Mainz. Das 21. Bischofstreffen zur Solidarität mit den Christen im Heiligen Land ist am Mittwoch, 20. Januar, - coronabedingt als Online-Konferenz - zu Ende gegangen. Seit dem 16. Januar 2021 war eine Delegation von 16 Bischöfen aus elf europäischen und nordamerikanischen Bischofskonferenzen sowie aus Südafrika zu mehreren Videokonferenzen zusammengekommen, um sich über die Situation der Christen im Heiligen Land auszutauschen. Dabei standen die verheerenden Folgen der Corona-Pandemie sowie die immer weiter durchgreifende Trennung zwischen Israel und den palästinensischen Gebieten im Mittelpunkt der Gespräche.
Für die Deutsche Bischofskonferenz nahm Weihbischof Dr. Udo Markus Bentz (Mainz), Vorsitzender der Arbeitsgruppe Naher und Mittlerer Osten der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz, an dem Treffen teil: „Die Pandemie hat eine Reise zum Internationalen Bischofstreffen in diesem Frühjahr nicht zugelassen. Es ist während der Online-Konferenzen einmal mehr deutlich geworden, wie viel verloren geht, wenn wirkliche Begegnung nicht möglich ist. Dennoch bin ich dankbar, dass wir wenigstens in dieser reduzierten Form einige Menschen treffen und unsere Solidarität mit den Christen im Heiligen Land ausdrücken konnten. Berührend waren für mich die Gespräche mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Caritas im Gazastreifen und Schülern und Lehrern einer katholischen Schule im Westjordanland. In ihren Erfahrungsberichten spiegelten sich alle Schwierigkeiten des Heiligen Landes, von denen wir zuvor gehört hatten“, sagte Weihbischof Bentz. „Bei allen Schwierigkeiten und problematischen Entwicklungen im Schulbereich war es beeindruckend zu hören, wie Lehrer und Schüler sogar in dieser Situation über ihre Hoffnungen, ihre Perspektiven und Chancen sprechen.“
Der neue Lateinische Patriarch von Jerusalem, Erzbischof Pierbattista Pizzaballa, hob die Bedeutung hervor, die der Friedensarbeit in der Region insgesamt zukommt. Nachdem er in den zurückliegenden Jahren als Administrator des Patriarchats vor allem mit Verwaltungs- und Finanzfragen befasst gewesen sei, könne er nun pastorale und soziale Themen in den Mittelpunkt stellen. Geistliches Leben, pastorale Begleitung sowie das Wirken der Christen für die Gesellschaft seien ihm wichtige Anliegen. Das gelte auch für das ökumenische Gespräch und den interreligiösen Dialog.
Das dominierende Thema war die Corona-Pandemie mit ihren unterschiedlichen Auswirkungen auf die Menschen in Israel und in den palästinensischen Gebieten. Während in Israel eine im Weltmaßstab beeindruckende Impfkampagne umgesetzt wird, stehen die palästinensischen Gebiete noch ganz am Anfang. Sami el-Yousef, der Geschäftsführer des Lateinischen Patriarchats, berichtete von einer Verdoppelung der Arbeitslosigkeit im Westjordanland. Davon seien insbesondere die Christen betroffen, die vielfach im Tourismussektor beschäftigt seien. Nach den enormen Wachstumsraten der vergangenen Jahre sei der Markt gänzlich eingebrochen. Laufende Einnahmen seien weggefallen und viele Familien blieben auf ihren Schulden sitzen, sagte el-Yousef. Nach Auskunft der Gesprächspartner aus dem Heiligen Land plane Israel die Impfkampagne bis Ende März abzuschließen. Sollten im Laufe des Sommers wieder Pilger ins Land reisen, muss sichergestellt werden, dass auch die Heiligen Stätten im Westjordanland und nicht nur in Israel und Jerusalem besucht werden können. Auch dafür bedarf es einer zwischen israelischen und palästinensischen Behörden abgestimmten Impfstrategie. Andernfalls droht ein weiteres Auseinanderdriften der christlichen Gemeinden, die je nach Wohnort ganz unterschiedliche Chancen haben, am Aufleben der Pilgerreisen partizipieren zu können.
In den weiteren Gesprächen zur Impfstrategie Israels wurde zudem an die völkerrechtliche Verpflichtung erinnert, die sich für Israel in der Gesundheitsvorsorge für die Palästinenser ergebe. Israel muss die Impfungen auf alle Einwohner ausweiten, für die es in der Westbank verantwortlich ist. Bisher kommt der Staat dieser Verpflichtung in keiner Weise nach. Sie wird sogar konterkariert, indem die Bewohner der israelischen Siedlungen im Westjordanland in das Impfprogramm eingeschlossen sind, ihre palästinensischen Nachbarn aber nicht berücksichtigt werden.
Die politische Situation wurde mit wenig Hoffnung auf Veränderung geschildert. Es greife eine Resignation bei vielen Palästinensern weiter um sich. Der Umsetzung einer Zwei-Staaten-Lösung stünden mehr und mehr Menschen skeptisch gegenüber. Auch der Vertrauensverlust vieler palästinensischer Jugendlicher gegenüber ihrer Führung bereite Sorge. „Wir Bischöfe sind uns einig: Die internationale Gemeinschaft muss sich wieder viel stärker für eine Friedenslösung engagieren – die letztlich nur die Frucht von direkten Verhandlungen zwischen Palästina und Israel sein kann“, betonte Weihbischof Bentz. Niemand dürfe die Situation als ein neues „Normal“ akzeptieren. „Besatzung kann keinen dauerhaften Frieden schaffen – und wird einer guten Entwicklung auch der Palästinenser immer im Weg stehen.“
Die Gespräche mit dem katholischen Pfarrer in Gaza-City, Pater Gabriel Romanelli, und Vertretern der Caritas führten die dramatischen Folgen einer „doppelten Blockade“ des Gazastreifens vor Augen. Zu der Abriegelung durch Israel seien die strengen Auflagen der Hamas-Regierung zur Corona-Eindämmung hinzugekommen, sagte Pater Romanelli. Das stelle für die Christen eine große Belastung dar. In dieser kritischen Situation setzten die Berichte der Gesprächspartner aus Gaza ein eindrucksvolles Zeichen der Zuversicht, wenn beispielsweise der ambulante Service der Caritas nach offiziellen Angaben der lokalen Behörden über die Hälfte aller Hausbesuche im Gazastreifen übernimmt.
„Die wenigen Christen sind stark in ihrem Engagement, sie sind echte Hoffnungsträger. An ihnen sieht man, was möglich ist, wenn man nicht nur Optimismus, sondern Hoffnung in sich trägt. Sie sind unverzichtbare Garanten für den gesellschaftlichen Zusammenhalt“, fasste Weihbischof Bentz seine Eindrücke zusammen. „Sind die Christen in Zahlen auch nur eine kleine Gruppe, so leisten sie doch großartige und unverzichtbare Dienste für die Menschen. Ihre Institutionen, in denen sich Christen und Muslime gemeinsam engagieren, sind wichtige Zeichen. Sie arbeiten gemeinsam für Gerechtigkeit, Versöhnung und Frieden, indem sie Kranke besuchen und sich um die Alten und die Menschen am Rande kümmern. Glaube, Hoffnung, Liebe – ganz konkret im Kampf gegen die Pandemie“, so Weihbischof Bentz.
Das Internationale Bischofstreffen ruft in seiner Abschlusserklärung zur Solidarität und zum gemeinsamen Gebet für die Christen im Heiligen Land auf. „Ihr Beispiel zeigt, dass es keine Frage von Zahlen ist, ob Christen einen Unterschied für die Gesellschaft ausmachen. Ihr Einsatz unter schwierigen Bedingungen macht uns demütig. Mit ihrem Leben aus dem Glauben leisten sie Erstaunliches für das Heilige Land“, sagte Weihbischof Bentz. „Wenn die Situation es wieder zulässt, sollten alle Pilger im Land Jesu in Offenheit die Begegnung mit den heute dort lebenden Christen suchen und sich von ihrem Zeugnis anrühren lassen.“
Am digitalen Bischofstreffen haben neben Weihbischof Bentz teilgenommen: Erzbischof Stephen Brislin (Kapstadt, Südafrikanische Bischofskonferenz); Bischof em. Michel Dubost (Evry, Französische Bischofskonferenz); Bischof Lionel Gendron (Saint-Jean Longueuil, Kanadische Bischofskonferenz); Bischof Felix Gmür (Basel, Schweizer Bischofskonferenz); Weihbischof Nicholas Hudson (London, Bischofskonferenz von England und Wales); Erzbischof em. Patrick Kelly (Liverpool, Bischofskonferenz von England und Wales); Weihbischof William Kenney CP (Birmingham, Bischofskonferenz von England und Wales); Bischof Declan Lang (Clifton, Bischofskonferenz von England und Wales); Bischof Alan McGuckian (Raphoe, Irische Bischofskonferenz); Bischof David Malloy (Rockford, Bischofskonferenz der USA); Bischof William Nolan (Galloway, Schottische Bischofskonferenz); Bischof Raymond Poisson (Mont-Laurier, Kanadische Bischofskonferenz); Bischof Noel Treanor (Down and Connor, Irische Bischofskonferenz) und Erzbischof Joan Enric Vives i Sicília (Urgell, Spanische Bischofskonferenz). Darüber hinaus waren Bischof Christopher Chessum als Vertreter der Kirche von England und der Rat der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) an der Veranstaltung beteiligt.