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Fragen und Antworten zur EVV Studie

EVV ist die Abkürzung für „Erfahren – Verstehen – Vorsorgen“. Das ist der Leitgedanke der umfassenden und unabhängigen Studie zur Aufklärung von Taten gegen die sexuelle Selbstbestimmung im Verantwortungsbereich des Bistums Mainz. Sie umfasst den Zeitraum ab 1945 bis heute. Die Begriffe machen deutlich, worum es geht: Erfahren, was geschehen ist. Verstehen, wie es dazu kommen konnte. Auf dieser Grundlage vorsorgen, dass so etwas nicht mehr passiert.

Vor Beauftragung der Studie gab es eine wichtige Erkenntnis: Im Bistum Mainz ist bei vielen Menschen Wissen über Fälle sexualisierter Gewalt vorhanden sowie darüber, wie Verantwortungsträger damit umgingen, wenn sie davon erfuhren. Hinzu kommt, dass die Aktenlage sehr uneinheitlich ist. Mit der EVV-Studie soll verborgenes Wissen ans Licht gebracht werden. Sexualisierte Gewalt ist Teil der Geschichte des Bistums Mainz und damit eine bleibende Herausforderung. Die Studie soll dazu beitragen, dass an allen Orten, in allen Gemeinden und Einrichtungen des Bistums Mainz dieses Thema aus der Tabu-Zone geholt und darüber gesprochen wird. 

Das Bistum hat sich bereits an der deutschlandweiten MHG-Studie (https://kurzelinks.de/pgny) beteiligt, deren Ergebnisse 2018 vorgestellt wurden (https://kurzelinks.de/9iww). Daran schloss sich die EVV-Studie an, die spezifisch auf das Bistum Mainz schaut und tiefer geht. Ähnlich verfahren auch die anderen Bistümer in Deutschland.

Die Studie geht vor allem drei Fragen nach. Erstens: Gab und gibt es Strukturen im Bistum Mainz, die die Ausübung sexualisierter Gewalt befördert bzw. nicht verhindert haben? Zweitens: Wie wurde mit Fällen sexualisierter Gewalt nach entsprechender Kenntnis im Bistum Mainz umgegangen? Drittens: Haben im Bistum Mainz von 1945 bis heute bisher unbekannte Fälle von sexualisierter Gewalt stattgefunden? Welche Ergänzungen und Weichenstellungen ergeben sich aus diesen Erkenntnissen für das präventive Handeln im Bistum Mainz?

An den Beratungen vor Auftragsvergabe waren neben Vertretern des Bistums auch externe Expertinnen und Experten, unter anderem eine Trauma-Medizinerin, eine Fachanwältin für Strafrecht, eine Kriminalkommissarin, der damalige Landesvorsitzende des Weißen Rings und eine Leiterin eines anerkannten freien Trägers der Jugendhilfe (MädchenHaus gGmbH) beteiligt. Die Opferperspektive war dabei stets im Blick.

Das Bistum Mainz hat im Juni 2019 den Regensburger Rechtsanwalt Ulrich Weber zur Durchführung der Mainzer Studie beauftragt (https://kurzelinks.de/13cv). Das Bistum hat sich für Rechtsanwalt Weber entschieden, da er durch seine Studie zu den Regensburger Domspatzen auf einen großen Erfahrungsschatz zurückgreifen konnte, und er sich im Rahmen dieser Studie hohes fachliches und persönliches Ansehen erworben hat (https://kurzelinks.de/4bpo). Zudem hat das Aufklärungsprojekt der Regensburger Domspatzen Folgendes gezeigt: Es ist notwendig, über die reine Aktenauswertung hinaus das Gespräch mit Betroffenen und anderen Informationsträgerinnen und -trägern zu suchen, um bisher unbekanntes Wissen zu heben. Die EVV-Studie wird dabei nicht allein von Rechtsanwalt Weber, sondern gemeinsam mit seinem Team bearbeitet. Im Oktober 2020 hat Rechtsanwalt Weber einen Zwischenbericht vorgelegt (https://kurzelinks.de/eo65).

Als Auftraggeber der Studie hat das Bistum Mainz Rechtsanwalt Weber bezahlt, da diese personal- und zeitintensive Arbeit nicht kostenlos zu erledigen ist. Die Studieninhalte und –ziele wurden vom Team Weber vorgeschlagen und vor Beauftragung in der unabhängigen Aufarbeitungskommission ausführlich diskutiert und beraten. Das Bistum hat bei der Durchführung der Studie auf jede Einflussnahme verzichtet. Rechtsanwalt Weber hat immer betont, dass an seiner Unabhängigkeit kein Zweifel besteht.

Die Studie ist keine reine Aktenauswertung. Rechtsanwalt Weber hat stattdessen Gespräche mit Betroffenen und anderen Informationsträgerinnen und -trägern geführt. Zu diesen Gesprächen gab es zahlreiche Aufrufe. Hier liegt der Schwerpunkt der Studie. Die Gespräche wurden mit dem Datenmaterial des Bistums Mainz abgeglichen. Es wurden nicht nur sexuelle Gewalt und sexualisierte Grenzüberschreitungen von Geistlichen untersucht, sondern auch von anderen Beschäftigten des Bistums Mainz und ehrenamtlich Tätigen. Ein weiterer Fokus liegt auf Abhängigkeitsverhältnissen. Aus der Dokumentation und Bewertung der Geschehnisse soll dann die Fähigkeit erwachsen, in Zukunft Situationen und Konstellationen zu erkennen, die sexuellen Missbrauch begünstigen oder ermöglichen. Aufgrund der Vielschichtigkeit der Studie verfolgt das Team um Rechtsanwalt Weber keinen rein juristischen, sondern einen interdisziplinären wissenschaftlichen Forschungsansatz. Das wird er bei der Vorstellung der Studie näher erläutern.

Rechtsanwalt Weber hatte freien Zugang zu allen Akten, über die das Bistum Mainz verfügt. Zur Einhaltung des Datenschutzes wurde er bei der Datengewinnung für die Studie von drei externen Experten begleitet. Dabei wurden auch die arbeits-, beamten- und strafrechtlichen Aspekte des Datenschutzes berücksichtigt.

Das wird Rechtsanwalt Weber bei der Vorstellung der Studie erläutern.

Die Studie, aber auch die Anerkennungszahlungen oder Therapiekosten für Betroffene werden nicht aus Kirchensteuermitteln bezahlt, sondern aus einem Fonds, der sich etwa aus Zinserträgen speist.

Am Freitag, 3. März 2023, um 11 Uhr wird Rechtsanwalt Weber die Ergebnisse der EVV-Studie im Rahmen einer Pressekonferenz in Mainz vorstellen. Zu diesem Zeitpunkt wird die Studie auf der Internetseite des Anwalts www.uw-recht.org online gestellt, sodass es jedem möglich ist, die Studie zu lesen. Die Pressekonferenz kann über einen Livestream über www.uw-recht.org verfolgt werden. Auch die Leitung des Bistums Mainz wird an diesem Tag erstmals die Ergebnisse der Studie kennenlernen.

Da die Ergebnisse der EVV-Studie auch der Leitung des Bistums Mainz bis zum 3. März nicht bekannt sind, wird es an diesem Tag nur eine kurze Resonanz von Bischof Peter Kohlgraf zu der Studien-Vorstellung geben. Diese Resonanz wird im Nachgang auch schriftlich zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus wird es zunächst keine weiteren öffentlichen Stellungnahmen von Seiten des Bistums geben, da die Studie zuerst gelesen werden muss. Am Mittwoch, 8. März, um 11 Uhr wird es im Erbacher Hof in Mainz eine Pressekonferenz mit Bischof Peter Kohlgraf, Weihbischof und Generalvikar Dr. Udo Markus Bentz sowie mit Ordinariatsdirektorin Stephanie Rieth, Bevollmächtigte des Generalvikars, geben. Im Rahmen dieser Pressekonferenz wird die Bistumsleitung qualifiziert zu der Studie Stellung nehmen. Diese Pressekonferenz kann live auf bistummainz.de verfolgt werden. Am folgenden Wochenende, 11. und 12. März, wird sich Bischof Kohlgraf darüber hinaus in seinem Hirtenbrief zur österlichen Bußzeit zur EVV-Studie äußern.

Das Bistum Mainz wird ab Freitag, 3. März, eine Telefon-Hotline freischalten, an die sich die Menschen mit ihren Fragen und Anliegen zur EVV-Studie wenden können. Diese Hotline wird zunächst für 14 Tage geschaltet sein. Darüber hinaus sind in den vier Regionen des Bistums Dialogveranstaltungen mit Bischof Peter Kohlgraf und Ordinariatsdirektorin Stephanie Rieth geplant. Die Termine und Orte sind: 13. März in Offenbach, 16. März in Mainz, 24. März in Gießen und am 27. März in Bürstadt (jeweils 19.30 Uhr). Zusätzlich wird am 23. März (ebenfalls um 19.30 Uhr) eine Dialogveranstaltung im digitalen Format angeboten.

Die Betroffenenperspektive ist für das Bistum Mainz leitend. Das Bistum Mainz verfolgt eine Haltung der Nulltoleranz gegenüber sexualisierter Gewalt und sieht sich Betroffenen von sexualisierter Gewalt besonders verpflichtet. Deren erlittenes Unrecht soll aufgeklärt und aufgearbeitet werden. Dabei geht das Bistum objektiv vor, indem auch unabhängige Expertisen externer Fachleute eingeholt werden.

Die Ergebnisse der EVV-Studie basieren grundlegend auf Erfahrungen und Erzählungen von Betroffenen. Im Bistum Mainz gibt es keinen Betroffenenbeirat mehr. Betroffene sind aber Mitglieder der unabhängigen Aufarbeitungskommission des Bistums Mainz. Die Aufarbeitungskommission wird sich eigenständig zur Studie äußern.

Die EVV-Studie soll die systemischen Strukturen aufdecken, die sexualisierte Gewalt begünstigt oder ermöglicht haben. In der Folge kann mit entsprechenden Maßnahmen aktiv daran gearbeitet werden, diese Strukturen aufzubrechen und in Zukunft derartige Situationen oder Konstellationen zu erkennen und zu verhindern. Für Betroffene heißt das konkret, dass ihnen Glauben geschenkt wird, und dass weitere Maßnahmen zur Verhinderung von Missbrauch getroffen werden können.

Im Hinblick auf die aktuellen Entwicklungen in der Gesellschaft sind Themen sexualisierter Gewalt präsenter und werden differenzierter wahrgenommen und reflektiert. Daher wird Betroffenen auch eher geglaubt. Das Bistum Mainz nimmt grundsätzlich jede Meldung ernst. Jede Meldung wird explizit geprüft und bei möglicher strafrechtlicher Relevanz an die Ermittlungsbehörden weitergeleitet. Wir erleben auch heute noch ein Defizit an Sprachfähigkeit in diesem sensiblen Bereich und versuchen, diesem durch regelmäßige Schulungen zu begegnen.

Betroffene können sich an die Koordinationsstelle Intervention und Aufarbeitung, bzw. die unabhängigen Ansprechpersonen wenden. Die Kontaktdaten finden sich auf der Internetseite bistummainz.de/gegen-sexualisierte-gewalt.

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Der Begriff „Sexualisierte Gewalt“ umfasst sowohl physische als auch psychische Grenzüberschreitungen, die die Intimsphäre eines Menschen verletzen. Diese werden gegen deren Willen vorgenommen, oder der sie aufgrund körperlicher, seelischer, geistiger oder sprachlicher Unterlegenheit nicht wissentlich zustimmen können. Sexualisierte Gewalt ist umfassender als die rechtliche Definition, da diese ausschließlich diejenigen Handlungen umfasst, die unter Strafe stehen. „Sexualisierte Gewalt“ bezieht alle strafbaren Handlungen ein, aber auch die Handlungen, die nicht unter Strafe stehen. Fast immer handelt es sich dabei um die Ausnutzung eines Machtgefälles aufgrund von Geschlecht, Alter, körperlicher Überlegenheit, Herkunft oder sozialem Status. Dabei verfügt die überlegene Person über die größere Macht oder Autorität. Es werden sexuelle Handlungen als Methode der Gewalt genutzt, weniger geht es um vordringlich sexuelles Verlangen.

Bei unter 14-Jährigen ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sie sexuellen Handlungen nicht zustimmen können. Sexuelle Handlungen sind immer als sexuelle Gewalt zu werten, selbst wenn ein Kind ausdrückt, dass es einverstanden ist, oder ein Täter oder eine Täterin dies so interpretiert.

Dazu findet man Informationen unter bistummainz.de/gegen-sexualisierte-gewalt

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,Irritierte Systeme‘ können Menschen und/oder Gruppierungen sein, die unmittelbar von einem traumatischen Ereignis, wie z.B. einem Verdachtsfall von sexualisierter Gewalt, betroffen sind. Es hat in jedem Fall ein Ereignis stattgefunden, von dem sie zwar nicht selbst direkt betroffen sind, jedoch so nah dran sind, dass viele Fragen aufgeworfen werden, einiges durcheinandergerät, also irritiert ist.“ (www.muk-lambrecht.de) Gefühle wie Wut, Fassungslosigkeit, Leere, Hilflosigkeit usw. überschatten den Alltag, sodass neue Wege in eine Normalität gefunden werden müssen. Irritierte Systeme stellen meistens ein dynamisches und hoch eskalatives Konfliktfeld dar.

Grundlage hierfür ist die „Ordnung für das Verfahren zur Anerkennung des Leids“ vom 1. Januar 2021. Für die Entgegennahme von Anträgen und auch für Hilfestellung bei der Antragstellung sind die unabhängigen Ansprechpersonen des Bistums Mainz zuständig. Nach Eingang des Antrags in der Koordinationsstelle Intervention und Aufarbeitung erfolgt eine Plausibilitätsprüfung.  Plausibilität ist nach der Anerkennungsordnung dann gegeben, „wenn die Tatschilderung objektiven Tatsachen nicht widerspricht und bei Würdigung aller Umstände eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für ihre Richtigkeit spricht“. Anschließend wird der Antrag durch die Bistumsleitung an die Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA) weitergeleitet, die für die Bemessung der finanziellen Leistung zuständig ist.

Im Bistum Mainz gingen seit 2011 insgesamt 121 Anträge auf Leistungen in Anerkennung des Leids ein (darunter auch 27 Folgeanträge nach neuem Verfahren), die an die Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA, früher ZKS) weitergeleitet wurden. Bisher wurde eine Summe von insgesamt 1.248.500 Euro an 91 Betroffene ausgezahlt. Der niedrigste Betrag lag bei 1.000 Euro; der höchste Betrag lag bei 80.000 Euro. Für Therapien hat das Bistum Mainz zusätzlich bislang 779.089 Euro aufgewendet (alle Angaben Stand: 24. Februar 2023).

Aktuell befinden sich 10 Anträge in der Bearbeitung.

Die EVV-Studie wird beantworten, wie viele Täter und Täterinnen, Beschuldigte und wie viele Betroffene bis heute bekannt sind. Wir gehen aktuell davon aus, dass sich die Zahlen gegenüber früheren Veröffentlichungen unterscheiden werden. Dies liegt zum einen daran, dass sich kontinuierlich noch Menschen melden, die über - oft lange zurückliegende - Fälle von sexualisierter Gewalt berichten möchten. Im Zuge der Erarbeitung der Studie wurde wiederholt explizit dazu aufgerufen, dass  Betroffene und andere Informationsträgerinnen und -träger Kontakt zu Rechtsanwalt Weber aufnehmen sollten. Zum anderen ist das Untersuchungsfeld der EVV-Studie sehr weit gefasst (vgl. unter „Was ist das Besondere der Mainzer Studie?“). Im Unterschied dazu nahm z. B. die MHG-Studie nur Priester,  hauptberufliche Diakone und männliche Ordensangehörige mit Gestellungsauftrag im Bistum als Täter in den Blick und nur Minderjährige als Betroffene. Auch nach der Veröffentlichung der EVV-Studie wird es vermutlich noch eine Dunkelziffer von unentdeckten Fällen geben, weil manche Betroffene bis heute nicht in der Lage sind, über erlittenen Missbrauch zu sprechen.

Materielle Leistungen in Anerkenntnis des Leids bedürfen eines Antrags, damit die für die Entscheidung zuständige Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen eine Leistungshöhe festlegen und die Auszahlung an Betroffene anweisen kann. Das Bistum Mainz begrüßt die Anfang 2021 in Kraft getretene, neue Ordnung des Verfahrens zur Anerkennung des Leids, mit dem alle 27 Bistümer in Deutschland einen wichtigen Schritt zur Weiterentwicklung gehen. Das einheitliche Verfahren, das auf der Herbstvollversammlung 2020 in Fulda beschlossen wurde, garantiert ein transparentes und unabhängiges Verfahren.

Nein, die Anerkennungszahlungen oder Therapiekosten für Betroffene werden nicht aus Kirchensteuermitteln bezahlt, sondern aus einem Fonds, der sich etwa aus Zinserträgen speist.

Im Bistum ist 2019 eine unabhängige Aufarbeitungskommission eingerichtet worden. Mit der Wahl von Ursula Groden-Kranich zur Vorsitzenden im März 2022 ist die unabhängige Aufarbeitungskommission des Bistums Mainz entsprechend der gemeinsamen Erklärung von Deutscher Bischofskonferenz und dem Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) neu strukturiert und an die vereinbarten Vorgaben angepasst worden (https://kurzelinks.de/enq8).

Ordinariatsdirektorin Stephanie Rieth, Bevollmächtigte des Generalvikars, verantwortet in enger Abstimmung mit Bischof Peter Kohlgraf und Weihbischof und Generalvikar Dr. Udo Markus Bentz die Bereiche Aufarbeitung, Intervention und Prävention im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch.

Die Aufarbeitungskommission hat elf stimmberechtigte Mitglieder. Sie alle sind externe Fachleute, wie etwa eine Traumapsychologin und eine Kriminalkommissarin; von Seiten des Bistums ist lediglich Anke Fery, Aufarbeitungsbeauftragte des Bistums Mainz, stimmberechtigtes Mitglied. Zu den stimmberechtigten Mitgliedern gehören seit 2021 auch drei Mitglieder des früheren gemeinsamen Betroffenenbeirats der Bistümer Fulda, Limburg und Mainz (https://kurzelinks.de/xgvr) sowie zwei Vertreterinnen der Landesregierungen von Rheinland-Pfalz und Hessen. In Rheinland-Pfalz findet derzeit ein personeller Wechsel statt und es ist bislang noch kein Nachfolger von Marliese Dicke, der früheren Präsidentin des Oberlandesgerichts Koblenz, benannt. Vom Land Hessen ist die frühere Bundesfamilienministerin, Dr. Kristina Schröder, entsandt.

Außerdem sind 13 Personen aus dem Bistum Mainz ständige Gäste der Aufarbeitungskommission, zu denen auch der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf, der Mainzer Weihbischof und Generalvikar, Dr. Udo Markus Bentz, Ordinariatsdirektorin Stephanie Rieth, Bevollmächtigte des Generalvikars, gehören und außerdem die Leiterinnen der Koordinationsstellen Intervention und Aufarbeitung sowie Prävention.

Die Koordinationsstelle Prävention wurde im November 2010 eingerichtet, im Februar 2011 trat dann die damalige Verordnung zur Prävention von sexuellem Missbrauch an Kindern, Jugendlichen und erwachsene Schutzbefohlenen im Bistum Mainz in Kraft. Nachfolgend gab es Schulungen für Haupt- und Ehrenamtliche, Führungszeugnisse und Selbstverpflichtungserklärungen wurden eingeholt und  Präventionskräfte beauftragt, rund 20.000 Menschen wurden seitdem geschult. Diese Ordnung wurde 2015 überarbeitet. 2020 wurde die Ordnung zur Prävention gegen sexualisierte Gewalt im Bistum Mainz veröffentlicht. Zudem wurde der Auftrag an alle Rechtsträger zum Ausbau und der Bündelung von Präventionsmaßnahmen in passgenauen Institutionellen Schutzkonzepten auf der Grundlage einer individuellen Schutz-und Risikoanalyse  erteilt.

Nach Veröffentlichung der MHG-Studie hat das Bistum zu Beginn des Jahres 2019 im Rahmen vollumfänglicher Kooperation den Generalstaatsanwaltschaften in Koblenz und Frankfurt Listen mit den dem Bistum bekannten Sachverhalten übermittelt, unabhängig davon, ob diese Sachverhalte zum Untersuchungsgebiet der MHG-Studie gehörten, den Ermittlungsbehörden bereits bekannt bzw. gemeldet oder verjährt waren, oder ob die Beschuldigten verstorben waren.

Das Bistum übermittelt auch weiterhin den Ermittlungsbehörden bekannt gewordene Sachverhalte unabhängig davon, ob sie akut zu verfolgen sind, ob Verjährung eingetreten sein könnte, ob die Beschuldigten noch leben oder ob die für die Annahme einer Straftat erforderliche Erheblichkeitsschwelle überschritten ist oder nicht. Überprüft wird darüber hinaus auf Bistumsebene, ob in kirchenrechtlicher Hinsicht alle notwendigen Schritte unternommen wurden, und ob gegebenenfalls kirchliche Verfahren zu Ende zu führen, nachzuholen oder neue Verfahren einzuleiten sind.

Das Bistum handelt nach der von der Deutschen Bischofskonferenz entwickelten Ordnung für den Umgang mit sexuellem Missbrauch Minderjähriger und schutz- oder hilfebedürftiger Erwachsener durch Kleriker und sonstige Beschäftigte im kirchlichen Dienst, die am 1. Januar 2020 im Bistum Mainz in Kraft getreten ist. In jedem Fall sollen die Beschuldigungen zunächst in einem staatlichen Strafverfahren überprüft und geklärt werden. Unter präventiven Gesichtspunkten werden bis zur Klärung einstweilige vorläufige dienstliche Maßnahmen, etwa die einstweilige Freistellung vom Dienst, ergriffen. Unbeschadet dieser einstweilig erforderlichen unmittelbaren Maßnahmen, stehen Beschuldigte bis zum Erweis des Gegenteils unter Unschuldsvermutung. Bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen werden ferner kirchenrechtliche Verfahren geführt. Soweit staatliche Ermittlungs- oder Strafverfahren laufen, wird mit dem kirchenrechtlichen Verfahren abgewartet, bis die staatlichen Verfahren abgeschlossen worden sind. Die Konsequenzen für Beschuldigte bzw. Täter und Täterinnen richten sich - je nach Sachverhalt und Ausgang der staatlichen bzw. kirchlichen Verfahren - nach den staatlichen, kirchlichen und dienstrechtlichen Regelungen.

Das Bistum Mainz fordert von noch lebenden Beschuldigten und Tätern und Täterinnen die Übernahme subsidiär geleisteter Anerkennungszahlungen.

Das kirchliche Recht (das so genannte kanonische Recht) regelt die internen Angelegenheiten der Kirche. Diese Angelegenheiten selbstständig zu ordnen und zu regeln, wird allen Religionsgemeinschaften durch das Grundgesetz gewährleistet (Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV), um die Religionsfreiheit zu schützen. In der Ausübung dieses Selbstbestimmungsrechts haben sich die Religionsgemeinschaften innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes zu bewegen. Das bedeutet, dass die Kirche gleichzeitig an staatliches Recht gebunden ist. Dazu gehört selbstverständlich auch das staatliche Strafrecht.

Somit bleibt den Religionsgemeinschaften auch überlassen, ob sie für ihre inneren Angelegenheiten eigene Gerichte errichten, welche Zuständigkeiten diese haben und wie Verfahren ablaufen. Die Ausübung der kirchlichen Gerichtsbarkeit hat jedoch grundsätzlich keine bürgerliche Wirkung, sie bleibt auf den Bereich der eigenen innerkirchlichen Angelegenheiten beschränkt.

Zum kirchlichen Recht, das im so genannten Codex Iuris Canonici (CIC) zusammengefasst ist, gehört auch der Bereich des kirchlichen Straf- und Prozessrechts. Dieses soll das Heil der Gläubigen, aber auch die innere und äußere Ordnung der Kirche schützen. Dieses Strafrecht ersetzt aber nicht das staatliche Strafrecht, sondern ergänzt dieses um die innerkirchliche Dimension. Die beiden Gerichtsbarkeiten stehen nicht in Konkurrenz, sondern in einer Koexistenz. Seit einigen Jahren werden auch solche Handlungen oder Unterlassungen mit einer kirchlichen Strafsanktion bedroht, die staatliche Untersuchungen bei Verdacht auf sexuellen Missbrauch zu beeinflussen oder zu umgehen versuchen.

Ein kirchliches Strafverfahren soll feststellen, ob eine nach kirchlichem Recht strafbare Handlung begangen wurde und wie diese zu ahnden ist. Beim Begehen einer Straftat können Beugestrafen, etwa ein Ausschluss von Rechten und Pflichten in der  Kirche (Exkommunikation) oder ein Verbot der Ausübung von Ämtern und Aufgaben  (Suspension) verhängt werden, die vor allem auf die Besserung des Täters oder der Täterin abzielen. Es können auch Sühnestrafen auf Dauer, auf bestimmte oder unbestimmte Zeit verhängt werden, darunter insbesondere die Entlassung aus dem Klerikerstand. Die Wiederherstellung der Gerechtigkeit steht hierbei als Ziel an erster Stelle.

Bei sexualisierter Gewalt geht es im staatlichen Recht um sexuelle Handlungen gegenüber Personen, die aus bestimmten Gründen besonders schutzwürdig sind, und die in die sexuellen Handlungen nicht oder nur eingeschränkt einwilligen können, geschützt wird die sexuelle Selbstbestimmung. Im kirchlichen Strafrecht wird dieser Begriff nicht verwendet, sondern von Straftaten gegen das sechste Gebot des Dekalogs („Du sollst nicht die Ehe brechen.“) gesprochen, die als Straftaten gegen die besonderen Verpflichtungen eines Klerikers, aber auch als Straftaten gegen Leben, Würde und Freiheit des Menschen gesehen werden. Die Formulierung der „Straftaten gegen das sechste Gebot des Dekalogs“ wird in der kirchlichen Tradition nicht nur auf den Ehebruch, sondern auf den gesamten Bereich der menschlichen Geschlechtlichkeit bezogen. Sie zielt daher auf jedes kirchlich strafrechtlich relevante sexuelle Fehlverhalten und ist deshalb unter Umständen weiter gefasst als entsprechende staatliche Regelungen. Somit können Straftaten unterhalb der Schwelle der staatlichen Strafbarkeit im kirchlichen Strafrecht durchaus belangt werden. Sexualisierte Gewalt durch Kleriker an Minderjährigen unter 18 Jahren bzw. an Personen mit habituell eingeschränktem Vernunftgebrauch wird als schwerwiegendere Straftat qualifiziert, deren strafrechtliche Ahndung der zuständigen Behörde im Vatikan vorbehalten ist. Das Gleiche gilt ausdrücklich auch für den Erwerb, die Aufbewahrung oder Verbreitung pornografischer Bilder von Minderjährigen durch Kleriker.

Kleriker können bei einer Straftat gegen das sechste Gebot des Dekalogs mit einem Minderjährigen, bei Verführung oder Verleitung von Minderjährigen zur Teilnahme an oder Umsetzung von pornographischen Darstellungen und bei Erwerb, Aufbewahrung oder Verbreitung pornographischer Bilder von Minderjährigen mit der Amtsenthebung und anderen Strafen belegt werden. Ist der Fall besonders schwerwiegend, kann die Entlassung aus dem Klerikerstand erfolgen. Auch andere Gläubige können bei Begehen dieser Straftaten bestraft werden. Mögliche Strafen sind etwa Geldstrafen, die Einschränkung der Ausübung von Rechten oder der Entzug von kirchlichen Ämtern, Aufgaben, Diensten, Funktionen oder Tätigkeiten.