Zum Inhalt springen

Predigt Pfarrer Dr. Givens am 14.12.2025:Fürchtet euch nicht

Fürchtet euch nicht
Das ist die Botschaft Gottes, die sich durch alle Advents-und Weihnachtstexte zieht.
Datum:
15. Dez. 2025
Von:
Herbert Kohl

Habt keine Angst

Liebe Schwestern und Brüder im Herrn,

Durch den ganzen Advent bis hin zum Heiligen Abend zieht sich ein Satz, ein Wort, das sich immer wieder wiederholt. Maria hört dieses Wort. Elisabeth und Zacharias hören dieses Wort. Für Josef ist dieses Wort entscheidend. Und auch erst, als die Hirten dieses Wort hören, sind sie fähig, sich auf den Weg zu machen: Fürchte dich nicht. Immer wieder kommt auf Weihnachten hin dieses Wort „Fürchte dich nicht“.

Und dann hören wir von Johannes im Evangelium, dass er sich fürchtet. Dass er auf einmal im Gefängnis unsicher geworden ist, ob alles, was er erlebt hat, alles, was er gesehen hat, alles, was doch eigentlich für ihn felsenfest gewesen ist, ob das alles nur Lug und Trug gewesen ist. Denn er war am Jordan. Er hat gesehen, dass der Himmel aufgerissen ist. Das hat er sich doch nicht eingebildet. Er hat gehört, dass da eine Stimme aus dem Himmel kam und gesagt hat: Du, du bist mein geliebtes Kind. Er hat den Heiligen Geist gesehen, wie er herabgekommen ist, und doch fragt er jetzt: Habe ich mich getäuscht? Müssen wir auf einen anderen warten?

Wie oft sind wir gefangen in unseren Zweifeln? Gefangen in unseren Ängsten, gefangen in der Furcht: Schaffe ich das? Gerade wenn etwas ganz anders kommt, als wir uns das erträumt haben, gewünscht haben. Wenn das Leben anders läuft, als wir erhofft haben, dann gehört zum Leben auch die Furcht. Die Furcht: Wie wird es weitergehen?

Und darum kommt im Advent immer wieder dieses Wort: Fürchte dich nicht. Und Jesus sagt zu Johannes: Schau hin auf meine Taten, so bin ich, das habe ich getan.

Wir brauchen Menschen an unserer Seite, die nicht sagen: Deine Furcht ist plemplem. Sondern wir brauchen Menschen an unserer Seite, die sagen: Ja, Furcht gehört zum Leben. So ist das, wenn man auf einmal allein ist und der Partner oder die Partnerin weggestorben ist. So ist das, wenn jemand krank ist. Und wer fürchtet sich nicht, wie er denen begegnen soll, die wissen, welch großen Verlust man im eigenen Leben gehabt hat?

Furcht gehört zu unserem Leben, und Jesus sagt nicht zu Johannes: Du brauchst keine Furcht zu haben, sondern er sagt: Johannes, schau hin, wie ich bin. Das biete ich dir an. Ich bin der, der Menschen so berührt, dass sie heil werden. Ich bin der, der so Menschen anspricht, dass es gut wird.

Und so ist das auch in unserem Leben. Wenn es dunkel wird, wenn wir gefangen sind in unserem eigenen, dann ist es gut, wenn da jemand anderes ist, der zu uns sagt: Ich geb dir mein Leben. Wir stehen das miteinander durch, aber ich geb dir auch meine Ecken und Kanten. Ich geb dir mein Licht, ich geb mich dir so, wie ich bin. Ich biete dich mir an mit all dem, was mich ausmacht, damit wir gemeinsam durch diese Dunkelheit kommen. Ich geb dir alles, was Licht ist in meinem Leben. Ich geb dich mir, so wie ich bin.

An Weihnachten wird Gott Mensch. Er wird Mensch in einem Kind und er sagt uns: Ich nehm euer Menschsein ganz und gar an, und in all den Situationen, die zum Fürchten sind, da sag ich euch: Fürchte dich nicht. Gemeinsam bekommen wir das hin.

Fürchte dich nicht und schau hin auf die Menschen, die dir im Leben zur Seite gestellt sind. Was wäre Maria ohne diesen Josef mit seinen Ecken und seinen Kanten, aber auch mit seinem Licht? Was wäre Josef ohne Maria mit ihren Ecken und Kanten und mit all ihrem Licht? Was wären wir ohne die, die uns Familie sind, mit all ihren Ecken und Kanten, aber auch mit ihrem Licht? Was wären sie ohne ihre Kinder – mit allen Ecken und Kanten, aber auch mit ganz viel Licht?

Was wären wir ohne unsere Verstorbenen, die, die wir so vermissen, mit ihren Ecken und Kanten, mit all ihrem Licht? Was wären wir ohne die, die wir pflegen? Was wären wir ohne die Kranken? Was wären wir ohne all die Momente, die viel zu viele Ecken und Kanten haben und die doch auch ganz viel Licht, ganz viel Zärtlichkeit, ganz viel unwiederbringliche Nähe schenken?

Fürchte dich nicht, ich nehme deine Furcht wahr. Sie gehört zum Leben. Kein Leben ist ohne Furcht. Aber ich gebe dir mein Leben dazu. Ich geb dir mein Licht dazu. Ich weiß um meine Ecken und Kanten, ich weiß auch um deine Ecken und Kanten, aber ich weiß auch, dass wir gemeinsam genug Licht haben, um nach Bethlehem zu kommen, um meinem Kind das Leben zu schenken, um an einen Himmel zu glauben, um eine ganz dunkle Zeit miteinander zu bestehen, um in der Trauer nicht unterzugehen, um das Licht zu suchen.

Darum ist die dritte Kerze im Adventskranz eine Rosa-Kerze. Weil wir hinschauen sollen auf das Geschenk des anderen. Gerade dann, wenn wir in der eigenen Dunkelheit wie Johannes gefangen sind, wenn wir in den eigenen Fragen gefangen sind, in den eigenen Ecken und Kanten stecken bleiben, dass wir dann nicht übersehen: Wer bringt denn mit seinem Leben Licht in mein Leben? Wer ist mir denn geschenkt, damit ich nicht dunkel bleibe, sondern dass wir gemeinsam zum Licht werden?

Denn darauf bereiten wir uns jetzt vor im Advent, dass dieser Gott Mensch wird, damit wir gemeinsam Licht werden.

Amen.