Mainz. „Um es also deutlich zu sagen: Ob es echt ist oder nicht, ob ich etwas mit Reliquien anfangen will oder nicht, haben wir hier ein Mainzer Kulturgut vor Augen, das vielen Gläubigen geholfen hat, etwas von ihrer Glaubenshoffnung materiell zum Ausdruck zu bringen und mit dem Trostwort ihres Lebens auf Tuchfühlung zu gehen.“ Das sagte der Mainzer Generalvikar, Dr. Sebastian Lang, am Sonntagabend, 25. Februar, beim Abendlob am zweiten Fastensonntag der Österlichen Bußzeit im Mainzer Dom. Und weiter: „Ich kann mein Christ-Sein anders gestalten, aber ich sollte eine Antwort darauf geben können, in welcher Form Jesus Christus in meinem Leben zum Trostwort wird.“
Der Reliquienschrein mit dem Mainzer Schweißtuch Jesu (Sudarium Domini) wurde während des Abendlobes vor den Stufen zum Altar aufgestellt. Bereits am Mittwoch, 21. Februar, hatte der Direktor des Mainzer Dom- und Diözesanmuseums, Dr. Winfried Wilhelmy, in einem Vortrag im Erbacher Hof den Forschungsstand zum Mainzer Sudarium Domini vorgestellt.
Für die Menschen, die mit der Verehrung des Schweißtuches begonnen haben, sei dieses hauchdünne Gewebe und später stellvertretend der deutlich handfestere Aufbewahrungsbeutel „ein Zeuge der Grabesruhe“, sagte Lang. Wörtlich sagte er: „Dieses kleine Stück Stoff ermöglicht dann so etwas wie einen Blick in das Grab. Es konfrontiert mich mit dem Tot-Sein Jesu. Ist dafür – werden die kritischen Stimmen an dieser Stelle zu Recht fragen – eine Reliquie nötig; erst recht eine, deren Echtheit selbst für die Frömmsten doch mit erheblichem Zweifel versehen sein muss, taucht sie doch erst im Laufe des Mittelalters auf? Nötig ist eine Reliquie nicht. Vielleicht ist ein Kulturgut, wie das Mainzer Schweißtuch, aber hilfreich.“
Ihm sagte das Mainzer Schweißtuch vor allem zwei Dinge, erläuterte Generalvikar Lang: „Einmal konfrontiert es mich als Zeichen der Grabesruhe Jesu mit meiner eigenen Endlichkeit. Eine Endlichkeit, die bedeutet, dass ich meine Existenz im Letzten weder am Anfang noch am Ende richtig in der Hand habe. Dann aber erahne ich, wenn ich tiefer blicke, dass Gott mich in dieser Endlichkeit nicht allein lässt, sondern sich in Jesus Christus mit den Menschen solidarisch macht, sozusagen auf Tuchfühlung geht. Diese Solidarität Gottes mit mir muss ich in meinem Leben immer wieder neu erfahrbar machen, sonst bleibt sie eine abstrakte Einsicht.“
Die Begrüßung beim Abendlob hatte der Mainzer Domdekan Henning Priesel übernommen. Die Feier im sehr gut gefüllten Dom wurde musikalisch gestaltet von der Domkantorei St. Martin, dem Mainzer Domorchester und vier Gesangssolisten unter Leitung von Domkapellmeister Professor Karsten Storck sowie Domorganist Professor Daniel Beckmann an der Domorgel. Zur Aufführung kam unter anderem Johan Sebastian Bachs Kantate (BWV 38) „Aus tiefer Not“.