Predigt 11 Oktober

Bewegung und Ruhe

Datum:
So. 11. Okt. 2020
Von:
Pfarrer Ronald Givens

zu Matthäus 22, 1-14

Liebe Schwestern und Brüder,

es ist eine Bewegung. Unglaublich stark und beherrschend. Eine Bewegung, die nach vorne drängt. Eine Bewegung, die stark macht. Eine Bewegung, die ansteckt und mitreißt.

Es ist eine Bewegung, die nicht mehr hört. Die Einladung. Zum Fest. Zum Genießen. Zum Schauen, Zum Staunen. Zum Freuen. Zum Erinnern an die Liebe. Zum Feiern mit dem König.

Es ist eine Bewegung, die den Sonntag mit und fortgerissen hat. Es ist eine Bewegung, die keinen Blumenstrauß mehr mitbringt für den Menschen den man liebt. Eine Bewegung, die sich keine Zeit mehr nimmt für das Leben und auch für das Abschiednehmen vom Leben. Eine Bewegung die das gute Wort vernachlässigt, die Zärtlichkeit übersieht. Der Acker, der Laden, der Alltag sind wichtiger geworden als die Lilien auf dem Feld, als der Duft des Haares der Geliebten, als das Spiel der Kinder, als die Klarheit der sprudelnden Quelle, als der Klang der Glocken, die den Sonntag schenken.

Wir alle wissen wie notwendend Bewegung ist. Wir alle haben Angst vor einem erneuten Lockdown, vor einem Stopp der Bewegung. Das Leben braucht die Bewegung.

Wir alle haben jedoch auch eine Ahnung bekommen, wie die Luft aufatmet, wenn der Mensch Ruhe hält, Ruhe halten muss. Die Kinder, die Liebenden haben einen Geschmack davon bekommen, wie der Sabbat schmecken könnte, wenn auf einmal Zeit da ist. Innehalten.  Für das Anschauen, für das Spielen, für das Miteinander.

Keiner will einen zweiten Lockdown. Dazu laden die Boten auch nicht ein, sie laden ein mit dem König zu feiern. Das Leben. Die Liebe. Das Vertrauen. Das Essen und die Kerzen. Den Sonntag inmitten des Alltags. Kommt. Alles ist bereit. Wir wollen ein Fest feiern. Nach was haben wir uns den gesehnt mitten im Lockdown? Nach dem Fest. Nach den Schwestern und Brüdern. Nach der Musik, dem Gesang, dem Brot und dem Wein. Dem König und dem Sohn. Nach der berührenden Liebe.

Corona ist kein Segen Gottes, wie ein sehr dummer Mensch behauptet. Aber ein Zeichen der Zeit. Eine Einladung meine Zeit nicht alltäglich, nicht ohne festlichen Glanz, nicht ohne Liebe, nicht ohne Unterbrechung am Laufen zu halten. Nur noch in Bewegung zu sein für den Acker, für den Laden, für den Werktag.

 

Bei der Hochzeit zu Kana wandelt sich Wasser in Wein. Wasser, das am Eingang des Festsaales bereitsteht zur Reinigung. 600 Liter. Sechs große Gefäße. Denn das ganz Dorf, die umliegenden Gehöfte sind geladen. Jeder weiß, nicht alle haben einen Brunnen zuhause. Nicht alle wohnen neben an, sondern  haben einen weiten, staubigen Weg zum Fest. Ein guter Gastgeber bereitet daher auch das Wasser vor. Kräuter und Öle. Damit alle zeigen können, wie schön sie sind. Strahlende Gesichter, Hände und Füße. Keiner muss sich schämen.

Dazu, bei jeder Hochzeit im Orient, Gewänder. Hochzeitsgewänder. Für alle Gäste. Neben den Reinigungsgefäßen. Sauber übereinander gestapelt. Die Diener halten sie bereit. Denn auch das weiß der, der zum Fest einlädt: Mancher, den man liebt, den man schätzt, der mit einem groß geworden, manche Freundin oder Freund, würde nicht kommen, weil sie er oder sie sich in ihren Kleidern schämen würden. Aber welches königliche Herz wollte feiern ohne die, die die zum Leben dazu gehören? Daher für alle ein Hochzeitsgewand. Alle sollen schön sein. Jeder soll sehen, dass sie Würde haben. Nicht nur  Braut und Bräutigam, nicht nur die engste Famile, alle haben Würde. Und das Beste: jeder durfte das Gewand behalten. Mit nachhause nehmen.

 

So ist die zweite Bewegung. Eine unglaubliche. Eine voller Lachen, voller Staunen. Erst ein Stocken. Ein ungläubiges Nachfragen: Ich? Ich soll zur Hochzeit des Königsohnes kommen? Die Boten nicken. Die Boten lachen über staunende Gesichter. Freuen sich, wie Gesichter sich wandeln, wenn sie hören: Ja du. Du bist gemeint. Auf dich wartet der König. Mit dir will er feiern. Feiern, das Leben. Die Liebe. Den Sonntag. Die Unterbrechung. Den Sohn. Das Mahl, Bot und Wein. Was wird das für ein Lachen gewesen sein, an den großen Gefäßen zur Reinigung. Hände tauchen sich ein. Gesichter werden hell und strahlend. Füße kühlen und erfrischen sich. Kostbarer Duft von Rosen und Essenzen. Und dann eine Dienerin reicht das Hochzeitsgewand. Die alten Kleider ablegen. Nicht schutzlos und nackt werden, sondern eingehüllt in ein kostbares Gewand. Im Kerzenschein glitzert es. So ein Gewand verändert die Bewegung. Sie schreiten wie ein König, wie eine Königin zu ihren Plätzen. Wollen es gleichtun, dem der sie geladen hat. Spüren ihre Würde, haben Anteil an der königlichen Würde nach dem Bad, nach der Salbung, nach dem Anziehen des Hochzeitsgewandes.

Was für eine Zeichen für die Zeit. Der König teilt. Würde. Satt sein. Feiern. Barmherzigkeit. Mit allen. Eine Bewegung, die zur Ruhe kommt. Die Zeit schenkt. Die nach Sonntagsbraten und Miteinander schmeckt, nach Spiel, Liebe und Zärtlichkeit. Nach Gott und Sabbat.

 

Die dritte Bewegung. Vorbei am Wasser zur Reinigung. Vorbei am Duft des kostbaren Öles. Vorbei an den Dienern. Nichts abgelegt. Alles anbehalten. Nichts verändert. Keine Zeichen gesehen. Mitfeiern, mitnehmen, ohne die Haltung zu verändern. Ohne die Würde zu entdecken. Ohne Nachahmung des königlichen Gastgebers. Beim Ich stehen geblieben. Mein Freund, wie bist du ohne Hochzeitsgewand hereingekommen? Keine Antwort. Er wird gebunden, gefesselt. Äußeres Zeichen, wie gefesselt er an sein Ich, an seine Werte, an seine Meinung, an sein Inneres und Äußeres, an seine Bewegungsrichtung war. Unfähig abzulegen, inne zu halten, Neues anzulegen, Würde zu leben.

 

Wir sind hereingekommen. In den himmlischen Hochzeitssaal. Wir sind getauft mit kostbarem Taufwasser. Wir sind gesalbt mit heiligem Öl. Das Taufkleid wurde uns gereicht, damit wir königlich und priesterlich unseren Platz einnehmen. Staunen wer alles mit uns eingeladen ist.

Diese Bewegung geht weiter. Nach dem Fest, nach dem Segen, dürfen wir das Gewand mitnehmen. Nach Hause, In den Alltag. Um immer wieder zu feiern. Um zu teilen, Um einzuladen. Um zu stärken um königlich und priesterlich zu handeln, um Einladende zu sein für die Bewegung und die Ruhe Gottes. Amen.