Predigt Pfarrer Dr. Givens zum Ostermontag am 11.05.2025:Du kannst den Glauben nicht verschleudern!

Liebe Schwestern und Brüder im Herrn.
Manchmal geschehen ganz wichtige Dinge im Leben an stinklangweiligen Orten. Frankfurt ist so ein Ort. Da wurden vor paar Wochen Grabungen durchgeführt. Bei diesen ganz normalen Grabungen stieß man plötzlich auf ein Grab. Dann schaute man näher nach, holte eine Leiche, einen jungen Mann, aus dem Grab, der im Jahr 250 nach Christus Frankfurt begraben worden war.
Das ist nicht sonderlich aufregend, viele andere sind auch zu der Zeit begraben worden, aber: Dieser junge Mann hatte eine Kette um den Hals, so wie auch ein paar von euch eine Kette um den Hals haben. Und daran hing ein Anhänger, eine kleine Kapsel, und in dieser Kapsel stand auf Silberpapier geschrieben etwas, von dem die Archäologen dachten: Na ja, das ist wie immer, da werden die römischen Götter angerufen als Schutz, so wie bei vielen anderen, die in dieser Zeit begraben worden sind.
Aber als man die Silberfolie auseinandergebreitet hatte und mit Computertomographie lesen konnte, was da steht, war das alles andere als gewöhnlich und langweilig. Da stand auf dieser Silberfolie: "Heilig, heilig, heilig ist unser Herr Jesus Christus, der Auferstandene!“
Das ist der älteste Beleg, dass es einen Christ nördlich der Alpen gegeben hat, 250 nach Christus.
Und das ist nur möglich gewesen, weil an einem anderen ganz langweiligen Ort auch etwas Unglaubliches passiert ist: In Antiochia, in der Synagoge. da saßen am Sabbat die Menschen so zusammen wie sie jetzt, und Paulus und Barnabas haben gepredigt. Das hat sich herumgesprochen, und am nächsten Sabbat, eine Woche später, war die Synagoge brechend voll. Da waren nicht nur die Juden, die in die Synagoge gegangen sind, so wie ihr und Sie heute Morgen in die Kirche gegangen seid, sondern auch alle anderen. Stellen Sie sich vor: Halb Viernheim würde heute Morgen hier sitzen. Die Evangelischen, die Katholischen, die Muslimischen, die, die gar nichts glauben, alle würden jetzt hier sitzen.
Und Paulus und Barnabas haben denen damals gesagt: "Ihr alle ihr seid von Jesus geliebt, und er teilt mit seiner Auferstehung sein Leben und seine Göttlichkeit mit jeder und jedem von euch, der und die das möchte und sagt: ‚Ja, ich lass mich von dieser Liebe erfassen.‘“
Da hat sich Paulus aber getäuscht. Da sind die Frommen aufgestanden und haben ihm erklärt: „So geht das nicht! Du kannst den Glauben nicht verschleudern, du kannst den Glauben nicht so billig machen. Das gilt nicht für die anderen, das gilt nur für die, die Juden sind. Für die anderen gilt das nicht, sondern nur für die, die sich an die Tora halten!“
Da war Stille. Stellen Sie sich vor, mitten in der Predigt steht einer oder stehen viele auf und sagen: „Das stimmt alles nicht, das ist anders!“
Das kennen Sie: Wie oft stehen in unserem Herzen die Gedanken auf und sagen: „Es stimmt alles nicht!“ Wie oft erleben wir das in unserem Herzen, dass die Stimmen aufstehen und sagen: Du bist gar nicht geliebt. Du weißt doch ganz genau, was du angestellt hast, du weißt doch ganz genau, was du zerbrochen hast. Du weißt doch ganz genau, was da schiefgelaufen ist. Und das soll von dir geliebt sein? Das soll angenommen sein, ganz und gar?
Und selbst wenn wir das nicht kennen, ganz viele von ihnen kennen doch ganz sicher, dass sie schon am Grab standen, überlegt haben und dann innerlich schon die Gedanken aufgestanden sind und gesagt haben: Da ist nur Tod, da ist kein Leben. Den oder die ich so sehr vermisse, lebt nicht im Himmel!
Immer und immer wieder stehen, so wie in der Synagoge von Antiochia, die Gedanken auf und sagen: "Nein, so ist das nicht."
Aber den jungen Mann in Frankfurt mit dem Amulett, mit dem Glaubensbekenntnis, gäbe es nicht, wenn Paulus und Barnabas den lauten Stimmen rechtgegeben hätten, sich hingesetzt hätten. Die beiden haben das ausgehalten, haben das durchgestanden, sind dabeigeblieben: “Ich glaube daran, dass dieser Jesus auferstanden ist und dass er sein Leben teilt.“
Und was hat dieser Paulus gehabt? Auch nicht mehr als wir. Der war auch nicht dabei am Karfreitag, nicht am Ostermorgen. Er hatte nichts anderes als die, die ihm gesagt haben: „Jesus ist auferstanden!“
Und wie oft wird in seinem Herzen, diesem frommen Juden, die Gedanken aufgestanden sein, die ihm gesagt haben „Paulus, das kann alles nicht sein, dass einer von den Toten auferstanden ist.“? Und wie oft werden in seinem Herzen die Gedanken aufgestanden sein, die ihm, dem Gesetzestreuen, gesagt haben: „Wie kannst du deinen Glauben so billig verschleudern an all die Gesetzesübertreter, wo du doch ein ganzes Leben lang jedes Gebot penibel eingehalten hast?“
Und da muss er allen Mut zusammennehmen und sagen:
"Nein, ich glaube daran, dass der Barnabas recht hat! Ich glaube daran, dass der Petrus und die Maria von Magdala recht haben. Ich glaube daran, dass dieser Jesus sein Leben teilt!“
Und darum trägt dieser junge Mann in Frankfurt dieses Bekenntnis zum Auferstanden. Darum sind wir heute Morgen hier, weil damals in der Synagoge von Antiochia zwei den Mut gehabt haben, sich nicht einschüchtern zu lassen von den dunklen Worten und Gedanken.
Das braucht es immer wieder. Der jetzige Papst Leo hat das vor ein paar Wochen erfahren:
Da kam Vance, der Vizepräsident der Vereinigten Staaten von Amerika, als neubekehrter Katholik in den Vatikan und hat ihm, dem damaligen Kardinal, erklärt:
„Es gibt verschiedene Stufen von Nächstenliebe. Nächstenliebe gilt zunächst einmal nur für die, die zur gleichen Glaubensgemeinschaft dazugehören. Die mir Familie sind, die den gleichen Pass, die gleiche Nation haben, und dann gibt es Abstufungen:
Je weniger einer zu mir dazugehört, je weniger einer Christ ist, je weniger einer zur Nation gehört, umso weniger gebührt ihm auch die Nächstenliebe.
Und da ist der damalige Kardinal, der heutige Papst Leo, aufgestanden und hat ihm erklärt: "Nein, das stimmt nicht. Nächstenliebe kennt keine Grenzen. Nächstenliebe kennt keinen Pass, Nächstenliebe kennt keine Familienbande. Nächstenliebe, die kriecht in die äußersten Winkel dieser Erde und sucht, wer geliebt werden muss und will und braucht.“ Und darum ist auch das Erste, was Papst Leo sagt: „Alle, alle sind von Jesus geliebt Da gibt es keinen Unterschied.“ Das kann er sagen, weil damals, in der Synagoge von Antiochia, Paulus über seinen Schatten gesprungen ist und gesagt hat: „Dieser Jesus bietet seine Liebe allen an.“
Darum geht es bis heute: Dass wir die Augenblicke im Leben erkennen, wo ich gegen die dunklen Stimmen in meinem Herzen aufstehen und sagen muss: "Nein, das Grab, an dem ich jetzt stehe, das ist nicht leer. Du lebst. Du hast all meine Liebe, alles, was uns verbindet, mitgenommen in den Himmel. Ich muss aufstehen gegen die dunklen Gedanken in mir, die mich verurteilen, die sagen: "Du mit deinem Leben…“ Ja, ich mit meinem Leben, bin von Jesus genauso geliebt wie der oder die neben mir."
Und genauso wichtig ist es in den Momenten aufzustehen, egal, wie mächtig der oder die ist, die mir da gegenübersteht, egal wie viele es da sind, aufzustehen und zu sagen: "Nein, diesen dunklen Gedanken geben wir keinen Raum. Ich glaube daran, dass die Liebe Gottes allen gilt, und dass sie gerade denen gilt, die im Schatten des Lebens leben müssen!“
Amen.