Predigt Pfarrer Dr. Givens zum Ostermontag am 21.04.2025:Dieses Brot heilt!

Liebe Schwestern und Brüder im Herrn.
Manchmal ist es genauso wie im Evangelium: Meine Gedanken sind im Moment gehalten, ich würde jetzt eigentlich gerne über Papst Franziskus predigen, aber das war viel zu kurzfristig, als diese Meldung heute Morgen gekommen ist - das muss warten. Und so geht es auch den Jüngern:
Manchmal sind die Augen und Gedanken gehalten, und gerade da erzählen die Frauen, die vom Grab zurückgekehrt sind, von Auferstehung, dass Jesus ihnen erschienen ist. Aber diese beiden Jünger können nichts damit anfangen, die sind noch beim Karfreitag, die sind noch bei ihrer Enttäuschung: Wir dachten doch, dass der der sei, der Israel erlösen werde…
Die sind wo ganz anders mit ihren Gedanken, und deswegen halten sie es auch nicht bei den anderen aus. Man kann manchmal nicht mehr einfach so in den Gottesdienst gehen, weil alles nicht mehr passt. Da wird von Auferstehung, Leben und Hoffnung geredet, und dabei ist alles im Moment rabenschwarz.
Und Trauer kann man ja auch nicht terminieren und sagen „Jetzt ist es wieder gut!“, da liest man die ganzen Trauerkarten, die frommen Sprüche, die Beileidsbekundungen, aber das Herz ist gehalten, es trifft einen nicht. Man ist mit den Gedanken wo ganz anders, man findet da nicht hin.
Das gibt's natürlich nicht nur mit der Trauer:
Nächsten Sonntag werden Familien kommen, die gemeinsam Erstkommunion feiern. Da ist es für den einen oder die andere unerträglich, dass der oder die Ex mit der neuen Familie dasitzt. Man feiert ganz fröhlich, aber eigentlich ist es einem zum Kotzen. Wie soll man das aushalten? Das funktioniert einfach nicht immer.
Wir sind unterschiedlich zeitlich unterwegs, und wo der eine über etwas hinweggehen kann, da sagt der andere: „Das schaffe ich noch nicht, das kann ich nicht, auch wenn ich will… ich kann es nicht!“
Die Augen und das Herz, alles ist gehalten, und dann ist es auch gut, den Mut zu haben zu sagen: „Ich ziehe mich erst einmal zurück. Wir beide bringen Abstand zwischen uns. Wir machen das nicht alleine, das geh nur zu zweit, und ich spüre: Es braucht jetzt eine Auszeit, es braucht jetzt Abstand und Ruhe, es braucht jetzt für mich etwas anderes.“
Auch das steckt in diesem Evangelium drin: Die Frauen verkünden, und die Männer können nichts damit anfangen. Wie viele Frauen haben das im Lauf der Geschichte erlebt: Männer, die verkünden, und Frauen, die nichts damit anfangen können. Nicht jede*r ist geeignet für jede*n, und auch da muss man den Mut haben zu sagen und zu suchen: "Ich suche jemand, der mein Herz erreicht, der mein Herz aus der Haltung in die Bewegung bringt."
Die Botschaft ist ja folgende: Da kommt tatsächlich einer, der sich selbst verändert hat.
Das ist nicht der gleiche Jesus von Galiläa wie vom See Genezareth, das ist nicht der gleiche Jesus, mit dem die beiden aufgebrochen sind hinauf nach Jerusalem. Das ist ein anderer Jesus, an dem nichts spurlos vorbeigegangen ist: Nicht die Einsamkeit im Garten Gezemaneh, nicht, dass keiner da war, um mit ihm zu beten und ihm die Hand zu halten, weil sie alle davongelaufen sind. Es ist nicht spurlos vorbeigegangen, und auch der Karfreitag hat seine Spuren hinterlassen. Da sieht man die Einstiche von all dem, was ihn getroffen hat, und auch im Grab zu liegen, denen beizustehen, die schon im Grab sind, zu den Toten hinabzusteigen, ihre Geschichten zu hören, sie aus der Dunkelheit herauszuführen – auch das geht doch nicht spurlos an Jesus vorbei.
So wie die Begegnung mit den Lebenden ihn geprägt hat, so prägt ihn natürlich auch die Begegnung mit den Toten, mit all ihren Fragen, mit all ihrer Enttäuschung, mit all ihrem Sterben. Der, der jetzt mit den beiden Jüngern unterwegs ist, ist einer, den die Lebenden und die Toten verändert haben. Der Auferstandene ist nicht derselbe wie der, der er vor der Auferstehung gewesen ist.
Und dann erkennen Sie ihn am Brotbrechen. Das ist bis heute meine allertiefste Überzeugung, und das wünsche ich allen Kindern, die zur Erstkommunion gehen, und allen Eltern, die ihre Kinder zur Erstkommunion begleiten:
Dieses Brot heilt!
Es gibt Dinge, die können wir als Menschen nicht in Ordnung bringen, da muss ich ganz oft dieses Brot brechen: Mit dem Ex und mit der Ex. Mit den Menschen, wo ich frage: Warum bist du tot? Warum bist du nicht mehr da? Warum kann ich nicht mehr mit dir unterwegs sein? Ich muss dieses Brot in Gedanken brechen mit den Geschwistern, mit denen ich keinen Frieden finde, mit den Nachbarn, mit denen ich keinen Friede finde, und immer und immer wieder darum bitten: Bring unser Herz in Bewegung! Lass unsere Augen nicht mehr gehalten sein. Bring mein Herz in Bewegung.
Das ist meine allertiefste Überzeugung:
In diesem Brot liegt eine Kraft, die wir nicht haben, eine Heilung, die wir nicht geben können, eine Versöhnung, die wir nicht machen können. Da liegen Wege, an die wir nie gedacht und geglaubt hätten. Aber dazu muss man da sein, muss solange dieses Brot brechen, es aushalten, dass nichts passiert und dass das Herz gehalten bleibt, bis irgendwann einmal der Tag kommt, an dem man merkt:
Jetzt ist etwas gebrochen, das zum Leben dient. Jetzt hat sich was verändert, jetzt kann ich ‚Ja.‘ sagen. Jetzt kann ich vielleicht auch anfangen, wieder zu lachen, zu lieben, mich berühren zu lassen. Jetzt kann ich zulassen, dass der andere im Himmel ist.
Da wird es immer noch die Stunden geben, die ganz schwierig sind, da wird nicht Friede, Freude, Eierkuchen sein. Da wird nicht alles vergessen sein, aber bei mir, in meinem Herzen hat sich was verändert, weil dieses gebrochene Brot dazu da ist, dass wir nicht gehalten sind mit unseren Augen, mit unseren Ohren, mit unserem Herzen.
Denn in diesem gebrochenen Brot steckte der Jesus mit all seinen Erfahrungen, die er mit den Lebenden gemacht hat und die er mit den Toten gemacht hat, und all diese Erfahrung teilt er uns in diesem Brot, wenn es an uns ausgeteilt wird.
Amen.