Anastasis

Auferstehung

Datum:
Sa. 3. Apr. 2021
Von:
Pfarrer Ronald Givens

Anastasis. So steht es in roten Buchstaben auf dem Goldgrund dieser Ikone. Anastasis. Es ist das griechische Wort für Auferstehung. Bis heute heißt die Grabeskirche in Jerusalem für die orthodoxen Christen Anastasis. Auch wenn sich diese Kirche über dem Kreuzigungshügel von Golgotha und über dem Grab Jesu erhebt, soll sie nicht beim Grab und beim Tod stehen bleiben, sondern zu Ostern führen, zur Auferstehung. Anastasis.

 

Das erinnert mich an eine Begegnung mit einem kleinen Jungen in der Sakristei. Gemeinsam mit seinem Vater hat er dort auf seinen Bruder gewartet, der bei den Messdienern ist. Er nimmt allen Mut zusammen und erzählt mir, dass er nicht so gerne in den Gottesdienst geht, weil da so oft und so viel vom Sterben und vom Tod die Rede sei. Dann macht er eine Pause und meint: „Ich wäre froh, wenn ich schon auferstanden wäre“.

Sein Bruder kommt in diesem Augenblick und es bleibt keine Zeit, unser Gespräch über den Gottesdienst weiterzuführen. In mir aber hallt es nach.

 

„Ich wäre froh, wenn ich schon auferstanden wäre.“ Der Apostel Paulus hat für sich genau diese Erfahrung gemacht: „Ich bin schon auferstanden. Ich habe den Tod schon hinter mir - nicht mehr vor mir.“ Nach seiner Taufe in Damaskus setzt sich im Herzen des Paulus diese Gewissheit durch: „Ich bin schon auferstanden.“

 

Für mich ist das ein Schlüssel, um zu verstehen, woher Paulus so viel Kraft hatte, um Gefängnis und Steinigung, Auspeitschung und Schiffbruch, Schlangenbiss und Folter, Hausarrest und schließlich die Hinrichtung auszuhalten und dabei den Glauben nicht zu verlieren. Er war froh, dass er am Tag seiner Taufe schon auferstanden ist. Der Tod lag hinter ihm; das hat seine Perspektive verändert.

 

Im Gottesdienst, auch an Ostern, wird weiterhin auch vom Sterben und vom Tod gesprochen. Es beschäftigt uns. Ich hoffe aber, dass der Einwand des kleinen Jungen, Sie und mich daran erinnert, dass wir das Leben feiern - gerade an Ostern.

Ich wünsche uns, gemeinsam mit allen, die in unserer Kirche hier in Viernheim Verantwortung tragen, dass es uns in diesen Ostertagen ab und an gelingt, den Wunsch des kleinen Jungen: „Ich wäre froh, wenn ich schon auferstanden wäre“, in den Glaubenssatz umzuwandeln: „Ich bin durch die Taufe schon auferstanden“, gerade dann, wenn das Leben nicht so hell und bunt leuchtet wie auf der Auferstehungsikone.

 

Ein gesegnetes Ostern - Evlogiméno Páscha - Kalí anástasi - Buona Pasqua - Wesołych Świąt Wielkanocnych - Felices Pascuas -  Sretan Uskrs - חג הפסחא שמח -  عيد فصح سعيد - Ciid wanaagsan.

 

Ihr

Pfarrer Dr. Ronald Ashley Givens