Mainz. Mit neuen Aufgabenschwerpunkten und einer verbesserten wirtschaftlichen Transparenz will das Bistum Mainz seine Handlungsfähigkeit für die Zukunft sichern. Die Voraussetzungen dazu liefert ein im November 2001 gestartetes Verbesserungsprogramm, das 60 Mitarbeiter aus verschiedenen Dezernaten des Bistums mit Unterstützung der Unternehmensberatung McKinsey & Company erarbeitet haben.
"Ich bin außerordentlich beeindruckt von der engagierten Beteiligung unserer Mitarbeiter und der Dynamik des Beratungsprozesses. Dank der Unterstützung und Kreativität unserer Mitarbeiter haben wir Antworten auf Fragen gefunden, die uns schon lange Zeit beschäftigen. Sie haben nicht nur ein großes Pensum an Arbeitskraft und –zeit investiert, sondern sie haben sich auch schöpferisch durch konstruktive Vorschläge hervorgetan", sagte der Mainzer Bischof, Kardinal Karl Lehmann, am Dienstag, 18. Juni, vor der Presse in Mainz. Hauptziel der Überlegungen sei nicht negativ das "Kürzen und Streichen", sondern die entscheidende positive Aufgabe sei es, die Gestaltungsfreiheit zurückzugewinnen.
Ein positives Zwischenfazit zog auch der Ökonom des Bistums Mainz, Generalvikar Dr. Werner Guballa: "Wir haben uns hohe Ziele gesetzt. Erste Elemente des Maßnahmenprogramms, z.B. im Bereich Beschaffung, konnten wir bereits umsetzen. In anderen Bereichen werden wir die Umsetzung entschieden vorantreiben." Ausgangspunkt des Projekts ist die Konzentration auf das historisch gewachsene Aufgabenspektrum des Bistums. Dabei formulierten Mitarbeiter des Bistums Schwerpunkte der künftigen Arbeit.
Zur Vorbereitung der einzelnen Schritte wurde eine "Vision für das Bistum Mainz entworfen, die Kardinal Lehmann vortrug, in der es heißt: "Gott schenkt allen Menschen Heil und Leben. Jesus Christus vermittelt diese Gaben in Wort und Tat. Gottes Geist vergegenwärtigt dieses Geschenk zu jeder Zeit. Dies bezeugt die Kirche durch ihren Dienst an den Menschen. Hier liegen Quelle und Maß des gesamten Lebens und Wirkens der Kirche von Mainz. Die Gemeinschaft der Gläubigen steht dafür ein, dass die Menschen in gegenseitiger Achtung und Verantwortung unterwegs bleiben."
Schwerpunkte der Tätigkeit des Bistums sind auf der Grundlage dieser Vision oder "Unternehmensphilosophie", wie Lehmann darlegte, die Verkündigung des Evangeliums bzw. Glaubensunterweisung in Gemeinde, Bildungseinrichtungen, Öffentlichkeitsarbeit und besonders Schule, die Verkündigung des Evangeliums bzw. Glaubensunterweisung in Gemeinde, Bildungseinrichtungen, Öffentlichkeitsarbeit und besonders Schule, das konsequente Eintreten für Ehe und Familie und die vorrangige Zuwendung zu den sonst Unbeachteten ("Option für die Armen") und die Personalentwicklung im haupt- und ehrenamtlichen Bereich.
Geprägt wird die derzeitige Situation von rückläufigen Einnahmen bei steigenden Ausgaben, so dass der finanzielle Handlungsspielraum der Kirche zunehmend eingeschränkt wird. Dabei sind die Folgen der Kirchenaustritte nur eine Ursache. Zwar nimmt die Zahl der Katholiken in Deutschland kontinuierlich ab; im Zeitraum von 1990 bis 2000 um rund 1,4 Millionen. Doch wesentlich für finanzielle Einbußen sind u.a. auch die immer älter werdende Gesellschaft und die hohe Arbeitslosigkeit. In einzelnen Bistümern zahlen beispielsweise nur bis zu 25 Prozent der Katholiken Kirchensteuer. Parallel hierzu steigen die Ausgaben für Personal und die Instandhaltung der Immobilien weiter an. Würde das Bistum Mainz seine bisherigen Aufgaben unverändert fortführen, würde in den kommenden Jahren eine erhebliche Finanzierungslücke auftreten, die zwischen 15 und 20 Prozent des derzeitigen Etats erreichen kann. Wenn nicht gegengesteuert würde, könnte die Finanzierungslücke in den nächsten fünf Jahren möglicherweise auf 90 Millionen € kumulieren, stellte Guballa fest.
Der Leiter des McKinsey-Büros in Düsseldorf, Dr. Jochen Messemer, betonte, das Bistum befinde sich in der günstigen Lage, dass es aus einer "Position der Stärke" handeln könne und nicht unter den Zwängen einer Krisensituation. "Wir haben keine Notstandspläne und keine Geheimpläne in der Schublade", bekräftigte Kardinal Lehmann auf Nachfragen von Journalisten. Es bleibe auch dabei, dass im jetzigen Maßnahmenprogramm keine Kündigungen ausgesprochen werden.
"Das Szenario hat uns verdeutlicht, dass wir ein strukturelles Problem haben, das sich nicht auf einzelne Einflussfaktoren zurückführen lässt. Deshalb entwickeln wir Maßnahmen, die den vielfältigen Herausforderungen eines Bistums gerecht werden," unterstrich Generalvikar Guballa. So werden derzeit alternative Finanzierungsformen für Gemeinden diskutiert, die den Handlungsspielraum über mehr Eigenverantwortung deutlich vergrößern sollen. Parallel dazu sollen innovative Ideen einzelner Gemeinden für das gesamte Bistum beispielgebend sein. Die Schulen im Bistum behalten ihren hohen Stellenwert. Die Schulförderstiftungen sollen ausgeweitet werden.
Neben der Optimierung der Beschaffung beispielsweise für technisches Gerät wurde mit Unterstützung von McKinsey auch eine effizientere Nutzung der Bildungsstätten sowie die Konsolidierung des Immobilienbestandes erarbeitet. Bei Spenden heißt das Schlagwort "Nachhaltigkeit". Über den gezielten weiteren Aufbau von Stiftungen will das Bistum Förderern die Möglichkeit geben, finanzielle Zuwendungen langfristig kirchlichen Aufgaben nutzbar zu machen, zum Beispiel in der Ketteler-Stiftung oder einer Dom-Stiftung. Zusätzlich wird es in den nächsten fünf bis zehn Jahren zu einem moderaten Stellenabbau kommen, der über die natürliche Fluktuation im Bistum realisiert werden soll.
Lehmann stellte fest, dass das Mitgliederverhalten der Katholiken ähnlich wie in säkularen Bereichen und in anderen christlichen Kirchen sich geändert hat. "Wir müssen viel intensiver als bisher auf die Kirchendistanzierten, die aber dennoch nicht aus der Kirche austreten", zugehen", erklärte Kardinal Lehmann und verwies zugleich darauf, dass in den meisten Diözesen nur jeder 3. oder 4. Katholik Kirchensteuer zahle. Unter den "Nichtzahlern" ließen sich sicher etliche gewinnen, um das eine oder andere kirchliche Projekt mitzutragen.
Nach den Worten Lehmanns wird das Bistum die schwierigsten Einschnitte im Bereich der Immobilien haben. "Wir haben 1700 Immobilien im Bistum, die einen hohen Erneuerungs- und Sanierungsbedarf aufweisen, der auf die Dauer kaum aufgebracht werden kann." Das Bistum werde sich deshalb von manchen Immobilien, die nicht mehr zwingend gebraucht werden, trennen, wenn der Renovierungsaufwand zu groß wäre. Dies könne auch die eine oder andere Kirche oder Kapelle betreffen. Kardinal Lehmann betonte, dass pastorale und karitative Aufgaben weiter im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen werden, wirtschaftliche Aspekte aber stärker als in der Vergangenheit berücksichtigt werden müssten.
Kardinal Lehmann dankte den Mitarbeitern von McKinsey, vor deren Arbeitsleistung er Respekt gewonnen habe. "Sie haben gute Ratschläge erteilt, aber nie unsere Verantwortung angetastet." Zugleich dankte er den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Bischöflichen Ordinariat, die eine hohe Mehrbelastung auf sich genommen hatten, vor allen den 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die in den zehn Teilprojekten mitgearbeitet haben. Diesen Dank sprach der Bischof nicht nur in der Pressekonferenz, sondern vorrangig in der Mitarbeiterversammlung aus, die unmittelbar vor der Pressekonferenz ebenfalls im Erbacher Hof stattfand. Die Projektgruppen werden zur Umsetzung der einzelnen Arbeitsschritte vorläufig noch weiterarbeiten.
Sk (MBN)