Predigt Pfarrer Dr. Givens am 25.9.2024:Nikolaus von der Flüe und Dorotee Wyss
Frieden ist möglich
Liebe Schwestern und Brüder im Herrn.
Wenn man durch die Schweiz fährt, dann bekommt man mit, wie unterschiedlich die Lebenswelten dieser Bevölkerung sind. Wie anders leben die Menschen in Basel oder am Genfer See als die Menschen in Uri oder Jura, die Menschen im Tessin und die Menschen irgendwo hoch oben in den alten Dörfern? Wie unterschiedlich sind diese Welten, das zeigt sich, wenn sie eine Speisekarte in der Schweiz in die Hand nehmen. Dann steht dort in Italienisch, in Französisch und in Schweizerdeutsch. Was es zu essen gibt. Diese unterschiedlichen Mentalitäten, diese unterschiedlichen Sprachen, das muss alles unter einen Hut kommen. Und das war alles andere als selbstverständlich, denn Nikolaus kannte sich aus mit dem Krieg, er war ein reicher Bauer, und als er zum Krieg gerufen wurde, da ist er hinuntergezogen nach Zürich, um zu kämpfen. Offizier ist er da am Ende geworden, er kennt das Kriegshandwerk und er weiß, was Krieg bedeutet. Als er in den Ranft geht, dann nimmt er nichts mit. Wenn Sie schon einmal dort gewesen sind, in dieser Einsiedelei, dann wissen Sie: Da gibt es ein Fenster und da gibt es einen Stein als Bett, als Kopfkissen, und da gibt es einen Brunnen. Und täglich die Hostie, das heilige Brot als Nahrung. Mehr gab es für ihn nicht. Jesus sagte im Evangelium: Nehmt nichts mit, wenn es darauf ankommt. Nehmt nichts mit, keine Vorratstasche, keine Sandalen, kein zweites Hemd. Nehmt nur das mit, was ihr im Herzen tragen könnt. Das ist alles andere als einfach.
Von einem jungen Mann weiß ich, dass in den nächsten Tagen eine Operation bevorsteht. Jedes Mal, wenn er davor operiert worden ist, gab es Komplikationen. Er nimmt die Angst mit in die nächste Operation. Das ist alles andere als leicht, da noch einmal zu sagen, ich vertraue, dass es diesmal gut geht. Wieviel braucht es da von der Familie? Wieviel braucht es da von, den Freunden an Gebet an Liebe, an Mut machen? Dass er in seine Vorratstasche des Herzens nicht nur die schlechten Erfahrungen mitnimmt, sondern auch mitnimmt: Ich bin geliebt. Für mich wird gebetet. Ich bin getragen. Wir beten immer wieder am Ende der Kommunion: „ Mein Herr und mein Gott, nimm alles von mir, was mich hindert zu dir.“ Das ist der Anfang des Gebetes des Heiligen Nikolaus von der Flüe, der wusste, als er in die Stille hineingegangen ist das ist genau das, was man braucht, dass man die Stille, dass man dieses ausgeliefert sein, nur ertragen kann, wenn man vorher den Staub von den Füßen geschüttelt hat. Man kann die Stille nicht aushalten, wenn man die Angst, wenn man das Negative, wenn man den Zorn, wenn man den Hass, wenn man all das Dunkle mit hineinnimmt, darum sagt Jesus: Ihr müsst das von euren Füßen schütteln. Ihr werdet das niemals lösen. All eure Konflikte, ihr werdet niemals in eurer Familie in allem Recht bekommen. Ihr werdet niemals alles durchsetzen können, was euch wichtig ist. Ihr werdet niemals erleben, dass alles glatt läuft, aber wenn ihr euch nur damit beschäftigt, mit diesem Staub, mit diesem Dreck. Dann wird es nie möglich sein, dass etwas Neues, etwas Gutes, etwas Heiliges, etwas Wertvolles in euer Leben kommt, dann bleibt ihr verhaftet mit diesem Staub, mit diesem Dunklen. Und darum betet Nikolaus von der Flühe als erstes: Nimm alles von mir, was mich hindert zu dir. Gib alles mir, was mich fördert zu dir. Das ist der zweite Teil dieses Gebetes, den Nikolaus spricht. Jesus vertraut darauf, wenn er die Jünger losschickt, dass sie so viele Worte von ihm gehört haben, dass sie so oft mit ihm gemeinsam bei Tisch gesessen sind. Dass sie so oft gesehen haben, wie er nachts zum Beten losgegangen ist. Dass sie so oft erlebt haben, wie Menschen anders aus der Begegnung mit ihm herausgegangen sind. Dass sie alles im Herzen haben, um richtig zu reagieren in den Begegnungen, die sie in den Dörfern haben werden, wo sie jetzt hinziehen. Und darum sagt er: Ihr dürft nichts anderes haben als euer Herz. Damit es eine offene Begegnung bleibt damit ihr nicht auf das vertraut, was ihr in euren Taschen mit euch tragt, um den Tag abzusichern. Damit ihr offen bleibt, damit ihr aus dem Herzen heraus reagiert. Wir würden heute sagen, damit ihr spontan bleibt. Als die Schweizer am 22. Dezember dabei waren, endlich die Unterschiede, die es zwischen ihnen gegeben hat, kriegerisch zu lösen. Als jede Gruppe überzeugt war, wir zeigen es jetzt den anderen, wo es lang geht. Wir haben die schwarz-weiß Lösung, wir haben die Lösung, wie man das Problem lösen kann, wir greifen zu den Waffen. Da verlässt Nikolaus noch einmal seinen Ranft, seine Einsiedelei, und er sagt ihnen, ich weiß, was der Krieg anrichtet.15 Jahre habe ich gebraucht in der Stille und der Einsamkeit, um die Bilder des Krieges loszuwerden. 15 Jahre lang habe ich gebraucht, um zu vergessen, was es heißt, einem Menschen zu töten. Und Angst zu haben, getötet zu werden. 15 Jahre lang habe ich gebraucht, um die Bilder loszulassen, dass meine Freunde und meine Nachbarn nicht mehr aus diesem Krieg zurückgekommen sind. Wollt ihr wirklich einen Krieg anfangen? Und so erreicht er, dass die Schweizer sich nicht spalten, sondern dass sie Frieden finden. Dass sie zulassen können, dass die einen Italienisch sprechen und die anderen Französisch und wieder andere Deutsch. Dass ein Bergbauer etwas ganz anderes braucht als ein Mensch am Zürichsee. So erreicht er, das sie begreifen: Der Krieg hinterlässt Bilder, hinterlässt Spuren. Die kann eine Generation gar nicht heilen. Das macht über Generationen hinweg alles kaputt. Wir brauchen Menschen, wie Nikolaus und Dorothea. Menschen, die darum wissen, wie das Herz verwüstet werden kann. Wie wichtig es ist, in die Stille zu gehen und den Staub vom Herzen zu schütteln. Wie wichtig es ist, Menschen zu haben, die beten. Für uns in unseren Notlagen, in unseren Schwierigkeiten. Für die Völker, die aus dem Krieg scheinbar nicht herausfinden. Menschen, die sich manchmal vielleicht fragen, wenn wir am Ende das Friedensgebet beten, was soll denn das noch, dass wir dieses Friedensgebet jetzt schon so lange beten? Nikolaus hat nicht nachgelassen zu beten. Dorothea hat nicht nachgelassen zu beten. Und es braucht Menschen, die das wirklich ernst nehmen: Nimm alles von mir, was mich hindert zu dir. Gib alles mir, was mich führt zu dir. Nimm mich mir und mach mich ganz dir zu eigen. Amen.