Das sagte Domkapitular Prälat Hans-Jürgen Eberhardt, Diözesancaritasdirektor des Caritasverbandes für die Diözese Mainz, bei einer Pressekonferenz am Montag, 14. Februar, im Haus am Dom in Mainz. Die Pressekonferenz fand anlässlich des zehnjährigen Bestehens des Ökumenischen Beratungsprojektes in der Abschiebungshaft in Ingelheim statt.
Im Rahmen des Beratungsprojektes engagieren sich der Mainzer Diözesancaritasverband und das Diakonische Werk in Hessen und Nassau (DWHN) gemeinsam in der Gewahrsamseinrichtung für Ausreisepflichtige - so die offizielle Bezeichnung der Einrichtung. Die Insassen erhalten über das Projekt eine unabhängige Verfahrens- sowie eine Rechtberatung; zudem verfügt das Beratungsprojekt über einen Sprachmittlerpool und einen Rechtshilfefonds. Eberhardt wies darauf hin, dass man über das Projekt in den vergangenen zehn Jahren mit rund 1.800 Personen in Haft Kontakt gehabt habe. „Viel Unfassbares wurde gehört, viele Unterstützungsmaßnahmen wurden versucht. Menschliche Schicksale wurden sichtbar, waren persönlich greifbar, haben uns das Leid der Flucht und Verfolgung deutlich vor Augen geführt", sagte Eberhardt.
Pfarrer Dr. Wolfgang Gern, Vorstandsvorsitzender des DWHN, wies auf die Missstände der Einrichtung hin: „Abschiebungshaft macht krank. Daher darf Abschiebungshaft nur als ,Ultima ratio‘ angewendet werden. Traumatisierte Menschen oder auch minderjährige Flüchtlinge gehören nicht in Abschiebungshaft. Und der Vollzug der Abschiebungshaft muss sich deutlich von dem nach einer Straftat unterscheiden." Weiter sagte er: „Wir halten die Unterbringung von Flüchtlingen und Migranten unter Gefängnisbedingungen zum Zwecke der Vollstreckung eines Verwaltungsaktes für überzogen und inhuman." Vor diesem Hintergrund erscheine die Abschiebungshaft in Ingelheim als „überdimensioniert". Außerdem äußerten sich beide Verbände kritisch zum so genannten Dublin-II-Verfahren, wonach derjenige EU-Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist, in dem ein Flüchtling zum ersten Mal registriert wird.
Auch Karl Kopp, Europareferent von Pro Asyl, setzte sich für eine solidarische und menschenrechtskonforme Asylzuständigkeitsregelung ein. Täglich würden Schutzsuchende in Deutschland inhaftiert und zwangsweise in ein anderes EU-Mitgliedsland zurückgeschickt. „Heute steht in Deutschland und Europa nicht mehr der Fluchtgrund im Zentrum des Asylverfahrens, sondern der Fluchtweg", sagte Kopp. „Solidarität statt Abwehr - eine europäische Gesamtlösung für den Schutz von Flüchtlingen ist die Antwort auf die humanitäre Krise an der griechisch-türkischen Grenze und anderswo", betonte er.
Im Rahmen der Pressekonferenz wurde auch die Publikation „Zwischen Traum und Träume. Innen-Ansichten aus der Abschiebungshaft Ingelheim" der Autorin Alena Thiem vorgestellt. Thiem hatte im Sommer 2009 im Auftrag von DWHN und Caritas Gefangene in Ingelheim besucht und die Geschichten von drei Männern und zwei Frauen aufgeschrieben. „Mein Anliegen ist es, mit dem Buch die Geschichten Einzelner nach außen zu tragen, um eine Öffentlichkeit für die Betroffenen der Institution Abschiebungshaft zu schaffen und die kritische Auseinandersetzung im Alltag mit den Mechanismen der Abschiebungspolitik und -logik zu fördern", sagte sie. Die ausgewählten Geschichten seien sehr persönliche Schilderungen und stünden zugleich beispielhaft für die Menschen, die in Ingelheim inhaftiert seien.
Hinweis: „Zwischen Traum und Trauma. Innen-Ansichten aus der Abschiebungshaft in Ingelheim". Herausgegeben vom Diakonischen Werk in Hessen und Nassau und dem Caritasverband für die Diözese Mainz, Loeper Literaturverlag, Karlsruhe, 2010, ISBN: 978-3-86059-436-0