Predigt Pfarrer Dr. Givens am 25.12.2024:Kindheitsgeschichte schreiben
Liebe Schwestern und Brüder im Herrn.
Die Hirten laufen zurück und erzählen von dem Kind. Von dem, was sie mit diesem Kind erlebt und gesehen haben.
Kindheitsgeschichten sind Schlüsselgeschichten. Sie alle haben solche Kindheitsgeschichte. Und sie alle können von leichten oder von schweren Geburten erzählen. Vom Kinderwunsch, der sich nicht erfüllt. Von adoptierten Kindern, von Kindern, die zu früh gestorben sind. Und von Kindern, die viel Sorge oder unglaublich viel Freude gemacht haben. Wir alle haben Kindergeschichten, und von Jesus heißt es in der Schrift, er sei der Schlüssel Davids.
Jedes Kind ist auch eine Schlüsselgeschichte, ist ein Schlüssel selbst. Denn das Kind von Bethlehem hat dem hl. Josef, der dachte, er sei gerecht und fromm, gelehrt, was es wirklich heißt, gerecht und fromm zu sein und zu einem Kind und der Liebe eines Menschen zu stehen. Nicht das, was die Tora gesagt hat, sondern das, was das Herz gesagt, lernt Josef durch Jesus, sein Kind.
Sie alle kennen die Geschichten, wo Eltern, die sich eigentlich spinnefeind geworden sind und am liebsten weit auseinander laufen würden, um des Kindes willen Wege suchen, dass das Wochenende mit den Kindern geteilt wird. Wege suchen, dass man Weihnachten irgendwie doch miteinander feiert.
Kinder und ihre Geschichte sind eine große Herausforderung an uns Erwachsene. Da kann ich nicht sagen „Was interessiert mich mein Kind!“, das bleibt ein ganzes Leben lang eine tiefe Verantwortung. Wie viele müssen oft als Tanten, als Großeltern mithelfen, damit eine Kindheitsgeschichte eine gute Geschichte wird? Dass es eine heile Geschichte wird? Manch eine oder einer muss tief hinabsteigen in die eigene Kindheitsgeschichte, um den Schlüssel zu sich selbst zu finden. Um herauszufinden, die Türen aufzuschließen, die in der Kindheit vielleicht aus Angst verschlossen worden sind. Die Türen zu öffnen, bei denen es wichtig isr, dass sie geöffnet werden.
Jesus selbst, der Schlüssel Davids, sucht ein ganzes Leben lang danach, wie er einen Menschen aufschließen kann. Er sucht Worte, die Türen öffnen. Er spricht so zu Menschen, dass Türen, von denen sie geglaubt haben, dass sie die nie mehr aufmachen, sich öffnen. Dass sich auf einmal Türen öffnen und Wege sichtbar werden, von denen man überhaupt keine Ahnung gehabt hat, dass es diese Tür und diese Möglichkeit gibt.
Und alle, die Kinder haben, wissen: Auch wenn die Kinder groß geworden sind, wenn sie erwachsen geworden sind, dann hört die Kindheitsgeschichte nicht auf. Dann begleitet man sein Kind ein ganzes Leben lang. Man geht viel vorsichtiger um mit den Türen. Man fragt: „Darf ich das öffnen? Darf ich das sagen?“ Aber man ist dankbar. Und nicht wenige sind da, die genau wissen, wie oft sie auch ihrem erwachsenen Kind die Türe aufschließen mussten. Gerne aufgeschlossen haben, und hoffentlich haben wir alle Menschen, die sagen: ,Ich halte dir die Tür offen.‘ ,Du bist und du bleibst mein Kind, egal was passiert.‘ ,Ich halte dir die Tür auf, du bekommst den Schlüssel zu meinem Herzen.‘ ,Du darfst immer Zugang zu meinem Herzen haben, egal, was du mitbringst.‘
Kindheitsgeschichten sind Schlüsselgeschichten. Und wenn wir dement geworden sind, wieder zurückgehen in die Kindheit und die Jetztzeit nach und nach ausschließen, dann braucht es viel Geschick, viel Weisheit und viel Liebe, um die Türen zu öffnen. Um in das Land der Demenz einen Zugang zu finden. Um behutsam damit umzugehen, dass der Mensch, den ich liebe, der mir so vertraut gewesen ist, zurückkehrt in seine Kindheitsgeschichten, in seine alte Geborgenheit, in sein altes Zuhause, in die alte Sehnsucht, und damit auch beginnt, den Schlüssel auszuprobieren für den Himmel. Die Tür zu öffnen für diejenigen, die schon gegangen sind. Die weit voraus sind und die in der Demenz auf einmal vom Himmel herkommen. Die zur Kindheit dazu gehören und die davon erzählen.
Der Himmel ist auch eine Kindheitsgeschichte. Ein tiefes Vertrauen, wie Wir als Kind geglaubt haben, wie alles ganz selbstverständlich war im Glauben, wie sich alles gefügt hat. Und wie gut es tut, wenn wir diese Tür wieder öffnen können, zur Kindheitsgeschichte unseres Glaubens, die noch nicht von Gräbern, die noch nicht von Krankheiten, die noch nicht vor lauter Enttäuschungen eine erwachsene Geschichte geworden ist.
Das Kind von Bethlehem weiß schon ganz genau, warum es zu uns sagt: „Ihr müsst die Kinder werden, damit ihr dieses Vertrauen in den Himmel findet. Damit ihr, wie ich, sagen könnt: ,Abba, Vater unser im Himmel!‘“ Das hat er nie verloren, seine Kindheitsgeschichte, sein tiefes Vertrauen in den Himmel hinein.
Kinder bringen das Schönste in uns Menschen hervor. Kinder machen uns fähig, das Allerbeste für Sie zu tun, ihnen Wege zu bahnen. Und Wir wissen auch, dass Kinder deutlich machen und sich abwenden, dort, wo Kindheitsgeschichten zerstört werden, wo Erwachsene keinen Respekt haben, vor Leib und Seele eines Kindes, wo Erwachsene nicht das Beste und Heiligste für ein Kind aus ihrem Herzen hervorbringen.
Es ist kein Zufall, dass Papst Franziskus an Weihnachten eine Tür aufgeschlossen hat. Eine Heilige Pforte. Das Heilige Jahr beginnt. Da wird eine Tür aufgemacht und eine Einladung ausgesprochen, Kindheitsgeschichte zu schreiben. Es gibt keinen und keine hier, in dem und in der nicht ein Kind ist. Wir alle haben unsere Kindheitsgeschichten, die leichten und die schweren Geburten. Die Menschen, die uns Vater und Mutter durch Biologie geworden sind, und die Menschen, die uns Vater und Mutter durch Adoption geworden sind.
Wir alle haben unsere Kindheitsgeschichte, was uns gut getan und stark gemacht hat, was uns ängstlich und vorsichtig gemacht hat. Wir alle haben Kindheitsgeschichten, und das Heilige Jahr ist eine Einladung, dass wir im andern die Kindheitsgeschichte entdecken und nie vergessen oder übersehen, dass mir da ein Kind Gottes gegenübersitzt. So wie Eltern immer darum ringen, um der Kinder willen das Beste zu tun, so sind Wir im Heiligen Jahr eingeladen, um der Kinder Gottes willen, die heute Morgen hier sitzen, das Beste und das Heiligste aus diesem Jahr zu machen.
Es sind Kindheitsgeschichten, und Wir alle haben den Schlüssel von Jesus anvertraut bekommen. Damit wir mit dem Kind im anderen, mit diesen so verletzlichen und so offenen Seelen, die in jeder und jedem sind, behutsam umgehen. Damit wir wie Jesus Worte suchen, die Herzen aufschließen, dass wir wie Jesus Berührung schenken, die heil machen. Dass wir wie Jesus glauben: Es gibt einen Abba, es gibt einen Papa, es gibt einen aufgeschlossenen Himmel.
Es ist heiliges Jahr. Und wir sind eingeladen Kindheitsgeschichte zu schreiben, im heiligen Jahr.
Amen.