Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf hat ein umfangreiches Qualifizierungsprogramm für alle pastoralen Mitarbeitenden des Bistums angekündigt. Zur Vorbereitung auf anstehende Veränderungen im Zusammenhang mit dem Pastoralen Weg werden ab Februar dieses Jahres insgesamt 850 Menschen unterschiedlicher Berufsgruppen geschult, wie sie diese Prozesse unterstützen und begleiten können. Interview mit Annette Reithmeier-Schmitt, Projektreferentin Qualifizierungsmaßnahmen Pastoraler Weg, Referentin für Kirchliche Organisationsberatung.
Mainzer Bistumsnachrichten (MBN): Was hat es mit dem Qualifizierungsprogramm auf sich, das Bischof Peter Kohlgraf in seinem Brief an die Mitarbeitenden des Bistums angekündigt hat?
Annette Reithmeier-Schmitt: Die Abteilung Fortbildung und Beratung begleitet und unterstützt alle Mitarbeitenden des Bistums Mainz schon seit Jahrzehnten durch Fortbildungsangebote und Beratung, wie zum Beispiel Coaching und Supervision. Neu ist die Vorgehensweise der Bistumsleitung, die beschlossen hat, im Hinblick auf den Pastoralen Weg eine verbindliche Fortbildungsreihe für unterschiedliche Berufsgruppen zur Verfügung zu stellen. Ziel ist, dass die Mitarbeitenden das richtige Rüstzeug bekommen, um mit den Herausforderungen des Pastoralen Weges zeitgemäß und zuversichtlich umgehen zu können. Und damit sie die Veränderungsprozesse aktiv mitgestalten können, sowohl in den Pastoralen Räumen, als auch im Bischöflichen Ordinariat. So hat es auch der Bischof in seinem Brief beschrieben. Die Frage ist, wie können wir so arbeiten, dass wir weiter in einem guten Gespräch mit den Menschen über die Frohe Botschaft bleiben? Wie sind wir gut für die Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen da? An diesen Leitfragen orientieren wir uns.
MBN: Was ist neu daran?
Reithmeier-Schmitt: Neu ist, dass der Rahmen und die Inhalte für die pastoralen Mitarbeitenden verbindlich und gleich sind. Rund 850 Menschen setzen sich mit den gleichen Fragestellungen und Themen auseinander.
MBN: Was wollen Sie damit erreichen?
Reithmeier-Schmitt: Dadurch wollen wir erreichen, dass eine gemeinsame Handlungsfähigkeit und gemeinsame Sprache entwickelt und trainiert werden. So unterstützen wir den Veränderungsprozess und begleiten ihn weiter. Deshalb werden die Fortbildungen über zwei Jahre stattfinden, von 2022 bis 2024. Es wird immer wieder Module geben und dazwischen Zeit, um die Erkenntnisse auszuprobieren.
MBN: Was wird angeboten?
Reithmeier-Schmitt: Wir werden drei zentrale Themen bearbeiten. Das erste Thema ist: ‚Veränderung gestalten‘. Das ist die Einstiegsqualifizierung für alle, die im pastoralen Feld tätig sind. Dieses Modul dauert eineinhalb Tage.
MBN: Was passiert in diesem ersten Modul?
Reithmeier-Schmitt: Es geht um Fragen wie: Wie gehe ich mit Veränderung um? Welche Ressourcen habe ich? Was heißt das für meine Arbeit? Wir schauen mit Blick auf das Bistum auf die Organisation und entwickeln Strategien, wie man gut durch diese Umbruchsphasen kommt. Es gibt ein Modell, an dem wir uns orientieren, in Anlehnung an die Trauerphasen nach Elisabeth Kübler-Ross. Es ist auch in der Arbeitspsychologie gültig. Dabei geht es darum, dass es verschiedene Phasen des Umgangs mit Veränderungen gibt. Und dass wir diese Phasen nicht alle gleichzeitig durchschreiten. Das verunsichert die Menschen. Während die einen noch darüber erschrocken sind, was auf sie zukommen könnte, krempeln andere schon die Ärmel hoch und entwickeln neue Ideen. Diese Phasen durchschreiten Abteilungen, Dezernate, Pfarreien, es ist ein ganz normaler Prozess. Und deshalb ist es wichtig, darum zu wissen, dass die Menschen in unterschiedlichen Phasen der Bewältigung sind. Es geht darum, ein Bewusstsein zu schaffen, dass dies nichts Bedrohliches ist. Die Mitarbeitenden sollen darin bestärkt und ermutigt werden, die Menschen entsprechend ihrer Situation mitzunehmen.
MBN: Wie geht es danach weiter?
Reithmeier-Schmitt: Der nächste Schwerpunkt ist das Thema ‚Rolle und Führung‘. Dieses Modul richtet sich an Führungskräfte, also an diejenigen, die Führungs- und Leitungsaufgaben haben. Sie erhalten durch das Modul zusätzliches Handwerkszeug und Rückenstärkung, damit sie ihre Führungsrollen verantwortlich wahrnehmen können. Das Modul richten wir an drei Zielgruppen. Zum einen an die neuen Leiter der Pastoralräume. Sie bekommen neun Fortbildungstage. Die zweite Gruppe sind die Menschen, welche die Koordination der Pastoralräume übernehmen, also Pastoralreferentinnen und -referenten, Gemeindereferentinnen und -referenten oder auch zum Beispiel Jugendreferentinnen und -referenten. Sie werden sechs Schulungstage bekommen. Eine dritte Zielgruppe sind die Führungskräfte im Bischöflichen Ordinariat. Sie haben auch neun Schulungstage. Führung und Leitung sollen auf allen Ebenen gleich handlungsfähig und sprachfähig werden. Das dritte Modul ‚Team-Entwicklung‘ richtet sich an die neuen Teams, die in den Pfarreien entstehen. Sie treffen sich drei Mal und haben insgesamt vier Fortbildungstage zur Verfügung. Sie sollen zusammenfinden und Instrumente kennenlernen, wie sie gut zusammenarbeiten können. Bearbeitet wird auch die Frage, wie Zusammenarbeit von Haupt- und Ehrenamtlichen gelingen kann.
MBN: Wo finden diese Fortbildungen statt?
Reithmeier-Schmitt: Die Seminare finden zu unterschiedlichen Terminen an unterschiedlichen Orten statt. Wir haben verschiedene Tagungshäuser gebucht, überall in der Diözese, vom Odenwald bis in den Vogelsbergkreis. Auf unserer Homepage werden alle Termine, Module und Tagungsorte aufgeführt. Unter www.bistummainz.de/qualifizierung können sich die Mitarbeitenden einbuchen.
MBN: Wer arbeitet zusammen?
Reithmeier-Schmitt: Beim ersten Modul ‚Veränderung gestalten‘ wollen wir die Mitarbeitenden bunt mischen, damit sie sich regionen- sowie berufsübergreifend kennenlernen und vernetzen können. Die Team-Qualifikation ist für das Team, das gemeinsam geschult wird. Es werden immer 12 bis 18 Leute gemeinsam geschult. Die Führungskräfte werden in ihren jeweiligen Rollen geschult, also etwa die Pfarrer gemeinsam und die Koordinatoren gemeinsam. Wir haben alles in Präsenz geplant, können die Fortbildungen aber auch digital anbieten. Manches wollen wir auch bewusst digital anbieten, um die digitale Kompetenz der Leute zu stärken. Zum einen, weil es sein kann, dass uns Corona noch lange begleitet, zum anderen ist es auch eine zielführende Möglichkeit, um gut zusammenzuarbeiten, um Distanzen zu überwinden, Zeit zu sparen und andere Leute anzusprechen.
MBN: Wer leitet die Fortbildungen?
Reithmeier-Schmitt: Wir arbeiten mit einer externen Firma zusammen, CID Partners, die schon viel Erfahrung hat in der Begleitung von Veränderungsprozessen in anderen Bistümern, etwa im Nachbarbistum Limburg und in Paderborn. Wir haben externe Trainerinnen und Trainer, die mit uns zusammen das Konzept entwickeln. Mein Kollege Jomin Pulipara und ich entwickeln mit weiteren Menschen aus dem Bistum zurzeit gemeinsam mit CID Partners die Inhalte und beraten die Abläufe. Außerdem binden wir interne Referenten und Referentinnen in die Schulungen mit ein. Es sind Personen aus den pastoralen Berufsgruppen, die im Team mit im Boot sind. Wir tun dies aus zwei Gründen: Die Internen können die Sprache der Agentur an die Gegebenheiten des Bistums anpassen. Und wir lernen im Prozess voneinander. Es ist nicht so, dass vorne eine Person steht und referiert, sondern die Lernprozesse werden initiiert, die Themen in der Gruppe und individuell bearbeitet. Die Nachhaltigkeit der Arbeit geschieht in der Auseinandersetzung damit in der Praxis während und nach den jeweiligen Modulen. Die Externen tragen Sorge für die Inhalte der Module. Sie stellen Denkmodelle und Instrumente vor und bringen die Menschen dazu ins Arbeiten, damit neue Inhalte und Arbeitsweisen eingeübt werden.
MBN: Was begeistert Sie am meisten an diesem Fortbildungsprojekt?
Reithmeier-Schmitt: Die Teilnehmenden gestalten mit und bekommen nicht einfach etwas vorgesetzt. Wir entwickeln bereits die Design- und Pilotworkshops mit Menschen aus dem ganzen Bistum und es macht allen Beteiligten richtig Spaß, ihre Kompetenzen und Einschätzungen dabei mit einzubringen. Es begeistert mich, dass das Projekt alle Ebenen im Bistum in den Blick nimmt. In der Fläche, im Ordinariat und auch die Dezernentenkonferenz: Viele setzen sich mit den Themen zusammen mit der externen Firma auseinander, um eine gemeinsame Sprache weiter zu entwickeln. Auf diese Weise sind wir gemeinsam unterwegs und wollen so zeitgemäß ausgestattet in die aktuellen Herausforderungen gehen. Und es macht mir Freude, so viele unterschiedliche Menschen mit ihren jeweils persönlich geprägten Sichtweisen und Erfahrungen im Bistum in Auseinandersetzung zu bringen. Es ist sehr wertvoll für mich, diesen Menschen in geschützten Lernräumen Wege, Haltungen und Handwerkszeug für die anstehenden Veränderungen anbieten zu können. Ich bin gespannt auf die Dynamik, die sich ergeben wird.