Predigt Pfarrer Dr. Givens am 24. November:Die Tür zum Leben

Christkönig
Liebe Schwestern und Brüder,
uneinnehmbar hoch auf einem Felsen liegt sie da, die wunderschöne Stadt mit all ihren Reichtümern. Mauern und Stadttore sichern die Stadt. Der König und seine Krieger sorgen dafür, dass niemand die Stadt einnimmt. Und doch ist draußen auf dem Meer ein Seeräuberschiff zu sehen. Sie nähern sich unaufhaltsam der Stadt und sie wagen den Angriff auf die Stadt, um an die Reichtümer zu kommen.
Am Ende nimmt der König alle gefangen. Und er führt sie hinein in den großen Palast, in einen der größten Säle, die es gibt. Dort steht der zusammengewürfelte Haufen an Seeräubern. Und auf der anderen Seite lässt der König seine Bogenschützen aufmarschieren, einen nach dem anderen. Mit Köchern, mit Pfeil und Bogen stehen sie da.
Dann sagt der König zu den Seeräubern:
Es liegt jetzt an euch. Dort hinten, ganz am Ende des Saales im Dunkeln, da gibt es eine geheimnisvolle Tür, durch die noch niemand gegangen ist.
Und da stehen sie, die Bogenschützen mit ihren Pfeilen. Sie sind auf euch gerichtet.
Ihr könnt euch entscheiden:
– Ihr bleibt stehen und ihr empfangt den Lohn dafür, dass ihr unsere Stadt angegriffen habt. Ihr werdet alle sterben.
– Oder ihr wagt es, durch diese Tür zu gehen.
Es liegt an euch.
Keiner bewegt sich. Keiner geht. Keiner kehrt sich um. Alle werden von den Pfeilen niedergemacht.
Als alle Seeräuber am Boden liegen, da fragt einer von den Bogenschützen: „Herr, was ist hinter der Tür?“
Da nimmt ihn der König bei der Hand und geht mit ihm zur geheimnisvollen Tür, ganz am Ende des Saales, ganz im Dunkeln, ganz im Unbekannten, und öffnet die Tür. Da sieht man:
das Meer, die Sonne, die Weite und die Freiheit.
Die Deutung
Das gibt es, dass man genau weiß:
Wenn ich so mit meinem Mann, mit meiner Frau weiterrede, dann richten wir giftige Pfeile auf unser Herz. Dann nehmen wir uns selber das Leben.
Das gibt es, dass ich die Zigarette anzünde, obwohl ich weiß, sie wird meine Lunge zuteeren.
Das gibt es, dass ich die Tablette, den Alkohol, all die Gewohnheiten nehme, obwohl ich weiß:
Das sind wie Pfeile auf mein Herz gerichtet.
Sie zerstören nicht nur die Leber und mein Leben, sondern sie zerstören auch alles, was mir einmal heilig und wichtig gewesen ist.
Es gibt so viele Situationen, da stehen wir wie die Seeräuber in diesem Saal, in diesem Gleichnis. Und wir wissen ganz genau:
Wenn ich mich jetzt nicht bewege, wenn ich jetzt nicht etwas ändere, wenn ich jetzt nicht den Mut habe, durch die Tür zu gehen, dann geht diese Ehe in die Brüche, dann geht meine Seele in die Brüche, dann gehen meine Kinder vor die Hunde, dann ruiniere ich alles, was mir einmal wichtig und heilig gewesen ist.
Und wie oft bleiben wir stehen?
Und der Pfeil trifft uns.
Und wir wissen ganz genau: So viele von diesen Pfeilen werde ich nicht mehr aushalten.
Aber irgendwie ist das viel süßer und viel besser und mehr Gewohnheit, als sich umzudrehen und zu sagen:
Die Chance, dass etwas anderes kommt, die Chance, dass das Leben anders wird, ist weniger verlockend als das Stehenbleiben, als die Gewohnheit, als die Veränderung.
Und weil wir Menschen so sind, weil wir uns so schwer tun und so unbeweglich sind, obwohl unser ganzes Herz uns sagt: Wag es doch den Neuanfang, lass es doch, haben wir einen König, der die schwerste und die schlimmste und die dunkelste Tür geöffnet hat:
Die Tür des Todes.
Jesus hatte Angst im Garten Gethsemane. Jesus hatte Angst vor dem Kreuz. Das war nicht der Sonntagsspaziergang. Der hat an seinem Leben gehangen. Aber weil er uns sagt: Ich vertraue darauf, dass die letzte und die schlimmste Tür eine Tür ist, die mich ins Leben führt, darum öffnet er die letzte Tür, die Tür des Sterbens, um uns zu zeigen: Die führt zum Leben.
Und deswegen singen wir immer wieder: „Manchmal feiern wir mit dem Tag ein Fest der Auferstehung“, weil das eine Auferstehung ist. Wenn ich mitten im Leben kapiere, ich kann Auferstehung bringen in meine Familie, indem ich das lasse, was giftige Pfeile für uns ist.
Ich kann Auferstehung für meinen Leib bringen, indem ich das lasse, was Leib und Leber und Herz zerstört.
Ich kann Auferstehung bringen mitten im Tag, indem ich den Mut habe zu sagen:
Ich wage es, durch diese Tür zu gehen. Ich wage etwas Neues. Ich wage etwas anderes.
Es gibt genug Pfeile auf mein Herz, es gibt genug Pfeile auf die Herzen derer, die ich liebe. Es gibt genug Pfeile, die das Leben zerstören.
Ich wage ein Fest der Auferstehung, weil Jesus, mein König, auch vor der größten, der dunkelsten und der schwierigsten Tür keine Angst gehabt hat, weil er dem Leben getraut hat, auch dort, wo er im Sterben gewesen ist.
Christkönig
Christkönig, das heißt für uns:
zu wissen, die Tür, vor der wir am meisten Angst haben – die Tür des Todes – hat einer für uns durchschritten und uns gezeigt: Da ist Leben.
Das ist unser König.
Und Christkönig bedeutet:
Wo immer ich erkenne, dass Pfeile auf mein Herz gerichtet sind, dass Pfeile auf die Herzen derer gerichtet sind, die ich liebe,
wage ich die Umkehr.
Amen.