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Predigt Pfarrer Dr. Givens zum Gründonnerstag am 17.04.2025:Wir sind die Brotkrumen Jesu.

Wir sind die Brotkrumen Jesu.
Wer hat Petrus die Tür aufgemacht, als er weinend, nachdem der Hahn gekräht hat, weggegangen ist? Und wer hat eigentlich Judas begraben, wer ist da hingegangen an den Baum, hat das Seil durchtrennt, ihn sich auf die Schultern geladen und dann begraben?
Datum:
17. Apr. 2025
Von:
Pfr. Dr. Ronald A. Givens

Liebe Jugendlichen, liebe Schwestern und Brüder im Herrn.

Sie sind wieder viel zu wenige.

Eine hat es auf den Punkt gebracht, indem sie gesagt hat:

„Ich geh auf dem Zahnfleisch, wir gehen auf dem Zahnfleisch - und immer, wenn man denkt, es geht wieder, wird noch eine krank und fällt aus.“

Da habe ich die Schwester dort im Hospiz gefragt: „Wie werden sie Ostern verbringen?“ Eigentlich ist sie schon in die Rente verabschiedet, aber weil so viele im Moment ausgefallen sind, ist sie wieder in den Dienst zurückgekehrt, um auszuhelfen. „Wie werden sie Ostern verbringen?“ Da sagt sie zu mir: „Ich vermisse so sehr den Gründonnerstag und den Karfreitag. Das sind die beiden Tage, die für mich ganz wichtig sind. Da bin ich Jesus so nahe, und Jeus ist mir so nahe. Das brauch ich, damit ich hier Dienst tun kann. In diesem Jahr verzichte ich darauf, und ich weiß noch gar nicht, wie ich Ostern hinbekommen ohne diese beiden Tage. Sicher, meine Kinder kommen, meine Enkel kommen, wir werden feiern an Ostern, aber… diese beiden Jesus-Tage, die brauch ich für meinen Dienst.“

Wir kommen aus Wochen und Monaten, da nehmen Trump, Putin und Co. unglaublich viel Raum ein. Man hat den Eindruck, sie regieren und beherrschen die ganze Welt mit dem, was sie tun und was sie durcheinanderbringen.

Und wenn man sich dann die Berichte von der Karwoche anhört, auch das Evangelium, das wir gerade eben gehört haben… wieviel Raum nimmt dieser Petrus ein, dieses Großmaul? Wie viel Raum nimmt dieser Judas ein, oder auch Johannes? Eigentlich wär die ganze Karwoche, wär Ostern, wär alles schiefgegangen, wenn es nach denen gegangen wäre, die da so viel Raum einnehmen.

Denn… wer hat dem Petrus die Tür aufgemacht, als er weinend nach der Verleugnung, nachdem der Hahn gekräht hat, weggegangen ist? Wer hat den Judas begraben, wer ist da hingegangen an den Baum, hat das Seil durchtrennt, ihn sich auf die Schultern geladen und dann begraben?

Die waren doch 3 Jahre gemeinsam unterwegs. Sie haben gegessen und getrunken, gelacht und geweint, sie haben mit ihrem Freund Jesus das Leben verbracht. Die werden doch nicht einfach den Judas baumeln lassen. Und Petrus, auch wenn er nicht bei ihnen geklopft hat - eine oder einer wird ihn doch gesucht haben? Wenn man so lange gemeinsam unterwegs war, zur Familie geworden ist, dann spürt man doch, dass da einer oder eine fehlt. Dann sucht man doch.

Und was ist mit den anderen 11, die sich ohne Murren, ohne irgendwas zu sagen, einfach die Füße waschen lassen? Die es zulassen, dass Jesus sie bedient? Was ist mit den Elfen beim Abendmal, die kein Wort sagen, nicht nachfragen, einfach dieses Stück Brot nehmen und hören: „Das ist mein Leib!“ Die das Blut trinken, den Wein, „Das ist mein Blut!“?

Das sind doch auch die, die nachher da sind, wenn die Großmäuler, die, die zu viel Raum einnehmen, die, die die Schlagzeilen beherrschen, jemanden brauchen, der die Tür öffnet. Der sie vom Baum abschneidet. Der sie betrauert und zu Grabe trägt.

Und die Jünger? Haben sie das Lamm gebraten, den Tisch gedeckt, den Raum hergerichtet? Haben sie das Wasser herbeigeholt zur Fußwaschung?

Das waren doch die Frauen, so wie es immer die Frauen waren und sind. Denn wo hätten die denn auf einmal herkommen sollen, als Jesus zu den Frauen auf dem Weg sagt: „Weint nicht um mich, weint um eure Kinder.“? Wo hätten sie auf einmal herkommen sollen, als er am Kreuz gestorben ist? Vom See Genezareth schnell herbeigelaufen? Die waren doch die ganze Zeit da. Die haben zwar nur einen Sockel und keinen erhobenen Platz eingenommen, aber sie waren da, und darum ist es so, wie Jesus im Gleichnis erzählt:

Der Sämann streut den Samen aus, und er weiß: Da fällt ein Teil des Samens und der Körner mitten hinein in die Großmäuler, mitten in die aufgerissenen Rachen derer die sagen: „Ich verleugne dich nicht, ich kämpfe für dich, ich bin da!“ Aber Gott sei Dank fällt ein Teil der Körner auch in die Herzen derer, die da sind, wenn ein anderer oder eine andere Ergänzung braucht.

Wenn Eltern all ihre Liebe, alle ihre Kraft ihrem Kind geben, damit es ergänzt wird, seinen Weg finden kann und durchs Leben kommt. Das sind die, die Sonntag für Sonntag ein Stück von diesem Brot empfangen, irgendwo in der Reihe stehen und nie auffallen, aber dann daheim die demente Mutter, den dementen Vater auffangen, pflegen und begleiten.

Das sind die, die aus dieser Kraft, dieser Speise dafür sorgen, dass in dieser Welt nicht nur die herrschen, die mit ihrer Politik so viel Leben und Geld vernichten, sondern damit in dieser Welt auch die sind, die Räume öffnen und Leben ermöglichen, die trösten und helfen, die füttern und die Windeln wechseln, die den Hintern abwischen und zum 20. Mal mit in die Therapie gehen, und die wissen: In diesem Stück Brot geht Jesus mit mir.

Darum sind wir heute Abend hier: Weil wir die sind, in die Jesus sich hinein verteilt, und weil er genau weiß, dass es die braucht, die nicht auffallen, die nicht die erste Stimme spielen, aber die die Räume herrichten. Die aus der Kraft dieser Speise das tun, was Jesus getan hat, nämlich ein ganzes Leben lang zu schauen: Wo ist der gebrochene Mensch? Wo ist der Mensch, mit dem ich etwas von mir teilen kann?

Ob das der Diener des Hauptmannes von Kafarnaum oder der Gelähmte war, ob das die Syro-Phönizerin oder der Aussätzige gewesen ist, oder die Frau, die man am Morgen auf dem Tempelplatz vor ihn hingeschmissen hat - immer wieder gibt Jesus etwas von sich und von seiner Berührung, damit ein Mensch weitermachen, aufstehen und Leben schöpfen kann.

Darum gibt er uns heute Abend dieses Brot, weil er sagt: „Ich brauch bis ans Ende der Tage Menschen, die da sind, wenn jemand friert, weint oder hungert. Die da sind, wenn jemand keine Orientierung mehr hat, da sind, wenn jemand zu klein und zu schwach ist, da sind, wenn die Schlagzeilen alles andere an den Rand drücken."

Wir sind die Brotkrumen Jesu. Wir sind das letzte Stück Brot, das er austeilt. Wir sind die letzte Ration, und wir sind alles, was diese Welt hat, damit nicht die am Ende recht haben, die das Maul so weit aufreißen und das Leben verschlingen, sondern die, die sich als Brot austeilen und es dort verteilen, Wirwo es am bitternötigsten ist.

Amen