Wie in einem Foto- oder Erinnerungsalbum sind in der Heiligen Schrift Erzählungen, Ereignisse, Erlebnisse und Reden festgehalten
Das Christentum beruft sich in seiner Glaubensüberlieferung auf diese heilige Schrift, die wir Bibel nennen.
Es muss also etwas geben, was die heilige Schrift von einem gewöhnlichen Foto- und Erinnerungsalbum oder Buch unterscheidet und so bedeutsam macht.
Wie kann es sein, dass diese Schrift, die doch von Menschen verfasst ist, für die Christen eine solch große Bedeutung hat, ja sogar über Jahrtausende hinweg den Glauben der Christen geprägt hat? Papier ist geduldig! Wie kann dann in einer Zeit, in der mehr Papier und mehr Druckerzeugnisse denn je produziert werden, behauptet werden, dass die Bibel, dass diese Schrift heilig ist, und dass Gott der Urheber dieser Schrift ist?
Da wird die Neugier geweckt, was in diesem Buch Besonderes, Geheimnisvolles und Beeindruckendes stecken mag.
Heute halten wir in der Regel unsere Urlaubserinnerungen, Familienerlebnisse und Begegnungen in bewegten Bildern fest. Filme sind beliebte Medien, um das, was wir erlebt haben, und was uns beeindruckt hat, festzuhalten. Wir wollen, dass es nicht nur in unserer Erinnerung weiterlebt, sondern auch für andere, Freunde, Familien, Nachkommen sichtbar und erlebbar bleibt.
Zur Zeit Jesu wurde, das, was den Menschen wichtig war, zunächst mündlich überliefert und schließlich schriftlich festgehalten. Es entstanden Schriften, in denen besondere persönliche, tiefgreifende und prägende religiöse Erfahrungen und Erlebnisse schriftlich an die nachfolgenden Generationen überliefert werden sollten.
Religionen mit schriftlichen Tradierungen, wie das Judentum und das Christentum werden auch Buchreligionen genannt. Die heilige Schrift ist für das Christentum das Buch, das die Selbstmitteilung Gottes in einer Offenbarungsgeschichte festhält und überliefert. Wie in vielen anderen Religionen hat diese „Heilige Schrift" konstituierende Bedeutung und ist für die Lebensgestaltung der Glaubenden grundlegend. Hier wird das Kommen Gottes und das Heil für alle Menschen konkret.(Offb 1,3).
Ein Buch und die darin enthaltenen Texte können aber nur dann für eine Religion konstitutiv sein, wenn diese Offenbarung in eine Menschheit mit Schriftkultur hinein ergeht. Ursprung und Vertiefung des Glaubens geschieht also nicht ausschließlich im Hören und Verkünden, sondern gerade auch im Lesen. Bücher, Schriften und die damit verbundene Lesekultur ist für den Fortbestand einer Religion, die an einen Gott glaubt, unentbehrlich.
Zum Wesen der christlichen Offenbarung gehören vier Momente.
Die Offenbarung Gottes ist
Der Kanon der Heiligen Schrift gliedert sich in das Alte und das Neue Testament:
Unter Kanon versteht man die Sammlung all jener Bücher zur Heiligen Schrift, die als Glaubensnorm anerkannt sind, weil in ihnen die Offenbarung Gottes überliefert ist
Das Alte oder auch Erste Testament ist die Heilige Schrift des Judentums und der größere Teil der Heiligen Schrift des Christentums. Älteste Texte reichen in das 2. Jahrtausend vor Christus zurück und sind in hebräischer Sprache verfasst. Die Stellung der Texte der hebräischen Bibel in einem sogenannten Kanon war im Wesentlichen um 100 n. Christus abgeschlossen. Das AT ist, wie für Jesus und die Menschen seiner Zeit, verbindliche Grundlage und Heilige Schrift auch für die Christen. Das AT als heilsgeschichtliche Größe umfasst die Heilsgeschichte Gottes mit dem Volk Israel.
Das Neue Testament verweist auf die prophetische Ankündigung eines „neuen Bundes" im AT (Jer 31; Jes 55 u.d 61; Ez 16). Grundgedanke des Neuen Testamentes ist die Versöhnung der Menschen mit Gott durch Christus. Es geht um eine Erneuerung des als „Bund" formulierten Gottesverhältnisses zwischen Gott und dem Volk Israel. Neu ist: Auch wenn Jesus Jude war, so öffnet er diesen Bund mit Gott auch für „Heiden", also Nichtjuden. Bezogen auf die Person Jesu Christi werden diejenigen, die sich diesem Gottesbund anschließen und somit einen Neuen Bund eingehen, Christen genannt. Auch Nichtjuden können in diesen Bund mit einbezogen werden, oder zumindest seine Heilswirkungen empfangen.
Das Neue Testament ist der christliche Teil der Bibel. Die 27 Schriften des NT sind überwiegend zwischen 80 und 100 nach Christus entstanden und wurden im Laufe der ersten vier Jahrhunderte nach Christus in den Kanon übernommen. Ursprünglich war das NT in griechischer Sprache verfasst. Eine lateinische Übersetzung folgte.
Die Schriften des Alten und des Neuen Testamentes haben identitätsstiftenden Charakter für die christliche Glaubensgemeinschaft und haben Gott zum Urheber.
Die Kirche verkündet, die Bibel sei allein auf die Autorenschaft von Menschen zurückzuführen. Als Besonderes und zugleich das Geheimnisvolle an diesem Buch gilt aber der charismatische Einfluss Gottes auf diese Schriften. Die Kirche hat hierfür den Begriff „Inspiration" eingeführt. Das Zweite Vatikanische Konzil unterscheidet zwischen Gott, als dem „Urheber" der Heiligen Schriften und den Menschen als deren „echten Verfasser". Durch die Inspiration ist sicher gestellt, dass die heiligen Schriften das irrtumslose Wort Gottes darstellen, ohne dass dadurch die menschlichen Verfasser aufhören würden, die literarischen Autoren ihrer Werke zu sein.
Das Zweite Vatikanische Konzil (1962 - 1965) betont, dass die Bücher der Heiligen Schrift „sicher, getreu und ohne Irrtum die Wahrheit lehren, die Gott um unseres Heiles willen in heiligen Schriften aufgezeichnet haben wollte." (DV 11). Es räumt aber auch Unschärfen ein, die durch „vorgegebene umweltbedingte Denk-, Sprach- und Erzählformen, die zur Zeit des Verfassers herrschten" entstehen können. Das Konzil betont auch, dass es Aufgabe der Theologie sei, „auf eine tiefere Erfassung und Auslegung des Sinnes der Heiligen Schrift hinzuarbeiten". Es sei zu untersuchen, was die Absicht einer Aussage und deren Grenzen sind. Damit ist nicht ausgeschlossen, dass Passagen der Bibel, die keine heilsgeschichtlich relevanten Aussagen enthalten , durchaus menschliche Fehler und Irrtümer enthalten können.
Bei aller Authentizität und aller Rückbindung an das geschichtliche Ereignis steht das Ankommen und das Wirksamwerden des Wortes beim Hörenden im Vordergrund. Dieses Wirksamwerden geschieht unabhängig vom Verkündiger und Vermittler, durch die Kraft des Wortes.
Die Schrift wird also wirksam durch den Glaubens und die Offenheit des Herzens. Glauben und Offenheit des Herzens sind aber nicht allein eine Haltung des Hörers, sondern immer auch ein Geschenk durch die Gnade Gottes.
So gesehen ist Verkündigung qualitativ mehr als das Hören der Sätze des niedergeschriebenen Textes.
Autor(en): Ulrich Janson