereferentin Angela Eckart am 17.08.2025:Das fünfte Brot

Die Kommunionkinder stehen auf den Stufen vor dem Hauptportal der Kirche.
Ich bin bei euch. Ich glaube an euch. Ich wirke durch euch.
Datum:
19. Aug. 2025
Von:
Angela Eckart

Liebe Kommunionkinder, liebe Kinder und Jugendlichen, liebe Schwestern und Brüder,

hell strahlt die Sonne am Himmel und bringt das Wasser des Sees zum Glitzern. Schon seit den frühen Morgenstunden ist das Hämmern im ganzen Dorf zu hören: tock, tock, tock – tock, tock, tock Die Steinmetze sind bei der Arbeit. Seit Tagen kommen sie schon früh, wenn der Tau noch auf den Blättern liegt. Mit ruhigen Händen und einem guten Blick für Formen und für Farben schlagen sie winzig kleine Steinchen zurecht: goldgelb wie Weizenfelder, braun wie feuchte Erde, rotbraun wie der Lehm der Tongefäße, beige wie trockener Sand. In einer Ecke haben die Steinmetze bereits mit ihrem Werk begonnen. Vorsichtig drücken die Männer jedes noch so winzig kleine Steinchen in den feinen Sand und Mörtel. Geduldig setzen sie die Steinchen zusammen, eines neben das andere – wie bei einem riesigen Puzzle. Die Menschen im Dorf kommen immer wieder vorbei, schauen den Arbeitern über die Schulter und rätseln: "Was wird das wohl? Ein Boot? vermutet der alte Fischer. Ein Stern? fragt ein kleines Mädchen. Doch die Steinmetze lächeln nur und arbeiten still weiter. So vergehen die Tage. Das Bild wächst und nimmt Formen an. Eines Tages ist es soweit. Das letzte Steinchen hat seinen Platz gefunden. Alle strömen herbei, um das Kunstwerk zu bestaunen. „Das sind doch zwei Fische“ ruft einer. Und ein Korb mit Broten. Eins, zwei, drei, vier – zählen sie und beginnen noch einmal. Eins, zwei, drei, vier. Nur vier Brote! denken einige aus dem Dorf. Andere runzeln die Stirn. „Aber bei Jesus waren es doch fünf Brote …?“ murmelt da jemand. Da tritt der älteste Steinmetz nach vorne, wischt sich den Staub von den Händen und sagt leise: "Das fünfte Brot … das legen wir nicht ins Mosaik. Das kommt auf den Altar. Das bringst du mit. Und du. Und du. Das bringe ich mit. Das sind wir."

Die Kommuionkinder empfangen den Leib Christi.

Was für ein unglaublicher Gedanke. Das fünfte Brot – das sind wir. Mit unserem Leben. Mit dem, was wir sind. Mit dem, was uns wichtig  ist. Mit dem, was uns freut – und dem, was uns schwerfällt. Mit unserer Liebe – und auch mit unserem Schmerz und unseren Sorgen. Mit dem, was wir teilen – und dem, was wir vermissen.  Darum sind wir an diesem Morgen hier. Heute ist nicht nur ein besonderer Tag, 
weil ihr, liebe Kinder, zum ersten Mal die heilige Kommunion empfangt. Heute ist auch ein Tag, an dem wir als ganze Gemeinde gemeinsam, unser fünftes Brot auf den Altar legen dürfen. Ein Brot, das gebacken ist aus den vielen Momenten unserer Woche, aus eurer Kommunionvorbereitung: aus Freundschaften, die entstanden sind, aus Mutmach-Geschichten aus der Bibel, aus dem gemeinsamen Lachen, aus Respekt, aus Geduld, aus stärkenden Worten, die wir gehört habt: "Ich bin geliebt. Ich bin einzigartig. Ich bin königlich - für unseren Gott."
Aber auch wir Erwachsenen bringen heute vielen Momente und Facetten mit, die unser Menschsein ausmachen. die Fragen, die wir haben: Bin ich in unserer Kirche willkommen und angekommen? Schaffen wir das Miteinander heute als Familie? Halten wir uns mit unseren Grenzen und Brüchen aus? 

Mit dem fünften Brot bringen wir den Alltag, der uns oft fordert, in der Familie und im Beruf, in der Krankheit und im Alter, die Ungerechtigkeiten, die wir erleben, warum einer dem anderen vorgezogen wird, warum einer mehr besitzt, als die andere.  Wir bringen besonders auch den Schmerz über Menschen, die uns gerade auch heute fehlen, die Sorge um unsere Kinder, die Freude über die Geburt und die Dankbarkeit über die Talente und Begabungen, das Lachen und die Freude an unseren Kindern. Und wenn wir gleich Eucharistie feiern, dann liegt auf dem Altar das fünfte das Brot gebacken aus Weizen und Wasser und gebacken aus dem, was wir mitbringen. Und in diesem Brot nimmt Jesus unser Leben auf, mit all seiner Freude und seinem Schmerz, mit unseren Fragen, Hoffnungen und Wünschen. Und er gibt uns sein Leben zurück – als Kraft, als Trost, als Liebe, die bleibt.

Gott will uns in diesem fünften Brot verwandeln. Er sieht nicht nur, was wir tun oder haben – er sieht, wer wir sind und wer wir werden können. Er nimmt unser Leben mit seinen Brüchen, mit seinen Unvollkommenheiten und seinen Grenzen, und formt daraus etwas Neues, etwas Ganzes, etwas Heiliges. Das fünfte Brot – das sind wir. Und mit diesem Brot sagt Gott: "Ich bin bei euch. Ich glaube an euch. Ich wirke durch euch." So wird an diesem besonderen Sonntag und in der neuen Woche das fünfte Brot lebendig in uns – in unseren Händen, in unserem Alltag, in unseren Familien, in unserer Welt. Amen.