Ansprache Birgit Käser:So kam es zur Enstehung der Apostelkirche

Liebe Gemeinde,
gestern war der Gedenktag von Papst Johannes den XXIII. Dieser Tag wurde gewählt, da am 11. Oktober 1962 das Zweite Vatikanische Konzil von ihm eröffnet wurde. Und wir feiern heute 125 Jahre Weihe der Apostelkirche in Viernheim. Ich wurde gebeten, wenn es geht, beide Themen aufzugreifen, was erst einmal eine kleine Herausforderung war.
Da heute im Anschluss an den Gottesdienst eine Kirchenführung stattfindet, werde ich jetzt in der Ansprache erzählen wie es dazu kam, dass diese Kirche entstand.
Als die Marienkirche 1650 nach dem 30jährigen Krieg wieder aufgebaut wurde, hatte Viernheim ca. 500 Einwohner und man baute das Dorf erst rund um die Marienkirche und von dort aus Richtung Nordosten wieder auf.
Jetzt gehen Sie gemeinsam mit mir gedanklich 185 Jahre zurück, ungefähr in das Jahr 1840. Wir bauen vor unserem geistigen Auge das Dorf auf: Viernheim war immer noch ein Bauerndorf mit etwa 3500 Einwohnern und es gab 400 Häuser, die in 24 Straßen standen.
Alte Straßennamen |
Heutige Straßennamen |
Die reich Gass |
Mannheimer und Weinheimer Straße |
Kirchhof- oder Brotsäcklergass |
Steinstraße |
Pfaffengass |
Holzstraße |
Renzegass |
Eulerstraße |
Breite Straße |
Rathausstraße |
Sandhöfer Weg |
Karl-Marx-Straße |
Hühnergass |
Hügelstraße |
Feuergass |
Schulstraße |
Wassergass |
Wasserstraße |
Neugass |
Luisenstraße |
Fischergass |
Ludwigstraße |
Ludwigbogen nur 2 Häuser |
Alicenstraße |
Zweithinterst Gass |
Kühnerstraße |
Hinterst Gass |
Alexanderstraße |
Die Seeegärten – nur 4 Häuser |
Seegartenstraße |
Bürstadter Weg |
Kettelerstraße |
Lorscher Weg |
Lorscher Straße |
Waldstraße |
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Hofmannstraße |
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Jakobstraße |
Repsgasse |
Blaue Hut |
Blauehutstraße |
5 Häuser oder Gänsegass |
Hanstraße |
Hollerstrass |
Wiesenstraße |
Georgstraße |
Zeppengasse |
Pandurengasse |
Lindenstraße |
Einige Jahre später im Jahr 1853 hatte Viernheim nur noch ca. 2800 Einwohner, da ein Jahr zuvor 96 Familien mit über 450 Personen wegen schlechter Ernten und großer Hungersnot ausgewandert sind. Damals hatte Pfarrer Peter Joseph Baumann die ersten Gedanken eines Kirchenneubaus. Die alte Pfarrkirche war im Laufe der Jahre schadhaft geworden, so dass sogar der Einsturz des Daches befürchtet werden musste. Auch schien das Schiff der Kirche im Verhältnis zur Länge viel zu niedrig. Pläne für eine Erhöhung und Vergrößerung der Kirche zu einem Kreuzschiff wurden dem damaligen Kirchenvorstand und den maßgebenden Stellen vorgelegt, doch dort sagte man, dass die alte Pfarrkirche groß genug sei, da so viele Seelen aus Viernheim nach Amerika ausgewandert sind.
Die Marienkirche wurde renoviert, aber der Plan eines Neubaus wurde nicht aufgegeben. Den ersten Schritt dazu unternahm 1878 Pfarrer Euler, indem er die Schaffung eines Kirchenneubaufond mit Genehmigung des damaligen Mainzer Bischofs Ketteler veranlasste und der bis 1890 schon auf 183.000 Mark angelaufen war. (1868-)1887 verstarb nach fünfjährigem Krankenlager Pfarrer Johannes Euler. Er erwarb sich große Verdienste um die Jünglingssodalität und Jungfrauenkon-gregation, er brachte die Englischen Fräuleins und die Niederbronner Schwestern nach Viernheim und war Mitbegründer des Creditvereins.
1888 übernahm, nach der Pfarradministration durch Pfarrer Dr. Elz, Pfarrer Franz Molitor die Pfarrei in Viernheim. Am 1. Mai 1890 lud Pfarrer Molitor den Kirchenvorstand zu einer entscheidenden Sitzung ein. Es lagen zwei Projekte zur Entscheidung dem Kirchenvorstand vor; entweder die alte Kirche durch Anbau von zwei Seitenschiffen und Verkürzung der bisherigen Seitenmauern zu Säulen nochmals zu erweitern oder eine ganz neue Kirche mit sehr großem Ausmaß zu bauen.
Diese neue Kirche sollte in der Mitte des Dorfes stehen, zwischen “Oberdorf” und “Unterdorf”. Durch die aufkommende Industrialisierung und die Nähe zu Mannheim hatte sich Viernheim zunehmend in der Einwohnerzahl (ca. 5798) als auch als Ortschaft vergrößert. Der erste Plan hatte für sich, dass er erheblich billiger gewesen wäre. Dagegen sprach aber, dass das auf Dauer doch keine Lösung wäre, zudem stand die alte Kirche jetzt am Ortsrand.
Einen interessanten Briefwechsel zwischen den Viernheimer Bürgern und dem bischöflichen Ordinariat aus dem Jahre 1890 zu dieser Problematik ist erhalten. Ich lese ein paar Abschnitte daraus vor:
Hochwürdigster Herr Bischof! Gnädiger Herr!
Eure bischöfliche Gnaden werden gütigst verzeihen wenn Endesunterzeichnete Mitglieder des kath. Kirchenvorstandes & Gemeinderäthe in Viernheim, sich in Fragen
der neuzuerbauenden Kirche am hiesigen Platze, an Sie ehrwürdiger Herr wenden, mit der Bitte um geneigtes Gehör.
Es dürfte ewhrw. bischöfl. Gnaden nicht unbekannt sein, daß durch stetige Zunahme der hiesi=
gen Gemeinde, eine neue Kirche soll erbaut werden und in Folge dessen der aus 6 Mit= gliedern bestehende Kirchenvorstand, wiederholt über Kirchenbaufragen beraten hat wie folgt :” der hochw. Herr Pfarrer nebst den 2 Vor= ständen Bürgermeister Bläss & Johannes Winkler IV.
3 stimmten für den Um oder Neubau der Kirche am gegenwärtigen Platze.”
Die drei anderen Kirchenvorstände Johannes Heck= mann, Leonhard Kirschner & Valentin Winkler, stimmten, daß eine neue Kirche und zwar in Mitte des Ortes, was auch der Wunsch der ganzen Gemeinde ist, was beiliegende Unterschriften von 918 Bürger Viernheim`s nachweisen und noch eini= ge hundert gern bereit sind ihre Namensunterschrift beizulegen.
Die Kirchenvorstände Joh. Heckmann, Leonh. Kirschner & Val. Winkler sowie die unterzeichne= ten Bürger, fühlen sich zurückgesetzt, daß man den oben erstbenannten Kirchenvorständen ihre Ansicht als gerecht begründet, währen= dem man den letztgenannten Vorständendie doch in der Zahl gleichmäßig sind gar nicht in Erwägung zieht.
Wir drei letztbenannten Kirchenvorstände … …
Wir wissen deshalb gar keinen Grund warum die Kirche an den gegenwärtigen Platz zu stehen kommen soll; die beiden Vorstände Bürger= meister Bläss & Joh. Winkler heben hervor die Gemeinde besäßen keine Mittel um einen Turm zu bauen, was wir Unterzeichneten als Gemeinderath`smitglieder in Abrede stellen indem man im vorigen Jahr ein Rathhaus erbaut, mit mindestens 60000 Mk. Ausgaben, wofür man keine Kapitalaufnahme und keine Erhöhung der jährl. Umlagen zu machen brauchte und wir deshalb die Angabe des Bürgermeisters nicht für gerechtfertigt halten. Auch ist dem Gemeindevorstand, welcher aus... …
Ermuthigt durch den Gerechtigkeitssinn Ehrw. Bischöfl. Gnaden und die Fürsorge, welche Ihnen gnädiger Herr um das Wohl & Wehe Ihrer diözesanen am Herzen liegt, glauben Unterzeichnete nicht fehlzugehen, wenn wir dieses Schreiben an Ihre bischöfl. Gnaden ergehen lassen damit dem Wunsch der ganzen Gemeinde, die Kirche in Mitte des Ort`s zu stellen, entsprochen wird.
Viernheim den 6 Oktober 1890 Heckmann. Winkler. Kirchner.
N.B. Zur besseren Situation haben wir ehrwürdige bischöfl. Gnaden eine Skizze des Ortsplanes beigelegt.
Erst nach langen Verhandlungen entschied man sich Anfang der 1890iger Jahre für einen großen Kirchenneubau in Mitten des Ortes. Ab dieser Entscheidung tat Pfarrer Molitor alles, damit die neue Kirche gebaut werden konnte und er erwies sich als hervorragender Organisator. 1893 wurde das ehemaligeDreimüllen-Gelände (Rest desDreimüllen Lehnhofes)mit insgesamt 10.697qm von Peter Ehatt für 30.000 Mk käuflich erworben.
Noch vor der Genehmigung der Pläne wurden bereits die Steine zum Neubau angefahren. Pfarrer Molitor hatte die erübrigten Bruchsteine aus dem Eisenbahnbahnbau im Birkenauertal für 12.500 Mark erworben, die sich vorzüglich für das Fundament eigneten.
Für die neue Kirche wurden die Entwürfe des Architekten und erzbischöflichen Baudirektors Max Meckel (1847 - 1910) aus Freiburg angenommen, der für seine Vorliebe für den gotischen Stil bekannt war.
Im Frühjahr 1896 erfolgte die Beauftragung der Arbeiten für den Kirchenbau. Die Maurer- und Erdarbeiten wurden an die FA Schnatz in Gernsheim vergeben. Aus Viernheim waren folgende Gewerke beauftragt: die Spengler Gg. Kunzmann, Dewald, Adam Rhein und H. Effler, der Schlosser Karl Lambert, der Weißbinder Franz Hofmann V., als Lieferanten für Zement Adam Franz Roos und Bergmann sowie als Lieferanten der Tuffsteine August Hanf.
Am 11. April 1896, nahm Pfr. Molitor die feierliche Segnung des Bauplatzes und den ersten Spatenstich vor und zwei Tage später begann man dann mit dem Ausheben der Fundamente. Unter Leitung des Bauführers J. Franck aus Dieburg ging der Bau rasch voran und es kam durch seine Umsicht zu keinem Unfall auf der Baustelle. Bis zum Herbst 1898 war das Hochschiff fertig und das Dach konnte aufgeschlagen und der Turm ausgebaut werden. So kam zur Grundsteinlegung Bischof Paul Leopold Haffner am 19. April 1898 nach Viernheim.
Am 29.Oktober 1899 fand die Glockenweihe der ersten vier Glocken aus der Glockengießerei Hamm aus Frankenthal (Apostelglocke, Marienglocke, Josefsglocke und Franziskusglocke) statt, die in einem feierlichen Zug begleitet von Vereinen und Schulkindern von der alten Kirche zur neuen Kirche gebracht wurden (Töne: B-D-F-G = Anfangstöne des „Salve regina“)
Anfang Dezember 1899 war die Kirche vollständig fertiggestellt. Da Bischof Haffner Ende 1899 gestorben war, kam der neue Bischof Heinrich Brück am 1. September 1900 nach Viernheim und konsekrierte die neue Kirche auf die Namen der heiligen 12 Apostel.
Ich finde es immer wieder erstaunlich,dass eine so große Kirche in der damaligen Zeit gebaut wurde mit einer Höhe von 75 m, einer Länge von 66 und einer Breite von 33 Metern. Viernheim hatte ca. 6800 Einwohner und war 98% katholisch.
Die Komplettierung der Innenausstattung der Kirche sowie die diversen Ausmalungen fanden in den weiteren fünf bis zehn Jahren statt.
Große Sorgfalt und wahrscheinlich viel eigenes Vermögen verwandte der mit Kunstverständnis begabte Pfarrer Molitor besonders auf die Beschaffung kunstgerechter Altäre. Aus einem Brief von Max Meckel an Pfarrer Molitor aus dem Jahr 1895 lässt sich schließen, dass der Architekt in die Anschaffungen der Altäre involviert war.
“Heute in Eile nur die Antwort zu der Altarfrage, morgen oder übermorgen folgt alles andere nach.
Der Aufsatz ist für Mk 290 sogar außerordentlich billig in Eichenholz, aber er ist ein moderner Altaraufbau, nicht schön und für Ihre neue Kirche viel zu klein.
Ich habe ihn in beiliegender Skizze einmal im richtigen Verhältnis in den Nebenchor einzeichnen lassen, Sie sehen, wie winzig er da geworden ist. Ich kann daher den Ankauf nicht anrathen. Wenn Sie ihn aber gern erwerben wollen, so könnte er mal als Votiv-altar in eines der Querschiffe Aufstellung finden. Soweit für heute in Eile, morgen oder übermorgen mehr und alles andere! Bitte tausendmal um Entschuldigung indessen: ultra posse nemo tenetur.
Mit besten Grüßen und in bekannter Hochschätzung Eurer Hochwürden
ergebenster Max Meckel
Nach der Aufstellung des Herrn Architekten Meckel betrug der Kostenvoranschlag für den Neubau 601.000 Mk (anscheinend mit Turm- und Pfarrhausneubau). Der Kirchenneubau betrug dann schlussendlich ca. 700.000 Mk.
Einige Angaben zu den Kosten:
Kirchenfenster, Glocken, Kanzel, Beichtstühle, Blitzableiter : 35.000 Mk,17.582 Mk, 1.150, Mk 800 Mk, 578 Mk
Kirchtüren mit Beschlägen, Kirchenbänke,Turmuhr, Plattenbelag, Kommunionbank; 4.261 Mk, 6.000 Mk, 1.800 Mk, 5.476 Mk, 600 Mk
In „Pace in terris“ vertrat Papst Johannes XXIII. die Auffassung, dass der Friede nur gesichert werden kann,wenn in der Gesellschaft Freiheit,Gerechtigkeit, Liebe und Anerkennung der Menschenrechte herrschen.
Ich glaube wir haben hier in der Apostelkirche eine besondere Verbindung mit Papst Johannes XXIII. Als Johannes XXIII. (Angelo Giuseppe Roncalli) sein Pontifikat antrat,begrüßte er die Menschen: „Ich bin Josef (Giuseppe), Euer Bruder“. Johannes XXIII. stellte sein Pontifikat unter den Schutz des hl. Franz von Sales. Diesen Schutzheiligen haben wir hier in der Kirche als Halbbüste im Josefaltar (Giuseppe-Altar).
Beenden möchte ich meine Ausführungen mit dem Dekalog der Gelassenheit von Papst Johannes XXIII.
Nur für Heute
1. Leben
Nur für heute werde ich mich bemühen, einfach den Tag zu erleben – ohne alle Probleme meines Lebens auf einmal lösen zu wollen.
2. Sorgfalt
Nur für heute werde ich größten Wert auf mein Auftreten legen und vornehm sein in meinem Verhalten: Ich werde niemanden kritisieren; ja ich werde nicht danach streben, die anderen zu korrigieren oder zu verbessern... nur mich selbst.
3. Glück
Nur für heute werde ich in der Gewissheit glücklich sein, dass ich für das Glück geschaffen bin ... nicht nur für die andere, sondern auch für diese Welt.
4. Realismus
Nur für heute werde ich mich an die Umstände anpassen, ohne zu verlangen, dass die Umstände sich an meine Wünsche anpassen.
5. Lesen
Nur für heute werde ich zehn Minuten meiner Zeit einer guten Lektüre widmen. Wie die Nahrung für das Leben des Leibes notwendig ist, ist die gute Lektüre notwendig für das Leben der Seele.
6. Handeln
Nur für heute werde ich eine gute Tat vollbringen – und ich werde es niemandem erzählen.
7. Überwinden
Nur für heute werde ich etwas tun, wozu ich keine Lust habe. Sollte ich mich in meinen Gedanken beleidigt fühlen, werde ich dafür sorgen, dass niemand es merkt.
8. Planen
Nur für heute werde ich ein genaues Programm aufstellen. Vielleicht halte ich mich nicht genau daran, aber ich werde es aufsetzen. Und ich werde mich vor zwei Übeln hüten: vor der Hetze und vor der Unentschlossenheit.
9. Mut
Nur für heute werde ich keine Angst haben. Ganz besonders werde ich keine Angst haben, mich an allem zu freuen, was schön ist. Und ich werde an die Güte glauben.
10. Vertrauen
Nur für heute werde ich fest daran glauben – selbst, wenn die Umstände das Gegenteil zeigen sollten –,dass die gütige Vorsehung Gottes sich um mich kümmert, als gäbe es sonst niemanden auf der Welt.
Nimm dir nicht zu viel vor. Es genügt die friedliche, ruhige Suche nach dem Guten an jedem Tag, zu jeder Stunde, und ohne Übertreibung und mit Geduld.
AMEN