Das Wasser

Mit dem Fahrrad bin ich gemeinsam mit einer KjG-Gruppenstunde auf dem Weg zum Karlstern. Unterwegs halten wir an der Kneipp-Anlage und genießen an diesem heißen Sommertag die angenehme Abkühlung. Bei diesen hochsommerlichen Temperaturen freuen sich die Jugendlichen und ich am erfrischenden Wasser und mir wird dabei wieder einmal bewusst, dass Wasser zu den kleinen Kostbarkeiten des täglichen Lebens gehört, die Gott uns Menschen geschenkt hat.

Wohl kaum ein anderes Symbol ist so eng mit dem Leben verbunden wie das Wasser. Jeder, der schon einmal durstig war, weiß, wie erfrischend und belebend ein Schluck Wasser sein kann. Wasser hat eine lebenserhaltene Kraft; ohne Wasser kann kein Lebewesen existieren - weder Mensch, noch Tier oder Pflanze. Wasser lässt keimen, wachsen und reifen. Es ist Wasser des Lebens. Wasser fließt und strömt. Es fällt von oben aus den Wolken - vom Himmel - und sprudelt aus der Tiefe der Erde. Wasser wirkt lebendig und belebt, erfrischt und stärkt. Wasser kann flach sein, nur eine Pfütze tief; klein und glitzernd wie ein Tropfen, doch weit und schier uferlos, tief und unergründlich wie das Meer. Still liegt es vor uns und lädt zur Ruhe ein. Anderswo tobt, braust, brandet und stürmt es wild, gefährlich, um alles zu verschlingen. So vielfältig, gefaßt, geordnet oder unbändig, entspricht es unserem Leben. Wir Menschen können sprudelnd, wild, lebendig und stürmisch, aber auch still, tief und nachdenklich sein. Der Philosoph Thales von Milet (624-546 v. Chr.) hat gesagt: „Alles, was ist, kommt aus dem Wasser.“ Für ihn ist Wasser Quelle von allem, was ist, damit auch Quelle des Lebens. In vielen Mythen der Völker ist von der Urflut die Rede, aus der das Leben geboren wird. Auch in der biblischen Schöpfungsgeschichte wird von der Urflut erzählt (Genesis 1).

Für den Kranken hat Wasser heilende Wirkung. Es schenkt Genesung oder Erleichterung. In den vielen Heilquellen, die es bis heute gibt, erfährt man das Wasser als lebensspendendes Element. Dort, wo man Heilungen an solchen Quellen auf die Einwirkung Gottes beziehungsweise heiliger Menschen zurückführt, wurden sie zu Heiligtümern (Lourdes).

Wie bei allen Symbolen, ist auch der Aussagegehalt von Wasser breit und ambivalent: lebensspendend, erfreuend, beglückend, zugleich aber auch bedrohend und vernichtend. Was Überschwemmungen, Flutwellen, selbst Schneemassen für das Leben von uns Menschen bedeuten, mussten wir in letzten Monaten und Jahren immer wieder mitansehen. Wasser birgt unbeschreibliche Kräfte in sich, ist aber auch zart, nicht zu fassen, kaum zu spüren.

In allen Religionen kommt dem Wasser eine zentrale Bedeutung zu. In unserer Liturgie finden wir das Wasser in vielfältiger Form. Beim Eintreten der Kirche bekreuzigen wir uns mit Weihwasser. Dabei erinnern wir uns daran: Als Getaufte kommen wir zu Gott. Von ihm sind wir bedingungslos angenommen und geliebt. Zu Beginn der Messe kann uns das sonntägliche Taufgedächtnis darauf aufmerksam machen. Der Messdiener reicht dem Priester das Aspergill und als Erinnerung an unsere Taufe werden wir mit Weihwasser besprengt. Aspergill nennt man den Weihwasserwedel, nach dem lateinischen „Asperge me“, das heißt „besprenge mich.“ In der Taufe spricht Gott seinen Segen über uns: Du bist mein geliebtes Kind, an dir habe ich Gefallen gefunden.“ Wenn wir mit dem Weihwasser besprengt werden als Erinnerung an die Taufe, vergewissern wir uns, dass wir Gottes geliebte Töchter und Söhne sind und erneuern die Würde der Gotteskindschaft in uns, damit wir in der Freude der Kinder Gottes miteinander Eucharistie feiern.

Auf unsere Würde als Christen weist auch ein von vielen kaum wahrgenommener Ritus bei der Gabenbereitung hin. Der Priester gibt bei der Bereitung des Kelches einen Tropfen Wasser zum Wein. Er betet dabei: „Wie das Wasser sich mit dem Wein verbindet zum heiligen Zeichen, so lasse uns dieser Kelch teilhaben an der Gottheit Christi, der unsere Menschennatur angenommen hat.“ Dieser unscheinbare Ritus der Vermischung von Wasser und Wein deutet darauf hin, dass Gott in Jesus Christus Mensch geworden ist und wir in jeder Eucharistiefeier an der göttlichen Natur Anteil erlangen. Das Wasser und der Wein verbinden sich und sind nicht mehr voneinander zu trennen. Beim Empfang des Blutes Christi will uns dieser Tropfen Wasser, der sich mit dem Wein vermischt hat, daran erinnern, dass Göttliches und Menschliches sich in uns vermischen. Gottes Liebe dringt ganz in mich ein; sie ist nicht mehr von mir zu trennen.

Wasser ist in vielen Religionen ein Zeichen der Reinigung. Als heiliger Fluss kennen wir beispielsweise den Ganges, in dem der Mensch nicht nur äußerlich rein wird, sondern auch innere Erneuerung erfährt. Rituelle Waschungen als Zeichen der inneren Vorbereitung gibt es in vielen Religionen. Die Taufe ist eine solche innere Reinigung. Auch in der Eucharistiefeier kennen wir eine rituelle Waschung. Nachdem der Priester die Gaben bereitet hat, kommen die Messdiener mit einem Kännchen Wasser und einem Tuch. Der Priester reinigt seine Hände und trocknet sie ab. Für die Händewaschung (Lavabo) benötigt er Wasser. Lavabo ist das lateinische Wort für „Ich wasche mich.“ Das Waschen der Hände ist ein Zeichen für das innere Vorbereiten, sozusagen das „innere Waschen.“ Der Priester spricht dabei: „Herr, wasche ab meine Schuld, von meinen Sünden mache mich rein.“ Dieser Ritus will uns darauf aufmerksam machen: Das Wasser reinigt uns von allen Fehlern, Versagen und Unvermögen, um als neue Menschen zu leben. Durch die Händewaschung macht der Priester für uns alle sichtbar deutlich, dass wir jetzt mit reinem, liebevollem Herzen mit Jesus Mahl halten, um mit IHM, der sprudelnden Quelle des ewigen Lebens, in Berührung zu kommen.

Angela Eckart