In seiner Predigt ging Lehmann auf das Bild des guten Hirten für das Verständnis des bischöflichen und priesterlichen Dienstes ein, das auch auf dem Gedenkbildchen zu seinem Jubiläum abgebildet ist. Wörtlich sagte der Kardinal: „Ein guter Hirte muss den Mut haben, aus dem Glauben heraus eine verlässliche Orientierung vorzugeben. Er darf sich nicht bequem anpassen. Er darf aber auch nicht hartherzig sein, sondern soll Mitgefühl, Geduld und Barmherzigkeit für die aufbringen, die an Schwächen leiden."
Der Mainzer Dom war zum Jubiläumsgottesdienst vollbesetzt, die Menschen standen bis auf die Treppe des Ostchores. Beim Auszug durch den Dom setzte herzlicher Applaus für Kardinal Lehmann ein. Schon bei der Gratulation des Mainzer Generalvikars, Prälat Dietmar Giebelmann, zu Beginn des Gottesdienstes und nach der Predigt von Kardinal Lehmann hatte es spontanen Applaus der Gläubigen gegeben. An den Ausgängen des Domes wurde nach dem Gottesdienst die 56-seitige Sonderausgabe der Bistumszeitung „Glaube und Leben" zum Jubiläum verteilt.
Lehmann war am 23. Juni 1983 von Papst Johannes Paul II. zum Bischof von Mainz ernannt worden. Sein Vorgänger, Kardinal Hermann Volk, weihte ihn am 2. Oktober 1983 im Mainzer Dom zum Bischof. Als bischöflichen Wahlspruch wählte Lehmann ein Wort aus dem ersten Korintherbrief des Apostels Paulus: „State in fide - Steht fest im Glauben (1 Kor 16,13)". In der Reihe der Mainzer Oberhirten seit Bonifatius (gestorben 754) ist Kardinal Lehmann erst der fünfte Bischof, der sein 30. Bischofsjubiläum im Amt begehen kann. Lehmanns Priesterweihe erfolgte am 10. Oktober 1963 in Rom durch Kardinal Julius Döpfner.
Ein guter Hirte müsse „ein Freund des Lebens sein", sagte Lehmann. Als solcher werde er die Menschen lehren, „das wahre Leben zu suchen und diese nicht zu verwechseln mit einem augenblicklichen Überschwang in einem Rausch." Weiter sagte der Kardinal: „Der wahre Hirte vergisst nicht, dass er für alle da ist, nicht nur für die fetten und starken Tiere, die er freilich auch nicht verachtet. Er kümmert sich um alle, die sich verlaufen haben, die verloren gegangen sind, die selbst nicht mehr laufen können und wund sind." Und weiter: „Der gute Hirt hat so ein Herz für die Armen, die Kleinen, die Schwachen. Ganz besonders auch für alle, welche in ihrem Leben an den Rand gekommen sind. Er tritt für ihre Würde, ihre Gerechtigkeit und für ihr Lebensrecht ein." In einem weiteren Punkt charakterisiert Lehmann den guten Hirten als „mutig und wachsam". „Er läuft vor Gefahren nicht davon und schützt die ihm anvertrauten Schafe. Er will nicht sich selbst weiden, er macht keinen Gewinn, wobei nicht nur ein materieller gemeint ist, sondern auch Ansehen und Prestige. Er riskiert für andere den Einsatz des eigenen Lebens und kämpft gegen alle Formen der Verfolgung und der Unterdrückung."
Das Motiv des Hirten sei vor allem deshalb theologisch-spirituell und pastoral zu reich, weil es alle Seelsorge und Theologie in dem guten Hirten verankere, „der Gott selber ist und uns in Jesus Christus nahe bleibt auf allen verschlungenen und verführerischen Wegen unseres Lebens. Es bezieht sich auf alle enschen ohne Ausnahme." Abschließend sagte Lehmann: „Es war und ist mir eine Freude, in diesem Geist Priester und Bischof sein zu dürfen und nicht zuletzt auch junge Menschen für diesen Dienst zu begeistern. Gewiss bin ich immer wieder hinter diesem Maß zurückgeblieben. Darum bedarf ich der Barmherzigkeit Gottes und der Nachsicht der Menschen. Aber es ist ein Weg, der in allem Freude macht. Dafür möchte ich mit ihnen allen danken."
Schreiben von Papst Franziskus / Grußwort von Erzbischof Zollitsch
Am Ende des Gottesdienstes verlas der Mainzer Domdekan, Prälat Heinz Heckwolf, ein Gratulationsschreiben von Papst Franziskus zum Goldenen Priesterjubiläum von Kardinal Lehmann. Darin heißt es: „Der selige Papst Johannes Paul II., unser Vorgänger, hat Dich im Blick auf Deine seelischen und intellektuellen Gaben am 23. Juni 1983 zum Bischof der Diözese Mainz ernannt, die Du bis jetzt
unermüdlich leitest. Derselbe Papst hat Dich im Blick auf Deine pastoralen Bemühungen und Deine Befähigungen in verschiedenen Bereichen im Jahr 2001 in das Kollegium der Kardinäle berufen." In dem Schreiben erteilt Papst Franziskus Kardinal Lehmann und den Gläubigen im Bistum Mainz seinen Apostolischen Segen.
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Dr. Robert Zollitsch (Freiburg), überbrachte mit seinem Grußwort die Glück- und Segenswünsche der Deutschen Bischofskonferenz. „Stets bist Du der ‚Pastor Bonus', der ‚Gute Hirte' der Dir anvertrauten Herde geblieben, dessen Bild Dir bei Deiner Priesterweihe vor fünfzig Jahren vor Augen stand", sagte Zollitsch. „Deine ruhige Sachlichkeit und Deine aufrechte Gesprächsbereitschaft haben Dir dabei Gehör und Anerkennung weit über die Grenzen des Bistums Mainz hinaus und über die Grenzen der Kirche hinaus auch in Politik und Gesellschaft verschafft."
Wörtlich sagte Zollitsch: „Deine Neigung , eher das Verbindende zu suchen, anstatt das Trennende hervorzuheben, kam uns Bischöfen besonders in den 21 Jahren Deiner Amtszeit als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz zugute. Du hast es verstanden, auszugleichen, zu vermitteln und zu moderieren. Stets warst Du darauf bedacht, geduldig zuzuhören, Spannungen abzubauen und zielführende Lösungen zu finden. Du hast der Kirche in Deutschland ein Gesicht gegeben, das menschenfreundlich und glaubensstark zugleich ist. Durch Dein immenses Wissen in Theologie und Philosophie und Deine intellektuelle Neugier auch in anderen Wissenschaften bringst Du die Diskussionen in der Konferenz bis heute zuverlässig nach vorne, bist ein geschätzter Ratgeber in der Kirche und weit über sie hinaus."
Gäste aus Politik, Kirche und Gesellschaft
In seiner Begrüßung hatte der Mainzer Generalvikar, Prälat Dietmar Giebelmann, unter anderen die stellvertretende Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Staatsministerin Eveline Lemke, die hessische Kultusministerin Nicola Beer und den Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling sowie den Landtagspräsidenten von Rheinland-Pfalz, Joachim Mertes, begrüßt. Weitere Ehrengäste waren der frühere Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Bernhard Vogel, sowie der ehemalige ZDF-Intendant Markus Schächter. Von kirchlicher Seite begrüßte Giebelmann neben Erzbischof Zollitsch unter anderen den Apostolischen Nuntius Erzbischof em. Karl Josef Rauber, Erzbischof em. Alfons Nossol aus Oppeln/Polen und den Kirchenpräsidenten der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), Volker Jung.
Mittagessen im Erbacher Hof
Nach dem Pontifikalamt fand für rund 100 geladene Gäste ein Mittagessen im Ketteler-Saal des Erbacher Hofes statt. Dabei überreichten Generalvikar Giebelmann und Domdekan Heckwolf dem Kardinal ein gotisches Kreuz das von der Mainzer Dombauhütte gefertigt wurde, als Geschenk des Bistums Mainz.
Die rheinland-pfälzische Staatsministerin Eveline Lemke bezeichnete Lehmann als „starkes Gesicht der Kirche in Rheinland-Pfalz". Die hessische Staatsministerin Nicola Beer würdigte im Namen der hessischen Landesregierung „die Geradlinigkeit und Menschlichkeit, die ich an ihrem Wirken immer wahrgenommenen habe". Der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling brachte seinen großen Respekt und tiefe Dankbarkeit für das Wirken von Kardinal Lehmann zum Ausdruck. Kardinal Lehmann sagte, dass der Tag für ihn Ansporn sei, seine Tätigkeit, soweit es ihm möglich sei, fortzusetzen. Generalvikar Giebelmann hatte die Tischreden beim Mittagessen moderiert.
Festkonzert am Samstagabend
Mit begeistertem Applaus und stehenden Ovationen für die Sänger und Musiker endete am Samstagabend, 5. Oktober, das Festkonzert anlässlich der Jubiläen von Kardinal Lehmann. Auf dem Programm standen neben der Sinfonie Nr. 2 op. 52 („Lobgesang") von Felix Mendelsohn Bartholdy die Uraufführung der Psalmvertonung von Psalm 97 „Der Herr ist König" des Seligenstädter Regionalkantors Thomas Gabriel. In seiner Begrüßung betonte der Mainzer Domdekan, Prälat Heinz Heckwolf, dass das Bischofs- und Priesterjubiläum Lehmann „Anlass sei, Gott einen Lobgesang anzustimmen". „Ihre Jahrestage sind eine besondere Gelegenheit, Ihnen für Ihren bischöflichen und priesterlichen Dienst insbesondere im Bistum Mainz zu danken", sagte Heckwolf.
Es musizierten die Solisten Solisten Tatjana Charalgina (Sopran), Regina Pätzer (Mezzosopran), Thomas Dewald (Tenor) und Reinhold Schreyer-Morlock (Bass) zusammen mit dem Mainzer Domchor, der Domkantorei St. Martin, dem Mädchenchor am Dom und St. Quintin, dem Philharmonischen Staatsorchester Mainz sowie mit Domorganist Daniel Beckmann an der Domorgel unter der Leitung von Domkapellmeister Karsten Storck.