Schmuckband Kreuzgang

Ostern 2020 - Predigt zum Barmherzigkeitssonntag

Der zweite Ostersonntag - ein Sonntag mit Traditionen. Die weißen Kleider der neu getauften, die vielfachen Erstkommunionfeiern und die biblische Überlieferung von den Zweifeln des Thomas und dem Wagnis des Glaubens.

Ostern 2. Ostersonntag Hl. Thomas (c) mittelalterliche Buchmalerei
Ostern 2. Ostersonntag Hl. Thomas
Datum:
So. 19. Apr. 2020
Von:
Stefan Barton

Seinen Namen Weißer Sonntag hat der zweite Ostersonntag von der Tradition früher Christen die Taufkleider von der Osternacht bis zum weißen Sonntag zu tragen und so einerseits das große Ereignis ihrer Taufe zu feiern und andererseits mit diesen acht Tagen auch einen Abschnitt in der Feier von Ostern in besonderer Weise auszuzeichnen. Das Evangelium dieses Tages von der Begegnung Jesu mit dem vielfach als „Ungläubiger“ gebrandmarkte Apostel Thomas setzt einen weiteren Akzent: Geht es hier um den vermeintlichen Gegensatz von Glauben und Sehen oder geht es vielmehr um die Frage, wie denn das Ereignis der Auferstehung in der christlichen Gemeinde gelebt werden kann?

Auferstehung leben – darum wird es doch jetzt gehen müssen für die urchristlichen Gemeinden und bis auf den heutigen Tag für uns als christliche Gemeinden der Gegenwart. Und schließlich ist der zweite Ostersonntag auch der Sonntag der Barmherzigkeit Gottes. Weil die Botschaft von der Barmherzigkeit Gottes keine weltfremde Theorie ist, sondern Auferstehung leben möglich machen kann, ist sie keine bloße Mitleidsbekundung. Sie hat Konsequenzen für das Leben einer jeden Christin, eines jeden Christen und für das Handeln der Kirche. Es geht, wie Kardinal Kasper sagt, darum, dass Christ*innen ihren Beitrag leisten zu einer menschenwürdigen, gerechten und barmherzigen Gestaltung zur weiteren Entwicklung unserer gesellschaftlichen Ordnung. Barmherzigkeit als Grundbegriff des Evangeliums wird so zum Schlüssel eines christlichen Lebens.

 

Liebe Schwestern und Brüder,

aus einer Begegnung eines Mönches mit einem Grenzbeamten an einer Grenze unserer Tage ist folgende Szene überliefert. Der Grenzer stellt alles auf den Kopf und der Mönch fragt ihn, ob der denn glaube, dass er ein falscher Mönch sei, oder etwas zu verbergen haben. Die Antwort des Grenzbeamten lautete: „Der Patron von uns Zöllnern ist der heilige Thomas: Was wir nicht sehen und berühren können, glauben wir nicht.“

Klar, die Nachricht da sei einer von Toten auferstanden, bleibt zu allen Zeiten eine Herausforderung. Zu allen Zeiten stößt eine solche unglaubliche Vorstellung auf Zweifel. Von den Toten auferstehen, dass widersprach zu allen Zeiten den vielfach gemachten Erfahrungen. Tot ist tot. Hier gibt es kein Zurück mehr. Und selbstverständlich sind auf diesem Hintergrund die Zweifel des Apostels Thomas grundsätzliche Anfrage an die Zeugen, die davon berichteten, dass Jesus lebe. Das Evangelium überliefert uns, dass Jesus diese Zweifel ernstgenommen habe. Bei der für heute, den achten Tag nach der Auferstehung Jesu, berichteten Begegnung mit ihm kommt dieser Zweifel auf den Tisch. Jesus zeigt ihm seine Wunden, seine Seite und Thomas antwortet mit einem bewegenden Bekenntnis: „Mein Herr und mein Gott!“ (Joh 20, 28b).

Das Wagnis des Glaubens

Die Begegnung Jesu mit Thomas räumt dessen Zweifel offenbar so deutlich aus, dass dieser mit einem bewegenden Bekenntnis antworten kann. Thomas bekennt Jesus als seinen Herrn und seinen Gott. Thomas formuliert hier sicher ganz persönlich, was ihm Jesus jetzt bedeutet. Gleichwohl hören wir hier vermutlich auch ein wenig Redaktion des Evangelisten. Wir hören hier auch das Ringen der urchristlichen Gemeinden, wie sie sich selbst Jesus gegenüber positioniert. Zweifelsohne soll mit dem geäußerten Bekenntnis des Thomas der Zweifel ausgeräumt und die Auferstehung Jesu erneut bezeugt werden.

Darin steckt das große Wagnis des Glaubens. Der Zweifel ist ausgeräumt, Jesus ist wirklich von den Toten auferstanden und lebt: gesehen, berührt und geglaubt von Thomas, dem anfänglichen Zweifler. Offenbar liegt hier der Grund dafür, warum Thomas als Patron der Grenzbeamten gewählt wurde. Es geht hier aber wohl nicht ausschließlich um die Ausräumung der Zweifel an der Auferstehung als vielmehr um das Ringen nach einer wirklichen Nachfolge Jesu und wie diese gelebt werden kann. Offenbar kann dies nur im Wagnis des Glaubens gelingen. Jesu Antwort im Evangelium ist eindeutig: „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.“ (Joh 20,29).

Wie aber kann das „Wagnis des Glaubens“ gelebt werden? Jesus Christus sagt von sich, dass er der Weg, die Wahrheit und das Leben sei. Schon am Beginn der Abschiedsreden Jesu tritt Thomas als der auf, der nach den Bedingungen der Nachfolge fragt: „Herr, wir wissen nicht, wohin du gehst. Wie sollen wir dann den Weg kennen?“ (Joh 14,5). Es muss offensichtlich darum gehen, tiefer verstehen zu lernen, was Jesus für seine Jünger bedeutet. Er ist der Weg, die Wahrheit und das Leben sagt das Johannesevangelium. In dieser Zuversicht lässt sich das Wagnis des Glaubens leben.

Die Barmherzigkeit als Schlüssel des christlichen Lebens

Geübte Barmherzigkeit ermöglicht uns die Herausforderung Auferstehung zu leben im alltäglichen Leben unserer eigenen Existenz und in der Gemeinschaft unserer Gemeinden zu leben. Unser Mitgefühl und unser barmherziges Handeln im Blick auf die Not der Armen kann und soll keine bloße Vertröstung sein. Die Auferstehung Jesu ist eine neue Wirklichkeit, die unser Leben in einem ganz anderen Licht erscheinen lässt. Gott nimmt uns all die Leiden dieser Tage, die Herausforderungen der Coronakrise nicht ab. Die Nachrichten lehren uns das jeden Tag neu. Und dennoch heißt Auferstehung, dass Gott in Jesus Christus diese Wege mitgeht und uns in seine Nähe ruft. In einer großen Compassion, einer großen Mitleidenschaft zeigt uns Gott, dass er uns nahe ist. Daraus erwächst uns die stete Aufgabe, als christliche Gemeinde auch auf unsere Weise den Menschen in Not nahe zu sein, unsere Mitleidenschaft zu leben. Die Tradition der Kirche lehrt uns die Werke der geistlichen und tätigen Barmherzigkeiten. Die tätigen Werke der Barmherzigkeit nennen dabei folgende: die Hungernden speisen, den Dürstenden zu trinken geben, die Nackten bekleiden, die Fremden aufnehmen, die Kranken besuchen, die Gefangenen besuchen und Tote begraben. Die tätigen finden wir im Matthäusevangelium in der Gerichtsrede Jesu (Mt 25). Die Werke der geistlichen Barmherzigkeit leiten sich aus vielen Handlungen ab: die Unwissenden lehren, die Zweifelnden beraten, die Trauernden trösten, die Sünder zurechtweisen, den Beleidigern gerne verzeihen, die Lästigen geduldig ertragen und für die Lebenden und Verstorbenen beten.

In der Zusage Jesu „Der Friede sei mit Euch!“ steckt die Kraft, der Mut und die Zuversicht als christliche Gemeinde auch gegenwärtig die Barmherzigkeit Gottes zu verkünden und zu leben. Gott hat seine Mitleidenschaft für uns Menschen im Leiden, im Tod und in der Auferstehung Jesu machtvoll bestätigt. Wider all unsere menschlichen Zweifel erleben wir, dass Auferstehung leben möglich ist.