Predigt Domkapitular Franz-Rudolf Weinert zur Firmung am 29.06.2025:Liebst du mich?

Liebe jungen Menschen, liebe Schwestern und Brüder.
„Liebst du mich?“ - wer fragt denn sowas?
Kinder fragen so. Und Jungverliebte fragen so: „Liebst du mich?“ Und Jesus fragt so. Der Auferstandene fragt den Simon Petrus so. Er fragt nicht allgemein: „Lieben mich die Menschen noch?“ Er fragt ihn sehr direkt und persönlich: „Simon, liebst du mich mehr als diese – die anderen Jünger?“
Dreimal, haben wir gehört, fragt Jesus den Petrus so. Warum dreimal „Liebst du mich?“?
Manche Bibelausleger haben gesagt, Jesus fragt den Petrus deshalb dreimal: „Liebst du mich?“, weil Petrus Jesus ja dreimal verraten hat. Dreimal hatte er gesagt: „Ich kenne diesen Menschen nicht.“
Dann wäre aber diese Frage von Jesus, dem Auferstandenen, eine Rüge, eine moralische Zurechtweisung, ein Zeigefinger. Und das glaube ich von Jesus so nicht.
Der frühere Mainzer Bischof, Kardinal Volk, hat einmal eine andere interessante Antwort gegeben. Er sagte: „Jesus war nicht nur Gott, er war auch wahrer Mensch. Und deshalb wollte Jesus – ganz menschlich – dreimal diese Worte hören: ‚Ich liebe dich. Ich liebe dich. Du weißt, dass ich dich liebe.‘ “
Und es gibt noch eine dritte Deutung, warum Jesus dreimal fragt: „Liebst du mich?“ Wenn in Palästina ein Scheich – also ein Oberhaupt – seinen Nachfolger bestimmt, dann fragt er ihn dreimal nach dessen Bereitschaft: „Bist du bereit, zu meiner Familie, meiner Sippe, den Knechten und Mägden und allen Tieren, Schafe und Rinder, gut zu sein, sie zu lieben wie ein guter Hirt?“
Und der Gefragte hat dann dreimal zu antworten: „Ja, das will ich.“ Und dann bestätigt es jedes Mal der Scheich: „Weide meine Schafe.“ – „Liebst du mich?“ – „Ja.“ – „Weide meine Lämmer.“ – „Liebst du mich?“ – „Weide meine Schafe.“
Jetzt hat er es dreimal gesagt, dieser Scheich, und jetzt hat er seine Vollmacht abgegeben an seinen Nachfolger. Das Kriterium ist die Liebe, in der er die Sippe, die Familie, die Tiere leiten will.
Es könnte gut sein, Schwestern und Brüder, dass dieses uralte, bekannte Ritual aus dem Orient vom Auferstandenen Jesus aufgegriffen wird. Er gibt dem Petrus, dem Simon Petrus, die Vollmacht, jetzt in seinem Namen die Menschen zu führen, sie zu leiten, wenn er in den Himmel aufgefahren ist. Zu lieben – er soll es in Liebe tun.
Deshalb fragt Jesus zweimal „Liebst du mich?“, und Petrus antwortet zweimal:
„Ja, du weißt ja alles, du kennst mich, du weißt, dass ich dich liebe.“
Und dann – vielleicht habt ihr es beim Hören gemerkt – fragt der Herr noch ein drittes Mal. Und beim dritten Mal verändert er seine Fragestellung. Das wird besonders im griechischen Urtext des Neuen Testaments deutlich. Jesus sagt nicht „Petrus, liebst du mich?“, sondern „Petrus, hast du mich gern? Kannst du mich leiden?“.
Jesus wusste um die Strohfeuer-Begeisterung des Petrus, und mit der dritten Frage, die nicht mehr so eindeutig ist – „Liebst du mich?“, sondern „Hast du mich gern? Magst du mich leiden?“ – passt er sich Petrus an.
Diese Frage entspricht ihm viel mehr, und Petrus kapiert. Er wird ein wenig traurig und sagt dann ganz ehrlich: „Ja, Herr, du weißt nicht, dass ich dich liebe, sondern du weißt, dass ich dich gern habe, dass ich dich gut leiden kann.“ Daraufhin sagt der Herr umso deutlicher: „Folge mir nach, Petrus!“
Liebe junge Menschen, liebe Eltern, Geschwister, Paten, diese Geschichte des Evangeliums hat viel mit euch zu tun. Wir haben dieses Evangelium nicht ausgewählt,
aber es würde super passen – es passt heute, auf der ganzen Welt, für diesen Sonntag. Heute seid ihr die Jüngerinnen und Jünger Jesu. Das Evangelium gilt nicht nur dem Papst Leo, der ja der Nachfolger des heiligen Petrus ist – es gilt uns allen, liebe Schwestern und Brüder.
Ihr werdet gleich von mir gefragt – dreimal:
„Glaubt ihr? Glaubt ihr an Gott?“
Ihr werdet sagen: „Ich glaube.“
Alle gemeinsam, aber in der ersten Person – jeder für sich. Man nennt das die kollektive Eidesformel.
Dann frage ich noch einmal:
„Glaubt ihr an Jesus Christus?“ – „Ich glaube.“
„Glaubt ihr an den Heiligen Geist und seine Gemeinschaft, die er dem Petrus anvertraut hat und Papst Leo?“ – „Ich glaube.“
Dreimal werdet ihr gefragt.
Und dreimal bekennt ihr euch zu Gott.
Ihr wisst wahrscheinlich, was das lateinische Wort für „Ich glaube“ heißt:
Credo. Schon mal gehört, gell? Credo – und das kommt von „cor do“ –
„Ich gebe mein Herz.“
Wer an jemanden glaubt, wer jemanden liebt, der schenkt diesem Menschen sein Herz. Das tun wir heute auch, ihr tut es. Im Tiefsten sagt ihr:
„Ich liebe dich, Jesus. Ja, wenn du mir diese Frage stellst –
ich liebe dich. Ich glaube an dich.“
Und vielleicht kann der eine oder die andere es ganz überzeugt sagen:
„Ja, ich glaube an dich, Christus. Und ich lasse mich von Herzen firmen
für mein Christsein – mitten in der Welt.“
Andere von euch werden es vielleicht gar nicht so überzeugt sagen können,
momentan. Dann sagt ihr vielleicht innerlich:
„Herr, du weißt alles. Du weißt, dass ich dich gern habe. Ich mag dich leiden.“
Und das genügt dem Herrn. Das genügt dem Auferstandenen heute Morgen. Und Ihnen auch, liebe Schwestern und Brüder: Die Liebe ist entscheidend.
Ob sie jetzt in dem Moment groß ist oder geringer – Jesus will unser Herz, unseren Glauben, unsere Liebe. Und dazu werdet ihr heute, ihr Lieben, gestärkt, das heißt ja: „gefirmt“.
Ihr bekommt den Heiligen Geist – das ist ja die Liebe zwischen Gott und dem Sohn.
Und den bekommt ihr noch einmal tief in eure Herzen eingesenkt: Über die Stirn mit Chrisam, in eure Herzen und eure Seelen. Und wenn ihr dann betet, am Morgen, am Abend, „Guter Vater…“, dann ist das das herzliche „Guten Morgen“, „Guten Abend“
gegenüber einem Gott, der euch liebt, der euch dieses Leben geschenkt hat und der bei euch ist – alle Tage eures Lebens.
Diese Liebe braucht die Welt. Wir merken das sehr dringend. Sie braucht lebendige, glaubende Christen. Ohne uns wäre die Welt ärmer.
Und wenn ihr nach der Firmung die Heilige Kommunion von diesem Altar empfangt und noch einmal sagt: „Ich glaube“, dann – auf Hebräisch: „Amen“ – „So ist es.“
„Ich glaube – das bist du in dieser Brotgestalt, Herr.“, dann könnt ihr es ihm auch sagen:
Dass ihr ihn liebt, und dass ihr in seiner Liebe bleiben wollt.
Heute werdet ihr gesendet. Das ist mehr als „nur“ Taufe, mehr als die Gotteskindschaft – jetzt kommt die Sendung. Wie die Apostel. Jesus sagt: „Ich sende euch mit der besten aller Botschaften. Ich kenne keine bessere.“
Diese Botschaft braucht die Welt, und sie muss übersetzt werden – von euch, als Vater, als Mutter, als Jugendlicher, als Ministrantin: „Folge mir nach!“
Jeder in seiner jeweiligen Berufung. Ich bin glücklich, zu Christus gefunden zu sein –
als Mensch, als Christ und als Priester.
Ein letztes:
Jesus sagt: „Du wirst am Ende deines Lebens, Petrus, geführt werden, wohin du nicht willst.“
Es gibt eine schöne Überlieferung – die steht nicht im Neuen Testament,
aber im sogenannten Petrus-Evangelium, da fragt Petrus noch einmal Jesus, den Auferstandenen: „Wohin gehst du?“, auf Latein „Quo vadis?“, da ist sogar ein Film darüber gedreht worden.
Und Jesus sagt dem Petrus: „Ich gehe nach Rom, um mich noch einmal kreuzigen zu lassen.“
Petrus ist geschockt. Er erneuert seine Liebe, er weicht nicht von Rom weg, sondern geht nach Rom, wo er dann gestorben ist – mit dem Kopf nach unten gekreuzigt.
Eine Liebe, die ehrlich ist. Die sagt:
„Ich mag dich leiden. Ich vertraue dir – bis in den Tod.“
Bleiben wir dieser Liebe treu, die euch heute von unserem guten Gott geschenkt wird.
Es lohnt sich.
Amen.