Zum Inhalt springen

Wallfahrt - Krakau 2025:Jota

Unser Bild zeigt die Wallfahrtsgruppe.
Datum:
11. Juni 2025
Von:
Ronald A. Givens

Wir stehen in der Alten Synagoge von Krakau und schauen auf eine Torarolle, die dort ausgestellt ist.

Kein Jota darf verloren gehen, wenn eine neue Torarolle abgeschrieben wird.

Und dann muss eben doch ein Jota ganz bewusst verloren gehen;  einen Abschreibfehler muss es geben.

Aus Ehrfurcht. Vor Gott, der das letzte Wort hat, und in dem tiefen Wissen darum, dass wir niemals das ganze Wort Gottes fassen können.

Alte Synagoge

Kurz davor standen wir in der Katharinenkirche vor einem Bild des Heiligen Augustinus, dem ein kleines Kind gezeigt hat, dass er mit seinem menschlichen Verstand das Geheimnis der Dreifaltigkeit Gottes niemals ganz wird fassen können. 

Das hat Augustinus das Herz beruhigt. Er war zufrieden mit dem, was er erfasst hat, und konnte stehen lassen, was er hier und jetzt noch nicht begriffen hat oder nie begreifen wird.

Begonnen haben wir den Tag in der Michaelskirche des Paulinerklosters. Der freundliche, polnische Pater, der uns empfangen und der alles für die Eucharistie vorbereitet hat, erzählte vom König, der den Bischof Stanislav erschlagen hat, weil beide keinen Yota nachgeben konnten und wollten. Jeder hat auf sein Recht beharrt. Am Ende ist Blut geflossen.

Jüdischer Friedhof

Ganz anders ging es im 15. Jahrhundert aus, als die Bürger an der Fronleichnamkirche glücklicherweise einen Jota nachgegeben haben. Die Monstranz war gestohlen worden, und schnell fiel der Verdacht - wie so oft - auf die, die anders sind oder anders glauben.

Schnell war ein Gerücht in der Welt: Das können nur die Juden gewesen sein. Schon stand der Mob bereit.

Ein paar Mönchen und einem Rabbiner war es zu verdanken, dass man noch einmal inne gehalten hat. Die Monstranz wurde schließlich gefunden. Ein Dieb hatte sie versteckt.

Da haben die einen - der jüdische Teil der Bevölkerung - zum Dank Gold gestiftet, um die Kirche zu verschönern, weil ihr Leben verschont geblieben ist und weil die Weisheit Gottes eingegriffen hat.

Da haben die anderen - der bürgerliche Teil - Gold gestiftet, weil die Weisheit Gottes sie davor bewahrt hat, zu vergessen, dass das Leben heilig ist.

Krakau_07-25

Für uns ein guter Ort, um darüber nachzudenken, ob wir selbst in unserem Leben schon einmal falsch beschuldigt worden sind – zu Unrecht ge- oder verurteilt.

Heute ist der Gedenktag des Heiligen Barnabas, der als frommer Jude so oft abwägen musste, wie das Gesetz zu erfüllen ist, wenn das Leben anders verläuft als gedacht – und wie oft man ein Jota fallen lassen muss, um dem Geist des Gesetzes gerecht zu werden.