Am Mittwoch, 3. Mai, war Pfarrer Dr. Matthias Leineweber aus Würzburg, zweiter Vorsitzender der Gemeinschaft Sant’Egidio e.V., zu Gast in der Bistumsakademie Erbacher Hof in Mainz. In der Bernhard-Kapelle sprach er über die Friedensarbeit der christlichen Laiengemeinschaft Sant’Egidio und zeigte die vielfältigen Gesichtspunkte auf, die benötigt werden, um dauerhaften Frieden auf verschiedenen Ebenen zu stiften. „In unserer virtuell geprägten Welt dürfen wir nicht vergessen, dass Frieden durch reelle Begegnungen entsteht“, sagte er.
Damit befeindete Konfliktparteien Frieden miteinander schließen können, sei Vertrauen die wichtigste, grundsätzliche Voraussetzung, erklärte Leineweber. Er erläuterte die „römische Formel“ von Sant’Egidio, an der sich die Friedensarbeit der Gemeinschaft orientiert: „Die drei Grundpfeiler sind Vertrauen, die Überzeugung aller Seiten, dass Frieden besser ist als Konflikt, und, dass alle beteiligten gesellschaftlichen Gruppen anerkannt werden“, zählte er auf.
Konkret stellte er die Friedensarbeit am Beispiel Mosambik vor. Von 1975 bis 1992 herrschte in dem afrikanischen Land ein Bürgerkrieg, der – vereinfacht dargestellt – den Ost-West-Konflikt widerspiegelte. Nach vielen Gesprächen gelang es Sant’Egidio im Jahr 1990, die Konfliktparteien zu Gesprächen in ihr Haus in Rom einzuladen. „Zunächst herrschte Pendeldiplomatie, die Gegner waren nicht bereit, in einem Raum zu sitzen und direkt miteinander zu sprechen“, erinnerte sich Leineweber, der in dieser Zeit in Rom studierte und die Verhandlungen teilweise mitverfolgen konnte. Mit der Zeit konnten die Verhandelnden Vertrauen aufbauen. Im Jahr 1992 gelang es schließlich, einen Friedensvertrag zu unterzeichnen. „Wir waren als geistliche Gemeinschaft glaubwürdig, weil wir keine eigenen Interessen in diesem Konflikt verfolgten“, sagte Leineweber. „In Konflikten geht es nicht nur darum, zu diskutieren, sondern persönliche Kontakte zu knüpfen und so Vertrauen aufzubauen“, erklärte er. Und ergänzte: „Und wir dürfen nicht die spirituelle Kraft des Gebetes unterschätzen.“
Die Arbeit für den Frieden ist bei Sant’Egidio eng verknüpft mit der Bekämpfung von Armut, erklärte Leineweber. Und das nicht nur weltweit, sondern auch in Deutschland. „Wichtig ist uns auch die Friedensarbeit in unseren Städten, denn wir wollen das gute Zusammenleben der Menschen stärken“, sagte er. Deshalb gibt er zum Beispiel selbst Deutsch-Kurse für Geflüchtete. Deutschland sei zwar ein reiches Land, sagte er, jedoch gebe es viel seelische Armut: „Ein Schwerpunkt liegt deshalb auf der Begleitung von alleinstehenden alten Menschen, die sonst einsam wären.“ Zum Abschluss lud er die Anwesenden zum diesjährigen zentralen Friedensgebet nach Berlin von Sonntag, 10. bis Dienstag, 12. September ein, zu dem auch Bundeskanzler Olaf Scholz erwartet wird.
Die christliche Gemeinschaft Sant’Egidio wurde 1968 von Andrea Riccardi in Rom gegründet und ist heute in 70 Ländern vertreten. Seit dem Friedensschluss für Mosambik am 4. Oktober 1992 ist die Gemeinschaft Sant’Egidio international durch ihr Friedensengagement bekannt geworden und wird auch als „UNO von Trastevere“ bezeichnet. Zur Gemeinschaft gehören Frauen und Männer jeden Alters und aus allen gesellschaftlichen Schichten. Sie engagieren sich unentgeltlich und ehrenamtlich „für den Frieden und die Armen, denen die Gemeinschaft stets geschwisterlich verbunden ist“.
Hinweis: Weitere Informationen unter www.santegidio.org