„Eine Kirche, die teilt“

Hirtenwort des Mainzer Bischofs Peter Kohlgraf zur Österlichen Bußzeit

Bischof Peter Kohlgraf (c) Bistum Mainz (Ersteller: Bistum Mainz)
Datum:
Sa. 9. März 2019
Von:
am (MBN)

Mainz. Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf hat in seinem diesjährigen Hirtenwort zur Österlichen Bußzeit die geistlichen Dimensionen des Pastoralen Wegs im Bistum Mainz entfaltet.

„Der Weg, den wir beginnen, steht unter einer geistlichen Fragestellung: Wie gelingt es uns, die Botschaft des Evangeliums mit den vielen Menschen ins Gespräch zu bringen, besonders auch mit denen, die nicht zu unseren ,Kernkreisen‘ gehören? Dafür müssen wir uns selbst vergewissern, welche Motivation uns leitet, heute die Kirche Jesu Christi sein zu wollen und worin heute unser Auftrag besteht. Die sich daraus ergebenden Strukturüberlegungen haben nur dann einen Sinn, wenn sie tatsächlich die Folge einer derartigen geistlichen Orientierung sind“, schreibt Bischof Kohlgraf. In diesem Sinne entfaltet er in seinem Hirtenbrief die Aspekte „Leben teilen“, „Glauben teilen“, Ressourcen teilen“ und „Verantwortung teilen“. Er regt an, sich dafür am Ideal der christlichen Urgemeinde in Jerusalem zu orientieren.

Der Pastorale Weg des Bistums Mainz ist ein Prozess der theologischen und strukturellen Erneuerung der Kirche im Bistum Mainz, den der Mainzer Bischof initiiert hat. Das Hirtenwort wird am ersten Fastensonntag, 10. März, in den Gottesdiensten (sowie in den Vorabendmessen am Samstag, 9. März) im Bistum Mainz verlesen. Es trägt den Titel „Eine Kirche, die teilt“. Das Hirtenwort ist auf der Internetseite des Bistums Mainz auch in Einfacher Sprache verfügbar; außerdem gibt es online erstmals eine Version in Deutscher Gebärdensprache: Nicole Pröbstl, Mitarbeiterin im Bischöflichen Ordinariat Mainz und selbst gehörlos, hat den Text im Videostudio des Bistums gebärdet. Das Hirtenwort erscheint in diesem Jahr zudem in englischer, französischer, italienischer, kroatischer, polnischer, portugiesischer und spanischer Sprache, um Gläubige anderer Muttersprachen sowie die Gemeinden anderer Muttersprache besonders anzusprechen. Auch diese Versionen sind online verfügbar.

Leben teilen: Nicht um binnenkirchliche Themen kreisen

Leben teilen meine, „Menschen zu sein, die ihre Beziehungen aus dem Geist des Evangeliums heraus gestalten, in Respekt, Interesse, Wertschätzung und Liebe allen Menschen gegenüber“, schreibt der Mainzer Bischof. Die Themen dieser Welt und ihrer Menschen sollten Themen der Kirche werden: „Wenn uns das gelingt, dann beugen wir auch der Gefahr vor, dass wir zu sehr um unsere binnenkirchlichen Themen kreisen, die viele Menschen nicht mehr als relevant erleben, und dass wir eine Sprache sprechen, die formelhaft und nichtssagend wird. Wer Leben teilt, versucht zu verstehen, was für den anderen Menschen wichtig ist. Er wird vorsichtiger im moralischen Urteil über andere, ohne beliebig zu werden.“ Auch die Kirche werde nur dann in ihren Idealen und ethischen Grundhaltungen ernst genommen, wenn sie zeige, „dass sie die Menschen kennt und nicht nur abstrakte Normen wiederholt“.

Weiter betont Kohlgraf, dass er „um die Bedeutung einer kirchlichen Präsenz vor Ort“ wisse. Er schreibt: „Die Kirche und die Menschen, die sie prägen, müssen erreichbar sein. Ich teile die Sorge mancher Menschen, dass sich die Kirche aus der Fläche zurückzieht. Es wird auf die Menschen ankommen, die ihren Glauben in den Dörfern und Stadtteilen, in den Gemeinden, Verbänden, in der Caritas, im Ehrenamt und in den vielen kirchlichen Orten leben, dass das Evangelium Hand und Fuß bekommt und erfahrbar bleibt. Die sinkende Zahl der Priester, Diakone und der hauptamtlichen Seelsorgerinnen und Seelsorger erinnert uns bei allen Schwierigkeiten daran, dass die Berufung, den Glauben zu leben und zu bezeugen, an alle Getauften ergeht.“

Leben teilen heiße auch, die Versäulungen und Vereinzelungen kirchlicher Angebote aufzubrechen, um „den gemeinsamen Auftrag in der Nachfolge Jesu für die Menschen unserer Zeit besser erkennen zu können“. Das Beharren „auf der eigenen Wahrheit, dem eigenen Nutzen, dem eigenen Interesse“ verhindere die Verkündigung des Evangeliums, schreibt der Mainzer Bischof.

Glauben teilen: Die Sendung als Christ neu kennenlernen

Zu den drängenden Fragen gehöre, „wie wir den Glauben weitergeben können“, betont Kohlgraf weiter, diese Frage stehe „vor allen anderen Themen“. Der Bischof unterstreicht, dass der Glaube im letzten von Menschen weitergegeben werde, „die selbst erfüllt und begeistert“ seien: „Dabei geht es nicht darum, andere nur zu belehren. Selbstverständlich haben wir ein inhaltlich gefülltes Glaubensbekenntnis. Die Aussagen müssen wir aber zunächst für uns selbst mit Leben und geistlicher Erfahrung zu füllen versuchen. Das ist ein lebenslanges Suchen und Gehen. Es ist unser Anliegen, mit anderen Menschen auf Glaubenswege zu gehen, ihre Fragen wahrzunehmen, selbst sprachfähig zu werden ,über die Hoffnung, die uns erfüllt‘ (vgl. 1 Petr 3,15), die eigenen und fremden Zweifel anzunehmen, und auch von anderen zu lernen.“

Wenn es so viele Wege zu Gott gebe, wie es Menschen gebe, „müssen unsere Bemühungen, Formen des Glaubenteilens zu entwickeln, sicher noch kreativer, vielfältiger und mutiger werden. Die Logik, dass dies automatisch von Generation zu Generation geht, ist längst hinfällig.“ Glauben teilen bedeute, „die Sendung, also die ,Mission‘ neu schätzen zu lernen, die sich jedoch nur in Begegnung und Beziehung verwirklichen kann“, schreibt der Mainzer Bischof.

Ressourcen teilen: Besitzstandswahrung kritisch befragen

Wichtigste Ressourcen der Kirche seien unter anderem die Sakramente, das Wort Gottes, die Glaubensbekenntnisse oder die Menschen und ihre Gemeinschaft. Weitere Ressourcen wie Geld, Gebäude und Personal dienten der Verwirklichung des kirchlichen Auftrags und den der Kirche anvertrauten Menschen. „Deshalb sind die materiellen Güter wichtig. Sie sind Instrumente, aber keinesfalls der Inhalt kirchlicher Anstrengungen. Die Erfahrung zeigt, dass sich in diesen Bereichen am wahrscheinlichsten Konflikte auf dem weiteren Pastoralen Weg auftun“, schreibt Kohlgraf. Ressourcen zu teilen werde eine „ständige Herausforderung“ bleiben: „Wenn wir aufgerufen werden, Ressourcen zu teilen, beinhaltet das, jede Form der Besitzstandswahrung kritisch zu befragen und bereit zu sein, Gewohnheiten zu verändern.“

Verantwortung teilen: Gut gegen egozentrische Machtausübung

Jede und jeder Getaufte habe das Recht und die Pflicht, Verantwortung für und in der Kirche zu übernehmen, schreibt Kohlgraf im letzten Teil seines Hirtenwortes, „aber in der Nachfolge Jesu als Dienst, nicht als Herrschaft über andere. Das gilt für Kleriker und für jeden anderen gläubigen Menschen in der Kirche.“ Im Verlaufe des Pastoralen Weges würden sich gewiss angestammte Berufsbilder verändern: „Verantwortung teilen bedeutet, dass sich zunächst unsere hauptamtlichen Seelsorgerinnen und Seelsorger auf einen gemeinsamen Weg machen, zu leben, wie man gemeinsam Verantwortung tragen kann in der Kirche für die Verwirklichung des Reiches Gottes.“

Sicher würden sich Formen herausbilden, in denen Leitungsaufgaben nicht nur vom Pfarrer ausgeübt werden. Auch wünsche er sich ein „vielfältiges und wertschätzendes Leben des gemeinsamen Auftrages“ beim Miteinander von Haupt- und Ehrenamt. Er wisse, dass viele Ehrenamtliche an Grenzen kommen, weswegen es nicht damit getan sei, nach Formen zu suchen, „in denen Ehrenamtliche einfach deckungsgleich in die Leitungsrolle eines Priesters oder eines anderen hineinkommen“.

Abschließend schreibt Kohlgraf: „Ich lade ein, ebenfalls die Grundhaltungen auf ein geistliches Fundament zu stellen. Gelingt es uns, die Vielfalt und die Unterschiedlichkeit in Einmütigkeit zu leben, weil wir wissen und täglich leben, dass Christus in unserer Mitte ist und wir in seinem Dienst stehen? Verantwortung zu teilen ist ein gutes Mittel gegen jede Form von egozentrischer Machtausübung in der Kirche.“

Hinweise:

  • Weitere Informationen über den Pastoralen Weg im Bistum Mainz auch im Internet unter bistummainz.de/pastoraler-weg sowie bei der Koordinationsstelle für den Pastoralen Weg im Bischöflichen Ordinariat Mainz, Leitung: Dr. Wolfgang Fritzen, Telefon: 06131/253-526, E-Mail: pastoraler.weg@bistum-mainz.de