Predigt Pfarrer Givens 24. Juli 2024:Wir haben einen verrückten Gott
Aus dem Vollen ausstreuen
Liebe Schwestern und Brüder im Herrn.
Wenn Sie jetzt, in diesen Tagen der Erntezeit oder der beginnenden Erntezeit draußen in den Feldern unterwegs sind, dann werden sie ganz sicher das sehen, was es an verschiedenen Stellen immer wieder zu sehen gibt. Dort, wo die riesigen Mähdrescher zu den Wagen hinfahren, auf die dann das Korn, oder Getreide eingefüllt wird, da sieht man am Boden, eine ganze Menge von Korn, das eben hinunter fällt, weil, diese Wagen riesig sind, und weil einfach ein Gutteil des Kornes auch einfach am Weg liegen bleibt und vom Wagen wieder herunterfällt.
Für die Kleinbauern zur Zeit Jesu wäre das, was da heute auf dem Weg liegt unendlich kostbar. Das, was die als Saatgut hatten, das war oft nicht mehr als zwei Handvoll. Das hat man sich im wahrsten Sinn des Wortes vom Mund abgespart. Das war Brot, das man der eigenen Familie, den Kindern vorenthalten hat. Das waren Kleinstbauern, die wirklich jedes Korn gezählt haben. Die darum wussten, dass es mindestens eine Handvoll wieder braucht damit es im nächsten Jahr eine Saat geben kann. Und wie werden sie gestaunt haben als sie von einem so verrückten Sämann gehört haben, der das Korn einfach ausstreut. Die wussten ganz genau. Jedes einzelne Korn wird quasi vorsichtig in den Boden gelegt.
Keiner von diesen Kleinbauern wäre je auf den Sinn gekommen: Das kann man so ausstreuen, dass es auf den Weg fällt, wo es die Vögel fressen können, die haben darauf geachtet, dass da keine Dornen sind. Wo das Korn darunter fällt? Und die Stellen, die steinig waren, da haben sie vorher mühsam die Steine aus dem Acker heraus geklaubt? Damit wirklich kein Korn verloren geht. Und jetzt kommt Jesus und erzählt dieses verrückte Gleichnis. Der streut wie ein Besoffener. Das kostbare Gut. Überall hin. Und am Ende? Gibt es hundertfach sechzigfach dreißigfach. Am Ende ist es genug und ein Überfluss, und er ist zufrieden. Die haben genau verstanden. Dass das eine Wahlkampfrede ist.
Das waren Bauern, das waren Arme, das waren Kleine, die ein ganzes Leben lang gehört haben. Du bist nicht würdig. Du bist nicht würdig, aus der Thora vorzulesen, weil du zu ungebildet bist. Du bist nicht würdig, im Gottesdienst vorzubeten. Weil du eine Frau bist. Du bist nicht würdig. Am Sabbat in den vorderen Reihen, in der Synagoge dabei zu sein. Weil du dir zu wenig Zeit für die Thora und fürs Gebet nimmst. Du bist nicht würdig, weil du nicht in die Mique gestiegen bist und dich gereinigt hast. Du bist nicht würdig. Weil so vieles in deinem Leben ungeordnet und durcheinander ist. Das waren die, denen man schon vor dem Betreten der Synagoge immer und immer wieder gesagt hat, da darfst du nicht hin, dass darfst du nicht, das darfst du nicht, das darfst du nicht. Du bist nicht würdig. Das sind die, auf die die Pharisäer und die Schriftgelehrten, die Rabbiner herabgeblickt haben. Die, die anders waren und die genau wussten, ja, natürlich gibt es in meinem Leben Zeiten, da ist alles von Dornen überwuchert, weil ich mir so viele Sorgen mache um die Kinder, um die Familie, weil ich mir Sorgen mache um die Gesundheit, weil ich mir Sorgen mache um den Beruf, weil ich mir um so viele Sorgen mache, und da bleibt keine Zeit, in die Kirche zu rennen. Und natürlich wussten die und es gibt es gibt Stellen in meinem Herzen, die sind knallhart. Die krieg ich nicht weich, die sind verhärtet. Ich wünschte es mir, dass ich nicht so hart reagieren würde, aber die sind hart, die wissen: Da fällt kein fruchtbares Korn auf diese harten Stellen in meinem Herzen. Und natürlich wissen die auch. Ich kann himmelhoch begeistert sein. Ich kann mitlaufen und dabei sein. Und schon am Donnerstag nach Aschermittwoch. Habe ich das erste Stück Schokolade im Mund, mache ich die Dinge, die ich eigentlich nicht machen wollte, wieder mit großer Lust und mit großer Freude. Das wussten die alles ganz genau.
Und wie gut hat es ihnen getan, dass da einer sagt: Das ist dem Sämann, das ist Gott egal. Der sieht das Gute. Der sieht die Chance. Der sieht die Möglichkeit, dem reicht das, was Frucht bringt. Was für eine Wahlkampfrede. Nicht die Fehler des anderen in den Vordergrund stellen, nicht zu sagen, warum jemand irre lacht oder warum jemand ungeeignet ist, sondern zu sagen. Ich weiß, all deine Ecken und Kanten, aber ich weiß auch. Da gibt es guten und kostbaren Booten, da gibt es Gaben und Fähigkeiten, die sind klasse. Da bin ich froh, dass du da bist. Für die Kranken in deiner Familie. Für die Enkel und für die Kinder, für die Nachbarn und für die Freunde. Da bin ich froh, dass du da bist und in der Krankheit nicht verzweifelst, sondern immer noch den Rosenkranz in die Hand nimmst und das Vaterunser betest. Da bin ich dankbar. Dass du siehst, was du kannst, und dass du dich nicht entmutigen lässt. Von den Dornen, von dem felsigen Boden, von den Vögeln des Himmels. Wir haben einen verrückten Gott. Einen, der den Blick zurechtrückt, was wichtig ist im Leben. Ich wünsche Ihnen. Wenn sie in diesen Tagen über die Felder gehen und irgendwo Korn liegen sehen, dass beim Verladen heruntergefallen ist, dass sie daran denken. Wir haben einen verrückten Gott. Amen.