Burnout-Problematik brennt vielen auf den Nägeln

Diözesantag der Betriebs- und Personalräte mit 120 Teilnehmern

1-betriebraetetag-jpg (c) Bistum Mainz / Orthlauf-Blooß (Ersteller: Bistum Mainz / Orthlauf-Blooß)
Datum:
Do. 22. Sept. 2011
Von:
Sk (MBN)
Mainz. Gegen das immer weiter um sich greifende Phänomen des Burnouts, des „Ausgebranntseins“, das sich in massiver geistig-seelischer und körperlicher Erschöpfung manifestiert, gibt es kein spezifisches Medikament, auch kein „Patentrezept“, wohl aber eine Vielzahl vorbeugender und heilender Maßnahmen, die es stärker zu nutzen gilt.

Diese Perspektive stand am Mittwoch, 14. September, am Ende des diesjährigen Diözesantags der Betriebsräte und Personalräte und Mitarbeitervertretungen im Bistum Mainz, der im Bildungszentrum Erbacher Hof in Mainz unter Leitung der Betriebsseelsorge durchgeführt wurde. Am Vormittag beleuchteten Experten mit Erfahrungsberichten die Problematik, und am Nachmittag galt es für die rund 120 Teilnehmer, in acht Workshops Handlungsansätze zu suchen. Durch das Programm führten die Leiter der Regionalstellen der Betriebsseelsorge: Richard Kunkel, Bad Nauheim, Maria-Theresia Gresch, Offenbach, Ingrid Reidt, Rüsselsheim, Hans-Georg Orthlauf-Blooß, Mainz, und Bruno Schumacher, Darmstadt.

„Feuer und Flamme. Ausgebrannt!"

Der Diözesantag stand unter dem Thema „Feuer und Flamme. Ausgebrannt! Wenn Menschen an ihre Grenzen stoßen." Thematisch ging es dabei vor allem um Belastungen am Arbeitsplatz und Erschöpfungszustände sowie Hilfestellungen und Prävention. Im Einleitungsreferat beschrieb Diplom-Psychologin Dr. Margrit Kölbach von der Technologieberatungsstelle (TBS) des DGB in Hessen die Veränderungen in der Arbeitswelt mit den daraus resultierenden psychischen Belastungen.

In den Betrieben lösten Umstrukturierungen Ängste und Verunsicherungen aus. Besonders belastend seien neue Steuerungssysteme mit harten Zielvorgaben, Projektarbeit und Controlling sowie Dokumentations- und Evaluationspflichten, unterstrich Kölbach. Trotz des ständigen Zeit- und Leistungsdrucks und der starken Zunahme der psychischen Belastungen werde kaum offen über Stress und Überbelastung gesprochen, bedauerte sie. Die Referentin erklärte, dass Burnout als Erschöpfungszustand sich nach und nach entwickelt, ohne dass der Betroffene es selbst merke. Es existiere keine einheitliche gültige Definition. Eine Diagnose sei nicht leicht. Notwendig sei vielfach die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und des Betriebsklimas. Für die Betroffenen sei es wichtig, fachliche Hilfe bei Ärzten und Therapeuten zu suchen, das „Nein"-Sagen zu üben und das Selbstbewusstsein zu stärken.

Erfahrungsberichte

Die Betriebsratsvorsitzende des Gesundheits- und Pflegezentrums Rüsselsheim, Antje van Klev, berichtete: „Wir haben als Betriebsrat gemerkt, welchen Veränderungen wir ausgesetzt sind." Deshalb habe der Betriebsrat eine Steuerungsgruppe zum Arbeits- und Gesundheitsschutz der rund 1.600 Mitarbeiter gebildet. Der Leiter des DAK-Regionalzentrums in Mainz, Roland Peters, vermittelte Daten und Erkenntnisse aus dem Gesundheitsreport der Deutschen Angestellten-Krankenkasse. Er verwies darauf, dass 71 Prozent ihren Arbeitsalltag als belastend, 20 Prozent sogar als sehr belastend empfänden. Die psychischen Erkrankungen seien im letzten Jahr um 13 Prozent gestiegen, im Jahr davor um zehn Prozent.

Kirchliche Mitarbeiter genauso betroffen

Vor den kirchlichen Einrichtungen macht das Burnout-Syndrom naturgemäß nicht Halt. Personaldezernent Eberhard Hüser, der die 800 pastoralen Mitarbeiter/innen besonders in den Blick nahm, sagte, dass sich auch kirchliche Mitarbeiter fragen müssten: „Welchen Stress machen wir uns gegenseitig?" Das Bistum biete seit einiger Zeit Workshops zur Burnout-Problematik an. Er verwies auf das im Januar 2011 herausgegebene Heft „Das Burnout-Syndrom", das in der Reihe „Pastorale Richtlinien" (Nr. 17) der Diözese Mainz erschienen ist. Im Geleitwort erklärt der Bischof, Kardinal Karl Lehmann, mit dem Heft solle ein Prozess angestoßen werden - zunächst auf drei Jahre hin angelegt - um Erfahrungen zu sammeln und auszuwerten. Darüber hinaus seien Schulungen der Abteilungsleiter und der Mitarbeitervertretungen geplant, um das Thema Burnout stärker im Bewusstein aller zu verankern. Seelsorgeamtsleiter Prälat Heinz Heckwolf hatte zu Beginn des Diözesantags festgestellt: „Würde Bischof Ketteler heute leben, hätte er sich mit Sicherheit mit der Burnout-Problematik befasst und Vorschläge unterbreitet, den Betroffenen zu helfen."

Bei den Workshops am Nachmittag ging es unter anderem um Überforderung im Bereich Soziale Arbeit und Pflege (Klinikseelsorger Dr. Bernhard Deister, Heppenheim), Gesprächsführung mit Betroffenen (Klinikseelsorgerin Heike Knögel, Mainz), um Angst vor psychologischer und psychiatrischer Hilfe (Oberarzt Dr. Ingo Weisker, Riedstadt), um Lebensfreude trotz Angst (Pater Wolfgang Öxler OSB, Kloster Jakobsberg), sowie in den weiteren Workshops um das Erkennen von Burnout, Hilfen und Prävention. Aus den Fragebögen der Veranstaltungsbeurteilung, die von den Teilnehmern ausgefüllt wurden, ging hervor, dass sie mit dem Diözesantag sehr zufrieden waren, und vor allem aus den Workshops wertvolle Anregungen und Hilfen mit nach Hause nehmen konnten.

Sozialethische Bewertung

In einem abschließenden Referat nach den Workshops bot Betriebsseelsorger Guido Lorenz, Stuttgart, eine sozialethische Bewertung der Burnout-Problematik. Dabei stellte er fest: „Ideal wäre es, wenn wir uns rechtzeitig ändern könnten und merken würden, dass die Balance zwischen Anspannung im Job und Erholung aus dem Gleichgewicht zu geraten droht." Es gelte, über sich selbst nachzudenken, um ein Grundgefühl des Vertrauens und Zutrauens in sich selbst zu entwickeln. Der Leiter des Referats Betriebsseelsorge, Bernd Krämer, erklärte im Schlusswort, die hohe Teilnehmerzahl habe deutlich gemacht, wie sehr die Problematik vielen auf den Nägeln brennt. Er dankte allen für ihre Mitwirkung, besonders Guido Lorenz, weil er die Sicht des Evangeliums herausgestellt habe: „Nicht Leistung und Nützlichkeit definieren den Menschen, sondern die ihm von Gott geschenkte Würde.