MBN: Was zeichnet einen Kirchenraum aus, der nach dem Konzept der Orientierten Versammlung gestaltet wurde?
Johannes Krämer: Die Orientierte Versammlung ist eine Kirchenraumkonzeption, die eine Ausrichtung mit einer zentrierten Versammlung verbindet. Dabei sind Altar und Ambo auf einer zentralen Achse mit dem Priestersitz angeordnet. Die feiernde Gemeinde versammelt sich auf drei Seiten um den Altar. Auf der offenen Seite steht das Kreuz hinter dem Ambo. Die Versammlung um den Altar ist damit ebenso unmittelbar erfahrbar wie die Ausrichtung auf das Wort und die Ausrichtung auf das Kreuz hin.
MBN: Welche Idee steckt hinter dem Konzept?
Krämer: Erster Ansatzpunkt war, eine Lösung zu finden, die einen wesentlichen Aspekt des Zweiten Vatikanischen Konzils, nämlich die volle, bewusste und tätige Teilnahme (actuosa participatio) der Feiernden in besonderer Weise unterstützt. Die Gottesdienstteilnehmer sollen Liturgie schon durch den Raum nachvollziehbar erfahren können. Dabei legt eine Analyse der gottesdienstlichen Vollzüge in Gebet, Verkündigung und Eucharistiefeier eine Lösung nahe, die Orientierung und Versammlung miteinander verbindet. In der Verkündigung gibt es ein deutliches Gegenüber, im Gebet eine gemeinsame Ausrichtung auf das Kreuz und das transzendent Göttliche sowie bei der Eucharistie eine Versammlung um den Altar und damit Christus im Zentrum. Aber auch bei der Eucharistie ist die Versammlung nicht geschlossen, sondern öffnet sich und orientiert sich zur offenen Seite und zum Kreuz hin.
MBN: Gibt es die Orientierte Versammlung bereits in anderen Kirchen, und wie haben die Gläubigen darauf reagiert?
Krämer: Diese Lösung ist in einigen Kapellen erfolgreich umgesetzt worden. Zudem gibt es Pfarrkirchen, in denen Teilaspekte realisiert wurden, die sich in der Praxis bewährt haben. Die konsequenteste Realisierung der Orientierten Versammlung in einer Pfarrkirche gibt es in St. Albert in Andernach, wo seit 2002 in dieser Anordnung Gottesdienst gefeiert wird. Es zeigt sich, dass bei dieser Raumkonzeption die Gottesdienstteilnehmer stärker in die Liturgie eingebunden sind. Damit werden sie schon durch den Raum stärker in die Verantwortung der Gottes- und Menschenbegegnung genommen. Diese Herausforderungen brauchen Begleitung und Gewöhnung. Gleichzeitig ist durch diese durchaus positive Provokationen die Chance gegeben, sich nicht nur intensiver mit Liturgie und dem gottesdienstlichen Feiern auseinander zu setzen, sondern diese auch intensiver zu erfahren.