Schmuckband Kreuzgang

"Aus den Augen – aus dem Sinn…"

Wort von Pfarrer Weber und Mitteilungen, KB 8, 21.06.-20.07.2025

2024_Mitteilungen-aus-dem-Pastoralraum (c) Pastoralraum Heusenstamm-Dietzenbach
2024_Mitteilungen-aus-dem-Pastoralraum
Datum:
So. 13. Juli 2025
Von:
Helena Doetsch
 

Aus den Augen – aus dem Sinn…

Ganz bestimmt kennen Sie diesen Spruch. Oft wird er mit einem Schuss Resignation
oder sogar Verbitterung ausgesprochen. Man ist irgendwo nicht mehr präsent, sei es wegen Krankheit oder sonst einem schwerwiegenden Grund – und man hat den Eindruck, ruck –zuck vergessen zu sein. Manchmal erschrecke ich in dieser Hinsicht auch über mich. Wie schnell „vergisst“ man Menschen. Das macht mich immer sehr nachdenklich.

Vor einigen Wochen habe ich die Nachricht erhalten, dass Herr Soundso verstorben ist. Ein älterer Herr, gebürtig aus dem Frankenland, wohnhaft seit fast 20 Jahren in Heusenstamm. Schon hoch in den Achtzigern. Immer mit dem Fahrrad unterwegs. Ich kannte ihn seit vielen Jahren. Er zupfte vor unseren Kirchen und Pfarrheimen das Unkraut. Mit einem kleinen Messer reinigte er sogar die Ritzen. Immer wieder ist er aufgetaucht und fuhr erst wieder los, wenn die Arbeit erledigt war. Ein kleines Schwätzchen - und ein Kaffee taten ihm gut. Mehr wollte er nicht. Warum er das tue? So genau konnte er das nicht in Worte fassen. Irgendetwas Gutes wollte er tun, vielleicht auch etwas wiedergutmachen. Eines Tages sah ich ihn – vollbeladen mit einer riesigen Tüte voll Plastikflaschen. Und Tage später klingelte er im Pfarrbüro – um den Ertrag zu spenden. Dann sah ich ihn viele Wochen nicht mehr– bis die Nachricht kam, er sei verstorben.

Er hatte nur noch wenig Verwandtschaft und zu den Wenigen leider auch kaum einen Kontakt. Wie so üblich in diesen Fällen, wurde er von Amts wegen beerdigt: mutterseelenallein, irgendwo in Brandenburg, weil das am günstigsten ist. All das habe ich leider auch erst dann mitbekommen, als es schon zu spät war. Wie gerne hätten wir – unsere Sekretärinnen, Diakon Schäfer und ich - ihn würdig beerdigt und einfach Danke gesagt. Aber es sollte nicht sein.

„Aus den Augen – aus dem Sinn“ – Das ist traurig, aber leider auch „menschlich“. Es geschieht oft ohne bösen Willen, einfach, weil wir begrenzte Wesen sind. Deshalb bin ich sehr skeptisch, wenn es in Todesanzeigen heißt: „Wir werden Dich nie vergessen!“ Oder pseudophilosophisch: „Wer im Herzen seiner Liebsten lebt, der ist nicht tot. Tot sind nur die, die vergessen sind“.

Das Einzige was mich tröstet ist, dass da ein Größerer ist, der uns nie vergisst. Im Psalm 27 etwa heißt es: „Wenn mich auch Vater und Mutter verlassen, ich vergesse dich nicht!“
Oder einer meiner Lieblingssätze der Bibel im Buch Jesaja: „Ich habe Dich in meine Hand eingeschrieben. Deshalb fürchte dich nicht, denn ich erlöse dich. Ich rufe dich bei deinem Namen. Mein bist Du!“

Aus den Augen, aus dem Sinn. – Bei Gott gibt es das – Gott sei Dank! – nicht. ER vergisst uns nicht!
Martin Weber, Pfarrer