Mainz. „Ich kann Ihnen den Stand der Wissenschaft von vor 200 Jahren referieren. Insofern habe ich heute nur Hypothesen wiedergegeben und kann Ihnen kein einziges Faktum nennen.“ Das erläuterte der Direktor des Mainzer Dom- und Diözesanmuseums, Dr. Winfrid Wilhelmy, am Mittwochabend, 21. Februar, im Erbacher Hof in Mainz. Sein Vortrag stand unter der Überschrift „Ein Bild der Bilder. Das Schweißtuch Jesu aus dem Mainzer Altmünsterkloster“. Wilhelmy machte deutlich, dass sich auf dem Mainzer Sudarium kein Antlitz Christi befindet und es etwa auch nichts mit dem Schweißtuch der Veronika zu tun habe.
Unter allen frühmittelalterlichen Reliquien aus Mainz sei das sogenannte Schweißtuch Christi (Sudarium Domini) als so genannte „Herrenreliquie“ in ideeller und materieller Hinsicht sicherlich das Kostbarste gewesen. Von dem Tuch berichtet der Evangelist Johannes (Joh 20,3-7), das es im Grab das Haupt Jesu verhüllt habe. Der Abend war Auftakt des Themenschwerpunktes „Bilder des Katholischen“ der Akademie des Bistums Mainz Erbacher Hof.
Der Legende nach soll die Reliquie ein Geschenk der fränkischen Königin Imnechildis, der Frau des merowingischen Königs Sigebert an die heilige Bilhildis gewesen sein. Den größeren Teil des Tuches habe Bilhildis in dem von ihr gegründeten Altmünsterkloster aufbewahrt. Einen kleineren Teil soll sie ihrem Onkel Rigibert, dem damaligen Mainzer Bischof, geschenkt haben. Allerdings lässt sich diese Legende nicht historisch belegen, betonte Wilhelmy.
Zuletzt untersucht worden ist das Schweißtuch im Auftrag von Bischof von Ketteler. Dabei hatte der Aachener Kanoniker Dr. Franz Bock festgestellt, dass es sich bei dem Material um „alexandrinischen Byssos“ handele, besonders fein verarbeitete Leinfasern, die seit der Antike aufgrund ihrer Durchsichtigkeit auch „Nebelleinen“ genannt wurden. Zum 900. Domjubiläum im Jahr 1875 wurde das Schweißtuch in den Schrein eingefügt, in dem es bis heute aufbewahrt wird. Seitdem sei der Schrein nicht wieder geöffnet worden, sagte Wilhelmy.
Das Schweißtuch war über viele Jahrhunderte im Altmünsterkloster, wo sich eine Wallfahrt zu der Reliquie entwickelte. Wilhelmy wies darauf hin, dass das Schweißtuch in seinem Schrein über einer Reliquientasche hängt. Auf vielen Darstellungen des Mainzer Sudariums sei zu sehen, dass dieser Reliquienbeutel lange Zeit als das eigentliche Schweißtuch ausgestellt worden sei. Seit der Säkularisation wurde das Schweißtuch von einer eigens gegründeten Schweißtuchbruderschaft aufbewahrt, unter anderem in St. Peter und St. Emmeran in Mainz. In anschließenden Gespräch mit dem Referenten berichtete einer der Zuhörer, dass er als Messdiener in St. Peter noch selbst erlebt habe, wie das Sudarium an Ostermontag ausgestellt wurde.
Franz Bock hatte neben der Mainzer auch die Schweißtuchreliquie untersucht, die seit Mitte des neunten Jahrhunderts in Kornelimünster aufbewahrt wird und festgestellt, dass beide Textilien zwei Teilstücke desselben Gewebes sind. Nach dem Ende der Schweißtuchbruderschaft kam das Sudarium in die Ostkrypta des Mainzer Domes und schließlich zur Aufbewahrung in die Gotthardkapelle des Domes. Die Begrüßung und Einführung in den Themenschwerpunkt „Bilder des Katholischen“ hatte die Direktorin der Akademie des Bistum Mainz, PD Dr. Marita Liebermann, übernommen.
Das Mainzer Sudarium Domini wird während des Abendlobs im Dom am Sonntag, 25. Februar, um 17.00 Uhr, im Westchor vor den Stufen zum Altar aufgestellt. Der Mainzer Generalvikar Dr. Sebastian Lang wird in seiner Predigt zum Abendlob die theologisch-spirituelle Dimension des Sudariums in den Blick nehmen. Das Abendlob wird musikalisch gestaltet von der Domkantorei St. Martin, dem Mainzer Domorchester und vier Gesangssolisten unter Leitung von Domkapellmeister Professor Karsten Storck sowie Domorganist Professor Daniel Beckmann an der Domorgel. gestaltet. Zur Aufführung kommt bei dem Abendlob von Johan Sebastian Bachs Kantate (BWV 38) „Aus tiefer Not“.