Predigt Gemeindereferent Herbert Kohl am 30. März 2025:Feuer bringt Klarheit

Feuer läutert
Ja, du hast recht, und es tut mir leid was ich gesagt und getan habe. Ich sehe ein, dass ich im Unrecht war. Ich habe erkannt, dass ich mich geirrt habe. Ich vertraue und glaube dir.
Es zeugt von wahrer Größe und innerer Läuterung, wenn man diese Sätze aufrichtig sagen kann. Dieses Bekenntnis setzt voraus, dass ich Unrecht getan habe und vielleicht auch jemanden verletzt habe.
Das kommt oft genug in unserem Leben vor, und wir haben es gerade auch im Evangelium vom jüngeren Sohn in ähnlichen Worten gehört. Er war der Meinung, dass ihm die Welt offen steht, und er ein Anrecht auf seinen Erbteil hat. Er will sein Geld, und er will es sofort. Es ist ihm gleichgültig, dass sein Vater sich verletzt fühlen könnte. Es ist ihm egal was der Vater denkt und sagt, denn er bringt seinen Wunsch als Befehl zur Sprache, ohne Rücksicht auf Verluste. Es ist ihm auch gleichgültig, was mit seinem älteren Bruder ist. Was die Auszahlung seines Erbteils für ihn bedeutet, für seine Gefühle und für seine Rolle in der Familie.
Ja, das ist nicht aus der Zeit gefallen, und es passiert leider heute immer wieder. Wenn es um Erbsachen geht, werden Geschwister zu Feinden und aus den Trauergesprächen, die wir führen, könnten wir zu diesem Thema ein ganzes Buch schreiben. Leider enden die meisten Familiendramen heute nicht wie damals in der Bibel durch innere Umkehr, durch Einsicht oder Vergebung. Vielmehr verfestigen sich solche Kriege und selbst am Grab stehen die verfeindeten Geschwister in großem Abstand zueinander, wortlos, sprachlos und hoffnungslos.
Was aber ist der Game-Changer in der Bibel? Was hat die Umkehr ausgelöst? Es ist die Erinnerung an die Liebe des Vaters, die tief im Herzen des jüngeren Sohnes verankert ist. Die Erinnerung an die sonnigen Tage seiner Kindheit, das unbeschwerte Familienleben, die fröhlichen Familienfeste. Das alles geht ihm durchs Herz, und er trauert. Seine Trauer geht weit über Selbstmitleid hinaus. Seine Trauer umfasst das verloren gegangene Paradies seiner Kindheit. Die unbeschwerte Lebensfreude an die er sich wieder erinnert. Und er fragt sich wie er das alles aufs Spiel setzen konnte für ein wenig Glitzer und Luxus.
Er könnte resignieren, Verbitterung zulassen. Er könnte wütend werden, dass sich die ganze Welt gegen ihn verschworen hat, und dass sie schon noch sehen was sie davon haben.
Das alles tut er nicht. Er trennt in seinem Herzen fein säuberlich was wertvoll ist und Bestand hat. So wie Gold geläutert wird und Unedles vom Wertvollen getrennt wird, so macht er eine ehrliche Bestandsaufnahme. Und so tritt das Vertrauen und die Liebe, die er in seinem Elternhaus erlebt hat, überdeutlich zu Tage und alle Ansprüche, tatsächliche und eingebildete, werden klein und verschwinden.
Übrig bleibt allein die Sehnsucht. Seine Sehnsucht nach Heimat und Geborgenheit. Die Sehnsucht nach dem verlorenen Paradies. Und so macht er sich auf dem Weg, gereinigt und geläutert von allen falschen Vorstellungen und Phantasien und kehrt um. Zuerst innerlich und dann auch durch seine Schritte zum Elternhaus. Zuerst zaghaft und zögernd, ängstlich und mit bebendem Herzen. Doch die innere Verwandlung hat das Gute in ihm gestärkt und gibt ihm die Kraft den Weg zurückzugehen. Egal was kommt. Er hat alle Ansprüche abgelegt und kommt als verletzliches Kind – ängstlich, aber hoffnungsvoll dem Vater entgegen. Und sein Vater? Er empfängt ihn mit offenen Armen, ohne Vorwurf, voller Freude.
Den Ausgang der Geschichte kennen wir alle, auch den Zusatz zum älteren Bruder, der keine Umkehr oder Läuterung erfahren durfte.
Ein wundervolles Bild, das uns Mut machen will in allen Widrigkeiten des Lebens immer wieder das Feuer zu suchen. Gerade diese Fastenzeit will uns Mut machen unser Leben ins Feuer der Liebe zu halten und zu prüfen was verbrennt, weil es nicht edel und rein ist. Und wir werden erleben, dass das, was übrig bleibt an Freundschaft und Liebe, an Treue und Respekt zu meinen Mitmenschen und zu Gott, umso deutlicher zum Vorschein kommt und uns wieder zu dem werden, was unser Leben bereichert.
Gerade in Beziehungen sind wir oft wie der jüngere Sohn. Alles zählt nicht mehr. Was früher war ist nichtig. Wir wollen leben im hier und jetzt und neues erleben und das Leben feiern. Vielleicht gelingt es uns ja in der Vorbereitungszeit auf Ostern die eine oder andere Beziehung in das Feuer zu stellen. Es braucht Mut, aber der Lohn ist eine erneuerte und geläuterte Beziehung, die allen künftigen Feuern standhält. Das gilt auch für unsere Beziehung zu Gott.
Wir sehen die ganze Welt über dem Altar. Und unser Bruder Feuer, den der Heilige Franziskus in seinem Lied besingt, bringt auch viel Not und Leid in die Welt. Denken wir an die großen Feuer in Hollywood, die einen ganzen Stadtteil zerstört haben. Denken wir an die riesigen Flächen, die im Urwald abgebrannt werden, damit Futtermittel angebaut werden kann für unsere Steaks.
Das klingt banal und abgedroschen und doch können wir auch unser Konsumverhalten einmal ins Feuer halten und schauen, was wirklich lebensnotwendig ist. Die Einladung zum Verzicht auf Palmöl ist nur eine Möglichkeit. Aber auch dabei gilt es zu beachten: Die Welt ist komplex geworden, denn es gibt auch Palmöl aus nachhaltigem Anbau. Vielmehr geht es um einen Bewusstseinswandel. Einfach zu bedenken, was wir wirklich brauchen.
Einen letzten Gedanken möchte ich anfügen. Auch wir als Pfarrei Hl. Johannes müssen uns im Feuer der Liebe Gottes prüfen lassen. Wir sollten all unseren Besitz und unsere Vorstellung von Kirche und Gemeinde ins Feuer halten. Vieles wird verbrennen, weil es dem Feuer nicht Stand hält. Geld und Macht, Strukturen, Gebäude und Grundstücke, Rechte und Ruhmestaten aus vergangenen Jahren. Sie sind in den Augen der Gesellschaft schon längst verbrannt, und wir stehen eigentlich auf den Trümmern unserer so glorreichen, aber im Rückblick oft genug unseligen Vergangenheit. Geben wir alles ins Feuer und warten gespannt darauf, was das Feuer überlebt. Dann können auch wir uns – befreit von allen falschen Vorstellungen und Phantasien auf den Weg zum Vater machen. Mit bebendem Herzen, aber voller Zuversicht, weil die Erinnerung an viele befreiende Gottes- und Gemeinschaftserlebnisse unserem Herzen Mut gibt, diesen Weg zu gehen. Schritt für Schritt.
Und der Vater wird uns um den Hals fallen und ein großes Fest mit uns feiern, weil unsere Liebe, unser Vertrauen und unser Glaube nun rein und klar geworden ist und unserem Leben Tiefe und Standfestigkeit verleiht. Und wir werden uns auch voller Liebe um den älteren Sohn kümmern, der den Weg der Läuterung und Umkehr noch nicht gehen konnte.
Am Ende zählt nicht, was wir besessen haben, sondern die Liebe, die das Feuer übersteht, unser Leben trägt und ihm Standfestigkeit verleiht. Amen.