Professor Jüngel ist emeritierter Professor der Evangelisch-Theologischen Fakultät und des Philosophischen Seminars der Universität Tübingen. Seine Vorlesung stand - nach einem Zitat von Martin Luther - unter der Überschrift „‚Wir sollen Menschen und nicht Gott sein. Das ist die Summa'. Zum Wesen des Christentums". Der Mainzer Bischof, Kardinal Karl Lehmann, hatte als Inhaber der diesjährigen Stiftungsprofessur die Vorlesungsreihe unter die Überschrift „Weltreligionen - Verstehen, Verständigung, Verantwortung" gestellt.
Der Tod Jesu Christi am Kreuz sei „das Frieden schaffende Heilsereignis schlechthin", sagte Jüngel. „Der Gekreuzigte ist der personifizierte Friede." Es sei Sinn der Menschwerdung Gottes, dass der Mensch durch die Humanität Gottes „zu einem wahren Menschen" werde, der sich trotz seines Hochmutes zu seiner Schuld bekennen könne, weil ihm vergeben werde, sagte Jüngel. Dieser Friede Gottes habe „keine andere Autorität als die Bitte", hob er hervor. Deshalb könne auch die christliche Mission „nur als Bitte erfolgen und nicht erzwungen werden", wie dies teilweise in der Geschichte geschehen sei. Jüngel bezeichnete die Mission von Heiden und Juden als „konstitutiv für die Kirche". Und weiter: „Dies zu bestreiten, liefe darauf hinaus, wesentliche Teile des Neuen Testamentes zu bestreiten." Theologische und politische Korrektheit seien in dieser Frage für einen Theologen die falschen Ratgeber, fügte er an.
Der irdische Jesus stelle „eine elementare Unterbrechung des Lebenszusammenhanges seiner Welt dar", sagte Jüngel. Er habe die Welt mit Blick auf das kommende Reich Gottes in Frage gestellt. Dabei sei Jesus „kein Reformer gewesen, der sich für ein bestimmtes Programm einsetzte. Er stellte alle Programme in Frage. Das war das Beängstigende." Mit Jesu Auftreten beginne die Zeit der Gottesherrschaft. Dabei sei die Gottesherrschaft kein Ausdruck von Macht, da sie im Besonderen auch den weltlich machtlosen Menschen zukomme. „Jesus geht es um das Zusammensein Gottes mit den Menschen, das er erneuern möchte." Weiter sagte er: „Dieses Zusammensein konzentriert sich in der Person, die Gott ansagt."
Jüngel warnte vor „falschen Simplifikationen" im interreligiösen Dialog. „Der Dialog zwischen den Religionen ist nur möglich, wenn jede Religion ihr Profil so deutlich wie möglich zeigt", betonte er. Im ökumenischen Dialog sei es zwar auch notwendig, dass die Konfessionen ihr Profil deutlich machten, „aber wir müssen alles daran setzen, die Gemeinsamkeiten hervorzuheben". Die Gemeinsamkeiten seien inzwischen größer als die Unterschiede, sagte Jüngel. Als wichtigsten Unterschied und Streitpunkt im ökumenischen Gespräch bezeichnete er die Ämterfrage.
Kardinal Lehmann hatte in seiner Einführung die wissenschaftliche Arbeit von Professor Jüngel als „großes Werk" bezeichnet. Ähnlich wie Karl Rahner habe Jüngel „immer auch die Verbreitung soliden theologischen Wissens für eine größere Öffentlichkeit gesucht", sagte Lehmann, der auch das Kolloquium nach Jüngels Vortrag moderierte. Die Gastvorlesung war der fünfte von insgesamt elf Abenden der diesjährigen Mainzer Stiftungsprofessur. Wie schon bei allen anderen Vorlesungen war der mit 1.200 Plätzen größte Hörsaal der Mainzer Universität wieder voll besetzt gewesen.
Die nächste Gastvorlesung der Mainzer Stiftungsprofessur übernimmt am Dienstag, 2. Juni, Professorin Dr. Dr. h.c. Gudrun Krämer vom Institut für Islamwissenschaft der Freien Universität Berlin. Krämer spricht zum Thema „Einheit, Vielfalt und die Spannung zwischen diesen beiden: Eine Einführung in den Islam". Die Vorlesung mit anschließendem Kolloquium findet von 18.15 Uhr bis etwa 20.00 Uhr im Hörsaal RW 1 (Neubau Recht und Wirtschaft) auf dem Campus der Johannes Gutenberg-Universität Mainz statt.
Hinweis: Weitere Informationen im Internet unter http://www.stiftung-jgsp.uni-mainz.de/