Erklärungen - Meldungen - Interviews

Dokumentation zu den Vorwürfen sexueller Übergriffe von Priestern auf Minderjährige 

Datum:
Do. 25. Juli 2002
Von:
MBN

Bischöfliche Pressestelle Mainz, Leiter: Jürgen Strickstrock, Bischofsplatz 2, 55116 Mainz 
Postanschrift: Postfach 1560, 55005 Mainz, Tel. 06131/253-128 oder 129, Fax 06131/253-402. E-Mail: pressestelle@bistum-mainz.de

  • Presseerklärung im Zusammenhang von Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen durch einen Priester des Bistums Mainz - 25.07.2002
  • Antwortschreiben von Kardinal Lehmann auf Anfragen im Zusammenhang von Beschuldigungen gegen einen Pfarrer unseres Bistums wegen sexueller Übergriffe auf Minderjährige
  • Die Kirche ist getroffen - Erklärung von Karl Kardinal Lehmann zu den Fällen sexueller Übergriffe von Priestern auf Minderjährige
  • Pfarrer beurlaubt – Pfarradministrator bestellt: Bistum beauftragt Pfarrer Ulrich Jung mit vorläufiger Pfarradministration in Rüsselsheim
  • Moment mal - Beitrag in der Bistumszeitung "Glaube und Leben": Ein Anruf bei Generalvikar Guballa zum Vorwurf des sexuellen Missbrauchs gegen einen Rüsselsheimer Priester in „Der Spiegel"
  • Bistum Mainz nimmt zu Pädophilie-Vorwürfen Stellung

Presseerklärung im Zusammenhang von Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen durch einen Priester des Bistums Mainz 

Im Blick auf verschiedene Spekulationen, die in den vergangenen Tagen in einigen Medien geäußert wurden, stellt das Bistum Mainz folgendes fest: 

Der Bischof von Mainz, Karl Kardinal Lehmann, war nie zu der Zeit, in der Pfarrer Norbert E. seinen Dienst in der Pfarrei Rüsselsheim-Hassloch versah, im dortigen Pfarrhaus und hat auch nie mit dem 14-jährigen Zeugen Christian B. Gespräche geführt. Der Bischof hat die Gemeinde Rüsselsheim-Hassloch vor 13 Jahren (1989) im Rahmen einer turnusmäßigen, offiziellen Dekanatsvisitation besucht. Pfarrer Norbert E. übernahm die Pfarrei am 1. September 2000.

Das Bistum Mainz hat zu keinem Zeitpunkt den Aufenthaltsort möglicher Zeugen verheimlicht oder verschwiegen. Richtig ist vielmehr, dass das Bistum ihm zugetragene Informationen über einen möglichen Aufenthaltsort des 14-jährigen Christian B. unverzüglich an das Jugendamt Frankfurt weitergegeben hat, verbunden mit der dringenden Bitte, die Personensorge neu zu regeln und einen sicheren Aufenthaltsort für den Jugendlichen zu bestimmen.

Im Rahmen der laufenden kircheninternen Voruntersuchung ist das Bistum Mainz nicht nur sehr daran interessiert, sondern auch darauf angewiesen, dass mögliche Zeugen zur Aufklärung des Sachverhalts beitragen und in direkten Kontakt zu ihm treten. Dabei ist das Bistum Mainz – anders als die Staatsanwaltschaft – auf die freiwillige Aussagebereitschaft möglicher Zeugen angewiesen. Angebliche Äußerungen von Zeugen, die über Dritte bzw. die Medien verbreitet werden, sind ohne das direkte Gespräch mit diesen Zeugen für das Bistum nicht zu überprüfen und für die kirchlichen Ermittlungen darum auch nicht verwertbar.

Wie bereits bekannt ist, führt das Bistum Mainz gegenwärtig eine Voruntersuchung nach can. 1717 CIC durch. Dabei klärt der Leiter der Voruntersuchungen den Sachverhalt. Er hat in diesem Verfahren die Aufgaben und Befugnisse eines Ermittlungsrichters nach kanonischem (kirchlichem) Recht. Bei diesen Ermittlungen muss er objektiv vorgehen und sowohl belastende wie entlastende Beweise erheben. Um den Erfolg der Ermittlungen nicht zu gefährden, kann über den jeweiligen Stand des Verfahrens keine Auskunft erteilt werden. Nach Abschluss der kirchlichen Voruntersuchung entscheidet der Bischof, ob die Angelegenheit gemäß den geltenden kirchenrechtlichen Bestimmungen zur Entscheidung über das weitere Verfahren der zuständigen römischen Behörde vorgelegt wird.

Bischöfliche Pressestelle Mainz

 

Antwortschreiben auf Anfragen im Zusammenhang von Beschuldigungen gegen einen Pfarrer unseres Bistums wegen sexueller Übergriffe auf Minderjährige

 Karl Kardinal Lehmann 
DER BISCHOF VON MAINZ


Bischofsplatz 2 a
55116 Mainz
eMail: bischof.lehmann@bistum-mainz.de

 Juli 2002

 Sehr geehrte Damen und Herren,

Sie haben mir im Zusammenhang von Beschuldigungen gegen einen Pfarrer unseres Bistums wegen sexueller Übergriffe auf Minderjährige geschrieben. Ich habe sorgfältig alle Briefe und e-mails gelesen. Ich bin aber schlechterdings nicht in der Lage, persönlich jeden einzelnen Brief gesondert zu beantworten. Dies tut mir leid, aber ich stehe unmittelbar vor der Abreise zum Weltjugendtreffen in Toronto, wo ich aus vielen Gründen anwesend sein muss. Nach meiner Rückkehr habe ich seit Monaten meinen Urlaub gebucht, den ich auch nicht verschieben kann. Schließlich häufen sich immer vor den großen Ferien zahlreiche Verpflichtungen. Ich bitte Sie deshalb um Verständnis, wenn ich Ihnen einen gemeinsamen Brief schreiben muss. Dabei dürfen Sie voraussetzen, dass ich Ihre einzelnen Briefe genau zur Kenntnis genommen habe und dass ich in einigen Fällen wirklich auch neue Erkenntnisse gewonnen habe.

Wenn ich die gesamte Sach- und Diskussionslage sowie auch Ihre Einlassungen vor Augen habe, muss ich einige Feststellungen treffen, die ich inzwischen in einem FAZ-Artikel zusammengefasst habe und den ich Ihnen beilege. Im Blick auf die Mainzer Situation möchte ich nur wenige Dinge hinzufügen:

Im konkreten Fall hat der betroffene Priester sich – gewiss zum Ärger mancher in der Gemeinde – sehr intensiv mit gefährdeten Jungen aus schwierigen Familien und Verhältnissen gekümmert. Man erwartet dies auch gerade von einem noch jüngeren Priester. In diesem Zusammenhang hat er auch auf Bitten der Mutter und mit Einverständnis des Jugendamtes Frankfurt sowie der Zustimmung des Bischöflichen Ordinariates in Mainz den Jungen in das Pfarrhaus aufgenommen. Bis heute gibt es keinen Beleg, dass er sich sexuell an diesem Jungen vergriffen hat. In anderen Fällen – im Blickpunkt steht vor allem ein recht lange zurückliegender Falle – bedürfen die Vorwürfe einer sehr sorgfältigen Untersuchung. Diese Untersuchungen sind sowohl von staatlicher wie kirchlicher Seite auch im Gange. Insgesamt trifft man dabei auf eine sehr schwierige und komplizierte Verflechtung einer ganzen Reihe von beteiligten Personen und ihrer Milieus. Wir müssen hier erst vieles entwirren, haben damit viel zu tun und tragen auch allen Beteiligten gegenüber eine große Verantwortung.

Ich muss nicht eigens betonen, dass wir jeden tatsächlichen Fall von sexuellem Missbrauch von Minderjährigen sehr bedauern. Jeder Fall ist ein Fall zu viel. Wir müssen in erster Linie um die Opfer besorgt sein. Aus allen diesen schmerzlichen Erfahrungen der Vergangenheit und auch der Gegenwart haben wir gelernt und wollen wir weiter lernen. Wir werden auch im Bistum Mainz in Zukunft noch mehr diesbezüglichen – wenn auch noch so vagen – Hinweisen verstärkt nachgehen und uns um eine frühzeitige Aufklärung bemühen. Wir sind dabei allerdings auch nach wie vor auf eine aktive Mitverantwortung und Mithilfe aller in unseren Gemeinden angewiesen.

In diesem Sinne bitte ich auch in diesem Falle und künftig um Ihr Vertrauen sowie um ihre Unterstützung und bleibe mit freundlichen Grüßen

Ihr

+ Karl Kardinal Lehmann
(derzeit auf dem Weltjugendtreffen in Toronto)

 

Dokumentation

Karl Kardinal Lehmann 

Die Kirche ist getroffen 

Ein besonderes Phänomen bedrückt zur Zeit die katholische Kirche: Es sind Fälle sexueller Übergriffe von Priestern auf Minderjährige, vor allem an Jungen, bekannt geworden. Nüchtern betrachtet muss man wohl mit weiteren Enthüllungen dieser Art rechnen.

Dies trifft die Kirche in diesem Land ähnlich wie in den Vereinigten Staaten ins Mark. Auch wenn der Umfang dort sehr viel größer ist, so ist jeder Fall einer zu viel. Man wagt eigentlich nicht, von „Fällen" zu sprechen, wenn man an die seelischen Verwundungen der einzelnen Opfer denkt. Der Schock sitzt auch so tief, weil diese Verfehlungen einzelner eine Institution treffen, die stets für Ordnung in den sexuellen Beziehungen eintritt und nun selbst empfindlich getroffen wird. Viele, die die Moralansprüche der Kirche ohnehin beargwöhnen, sehen sich in ihren Urteilen bestätigt.

Einige Fälle sind neueren Datums. Aber die Medien stochern auch gerne in den letzten Jahren herum, um eine möglichst beeindruckende Liste derartiger Verfehlungen präsentieren zu können. Nicht selten geht man dabei wenig differenziert vor.

Sobald solche Verdachtsfälle aufgeklärt sind, erscheint die Entwicklung rückblickend immer eindeutig und transparent gewesen zu sein. Tatsächlich jedoch sind solche Situationen fast nie so eindeutig, wie sie im Nachhinein erscheinen mögen. Manchmal handelt es sich um bloße Gerüchte. Bisweilen ergeben sich daraus gewisse Verdachtsmomente. Auch wenn man diesen sorgfältig nachgeht, muss man oft feststellen, dass sie beim besten Willen mit den der Kirche zur Verfügung stehenden Mitteln nicht ausreichend aufgeklärt werden können. Wir tappen oft länger im Dunkeln. Wer nur vom Endpunkt gewonnener Erkenntnisse aus denkt, hat keine Ahnung von den Grenzen der Aufklärbarkeit. Der Pädophile leugnet meistens, solange er nur kann; seine Einsicht in Schuld fehlt. Betroffene im Umkreis schweigen oder ziehen sich bei näherem Nachfragen ins Unverbindliche zurück. Es ist nur zu leicht, aber dennoch falsch, angesichts dieser Schwierigkeiten rasch von „Vertuschung" zu reden.

Sexuelle Verfehlungen gerade gegenüber Kindern machen zornig. Dennoch sollte man auch unter diesen Umständen jedem Beschuldigten das Recht auf ein faires Gehör und eine peinlich genaue Untersuchung zugestehen. In einer der gerade laufenden Ermittlungen musste der Staatsanwalt öffentlich darauf hinweisen, dass die bisher vorgebrachten Vorwürfe „sehr dünn" seien. Er hat ausdrücklich vor einer Vorverurteilung gewarnt.

Die Erfahrung lehrt, dass das Umfeld solcher Fälle sehr verschieden sein kann. Manchmal kommen betroffene Kinder bzw. Jugendliche auch aus schwierigen Lebensverhältnissen. Seelsorge will gerade auch in schwierigen Situationen dieser Art helfen, manchmal vielleicht sogar etwas zu naiv, kann dadurch aber auch rasch selbst in Situationen der Gefährdung kommen.

Alle diese Aspekte entschärfen freilich nicht das Unrecht solcher Verfehlungen. Wenn der Kirche Kinder und Jugendliche anvertraut werden, ist ein Missbrauch dieses Vertrauens – moralisch wie juristisch – unerträglich und untragbar. Gewiss gibt es diese Verfehlungen auch in anderen Berufsgruppen und nicht zuletzt leider auch in den Familien selbst. Aber die Kirche stellt sich hier selbst unter einen besonderen Anspruch; deshalb wiegt jede Schwäche um so schwerer. Wir müssen uns jetzt selbstkritisch fragen, ob es uns immer gelungen ist, dem Handlungsanspruch in einzelnen Fällen gerecht zu werden. Ich will damit nicht den Stab brechen über Verantwortliche der letzten Jahre und Jahrzehnte in den Diözesen, die unter anderen Rahmenbedingungen gearbeitet und nicht selten auch unter den Grenzen der Aufklärungsmöglichkeiten gelitten haben. Doch nachdem inzwischen mehr bekannt ist über das Problem und Ausmaß der Pädophilie und ihre zerstörerischen Folgen, ist es an der Zeit, noch energischer und effektiver vorzugehen. Dabei ist auch klar, dass eine rein strafrechtliche Behandlung im Falle solcher sittlicher Verfehlungen für die Kirche nicht genügen kann.

In unseren vergleichsweise recht großen und personalintensiven Diözesen herrschte bisher die Überzeugung vor, man werde im eigenen Bereich schon selbst mit derartigen Problemen fertig. Es wächst nun jedoch über die einzelnen Diözesen hinaus das Bedürfnis nach Transparenz, Koordination und gemeinsamen Leitlinien der Prävention, Therapie und des Vorgehens. Auch die stärkere Einbeziehung externer Experten und Ansprechpartner wird empfohlen, zum Teil auf überdiözesaner Ebene. In anderen Ländern werden solche neuen Wege teilweise bereits begangen; auf der Ebene der Deutschen Bischofskonferenz werden sie derzeit gerade geprüft. Zudem gibt es seit 1.1.2002 neue Richtlinien der römischen Glaubenskongregation, wonach bei wahrscheinlichen pädophilen Verfehlungen von Priestern an Minderjährigen unter 18 Jahren eine Meldepflicht nach Rom besteht und man von dort aus das weitere Verfahren bestimmt. Auch darum besteht bei uns neuer Bedarf an Koordinierung. Ich wäre persönlich erleichtert, wenn in unserer Bischofskonferenz sobald wie möglich entsprechende Übereinstimmung erzielt und Beschlüsse gefasst werden könnten. Vielleicht kann so auch verloren gegangenes Vertrauen wiedergewonnen werden.

Der Autor ist Bischof von Mainz und Vorsitzender der Deutschen Bischofkonferenz, vertritt hier jedoch seine persönliche Meinung.

Hinweis: Dieser Text ist am 22. Juli in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung unter der Rubrik „Fremde Federn" erschienen .

Bischöfliche Pressestelle Mainz

Mainz, 22. Juli 2002

 

Pfarrer beurlaubt – Pfarradministrator bestellt 

Bistum beauftragt Pfarrer Ulrich Jung mit vorläufiger Pfarradministration in Rüsselsheim 

Mainz/Rüsselsheim. Nach der Beurlaubung des Pfarrers der Gemeinde Rüsselsheim-Hassloch, Norbert E., wegen der gegen ihn erhobenen Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen wird die Bistumsleitung nun den Pfarrer der Nachbargemeinde Rüsselsheim-Königstädten, Ulrich Jung, zum vorläufigen Pfarradministrator bestellen, sobald er von einer Ferienreise zurück ist. Diese vorläufige Regelung wurde zwischen Vertretern der Bistumsleitung und dem Pfarrgemeinderat der Gemeinden Dreifaltigkeit und Auferstehung Christi in Rüsselsheim-Hassloch am Abend des 18. Juli 2002 besprochen. Außerdem wurde die Vertretung in den Gottesdiensten während der Urlaubszeit geregelt.

Pfarradministratoren haben dieselben Rechte und Pflichten wie ein Pfarrer. Sie sind für die von ihnen verwalteten Pfarreien verantwortlich. Eine Neubesetzung der Pfarrei in Rüsselsheim-Hassloch kann erst nach dem endgültigen Ausscheiden des bisherigen Pfarrers sowie einer Neuausschreibung der dann vakanten Pfarrstelle erfolgen. Unterdessen wurde seitens des Pfarrgemeinderats erklärt, die Gemeinde „sei keineswegs verlassen": „Die Verantwortlichen des Pfarrgemeinderates sind die ganze Zeit mit aller Kraft bemüht, innerhalb der Pfarrgemeinde Hilfestellung zu leisten."

Unterdessen läuft die kircheninterne Vorermittlung gegen den betroffenen Priester unter Leitung des Justitiars des Bistums weiter. Im Rahmen dieses Vorermittlungsverfahrens werden die be- und entlastenden Beweise erhoben. Nach Abschluss dieses Verfahrens (vgl. CIC can. 1717) entscheidet der Bischof, ob der Fall nach den geltenden kirchenrechtlichen Bestimmungen offiziell nach Rom berichtet werden muss; in diesem Fall entscheidet man dort über das weitergehende Verfahren. Parallel zu den kircheninternen Untersuchungen läuft die strafrechtliche Ermittlung, die von der Staatsanwaltschaft Darmstadt geleitet wird. Das Bistum hatte von Anfang an die Staatsanwaltschaft – auch auf Bitte des betroffenen Priesters – eingeschaltet.

Bischöfliche Pressestelle Mainz
Mainz, 19. Juli 20

 

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Ein Anruf bei Generalvikar Werner Guballa (57) zum Vorwurf des sexuellen Missbrauchs gegen einen Rüsselsheimer Priester im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel". 

Frage: Sie haben den betreffenden Priester beurlaubt, obwohl er selber weiterhin bestreitet, die ihm vorgeworfenen Taten begangen zu haben. Warum?

Guballa: Wenn es eine Anschuldigung gibt, dann wird sie von uns geprüft und zunächst diskret behandelt. Es wird sehr genau nachgefragt, was vorliegt und was dran ist an der Sache, um dem Beschuldigten wie dem eventuellen Opfer gerecht zu werden. Dabei muss auch immer unterschieden werden zwischen einem Gerücht, einer Vermutung und stichhaltigen Vorwürfen. In dem vorliegenden Fall gab es von keiner Stelle, an welcher der Betreffende tätig war, einen eindeutigen Hinweis auf ein sexuelles Fehlverhalten. Jetzt gibt es einen Verdacht, und deshalb haben wir den Pfarrer beurlaubt.

Frage: Der Pfarrer wurde seit 1988 zweimal versetzt. Waren damals schon Gerüchte in Umlauf und spielten sie eine Rolle?

Guballa: Das waren keine Strafversetzungen, sondern ein einvernehmlicher Wechsel. Normalerweise geht der Versetzungswunsch vom Pfarrer aus, manchmal legen bestimmte Situationen einen Wechsel nahe. Auch raten wir Pfarrern und anderen hauptamtlichen pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu einem Wechsel im Sinne der persönlichen Weiterentwicklung. Hätten Stellenwechsel einen negativen Beigeschmack, dann käme jedesmal die Frage auf: Was hat der oder die denn falsch gemacht?

Frage: Für die Bistumsleitung ist es schwierig, Vorwürfe sexuellen Fehlverhaltens zu verifizieren. Kardinal Karl Lehmann spricht von einem „Lernprozess". Wäre es hilfreich, eine Art „Stufenplan" zu haben? Wie könnte der aussehen?

Guballa: Klar ist, dass es kein Vertuschen gibt. Ob eine Art Stufenplan weiterhelfen kann, weiß ich nicht. Jeder Plan muss aber berücksichtigen, dass wir ernsthaften Vorwürfen nachgehen, aber keine Vorverurteilung ausgesprochen wird.

Frage: Den Bistumsleitungen wird immer wieder vorgeworfen, in solchen Fällen betroffene Personen zu versetzen...

Guballa: Nein. Versetzen ist keine Antwort, sondern aufklären. Wir haben bei dem betreffenden Pfarrer bisher nur einen Verdacht, keinen Beweis. Es gibt mehr Fragen als Antworten. Und wir sind froh, diesen Fragen nicht ausgewichen zu sein.

Frage: Durch die Berichte sind viele Leute in den Gemeinden und die Priester selber verunsichert. Beunruhigt Sie das?

Guballa: Ich glaube nicht, dass die Gemeinden verunsichert sind. Das ist ja eine einzelne, nicht geklärte Anschuldigung. Es ist doch so, dass jede Gemeinde ihren Pfarrer kennt und Vertrauen zu ihm aufgebaut hat. Dort gibt es eine gegenseitige Aufrichtigkeit, sich nicht durch Gerüchte zu schädigen und bei irgendwelchen Vorfällen auch die nötigen Schritte einzuleiten.

Frage: Wie ist die Pfarrgemeinde in Rüsselsheim informiert worden? Wie hat sie reagiert?

Guballa: Noch in dieser Woche werde ich mit dem Personaldezernenten ein Gespräch mit dem Pfarrgemeinderat vor Ort führen.

Anrufer: Edwin Burger

Impressum: 

Glaube und Leben
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Liebfrauenplatz 10
Tel. 0 61 31 / 2 87 55-0
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Bistum Mainz nimmt zu Pädophilie-Vorwürfen Stellung 

Der SPIEGEL verbreitet in seiner heutigen Ausgabe gegen einen Priester des Bistums Mainz den Verdacht, einen ihm zur Personensorge anvertrauten 14jährigen Jugendlichen sexuell missbraucht zu haben. Unmittelbar nach dem Bekanntwerden der ersten Vermutungen in dieser Richtung hat das Bistum mit der Information des Jugendamtes und – auch auf Bitten des Betroffenen – der zuständigen Staatsanwaltschaft die ersten notwendigen Schritte eingeleitet. Bis zur Klärung der Vorwürfe ist der Betroffene von seinen priesterlichen Ämtern beurlaubt. Die notwendige innerkirchliche Untersuchung ist eingeleitet. Im übrigen nehmen wir Bezug auf die Erklärung des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz vom 14. Juli 2002.

Dr. Werner Guballa
Generalvikar des Bistums Mainz

Mainz, 15. Juli 2002

 

Stellungnahme des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Kardinal Lehmann, um Bericht des SPIEGEL vom 15. Juli 2002 „Vertuschen und Versetzen“ 

In seiner morgigen Ausgabe behandelt der SPIEGEL das Thema pädophiler Straftaten von Priestern.

Dabei stützt er sich auf Einzelfälle, deren Darstellung auch mich sehr beunruhigt. Wir werden dieser Berichterstattung rasch und intensiv nachgehen und gegebenenfalls nicht davor zurückschrecken, die nötigen Konsequenzen zu ziehen. Besonders schmerzt mich das Leid, das den Opfern in solchen Fällen zugefügt wird.

Die Deutsche Bischofskonferenz erörterte eingehend Maßnahmen zur Prävention und Aufarbeitung von Fällen pädophilen Fehlverhaltens kirchlicher Mitarbeiter und wird diese auf der kommenden Herbstvollversammlung im September verabschieden. Wir müssen uns allerdings selbstkritisch fragen, ob wir diesbezüglich nicht noch konsequenter werden vorgehen müssen. Allerdings stoßen wir dabei nicht selten an die Grenzen einer schnellen und verlässlichen Aufklärbarkeit. Reichen die Indizien, wird der Betreffende sofort vom Dienst suspendiert, wie ich bereits im Gespräch mit dem SPIEGEL vom 24. Juni 2002 / Nr. 26 erklärt habe.

Wir wissen uns hier im Einklang mit den Forderungen des Papstes und den Regelungen der US-Bischofskonferenz. Die Kirche befindet sich wie die Gesellschaft in einem Lernprozess über diese ernste Problematik.

Mainz/Bonn, den 14. Juli 2002