„Entscheidend wird sein, wieviel Liebe jemand zu schenken bereit war“

Bischof Kohlgraf an Allerseelen im Mainzer Dom / Gang zu den Bischofsgräbern

Mainz, 2. November 2024: Bischof Peter Kohlgraf besprengte jedes Grab im Mainzer Dom und auf dem Domfriedhof mit Weihwasser. (c) Bistum Mainz / Blum
Datum:
Sa. 2. Nov. 2024
Von:
tob (MBN)

Mainz. „Die Hoffnung und den Glauben habe ich: Alle Verstorbenen, an die wir heute an Allerseelen denken, sind in Gottes Blick.“ Das sagte der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf beim Allerseelen-Gottesdienst am Samstagmorgen, 2. November, im Mainzer Dom. 

Mainz, 2. November 2024: Bischof Peter Kohlgraf am Grab seines Vorgängers Wilhelm Emmanuel von Ketteler. (c) Bistum Mainz / Blum

Er habe die Überzeugung, dass Gott „Gerechtigkeit schaffen, Barmherzigkeit üben und jeder einzelnen Lebensgeschichte gerecht wird“, sagte Kohlgraf. Und weiter: „Das ist für mich ein ganz starkes Gottesbild, das ich heute bekenne und feiere.“

Wörtlich sagte Bischof Kohlgraf bei dem Pontifikalrequiem: „Wir dürfen nie vergessen: Jeder Mensch hat seine eigene Würde, die unveräußerlich ist. Bei allen großen Zahlen und Statistiken ist jeder Mensch eine eigene Welt, ein eigener Kosmos. In der jüdischen Tradition erinnert man daran: Wer einen Menschen rettet, rettet eine ganze Welt. Mit jedem sterbenden Menschen geht aber auch eine ganze Welt zugrunde. Auch wir werden unsere Welt mit ins Grab nehmen, und ich glaube, dass Gott, der Himmel und Erde, das Sichtbare und das Unsichtbare geschaffen hat, alle diese Welten mitnehmen wird in seine große Welt, die wir Himmel nennen. Diese Hoffnung trägt mich.

Mainz, 2. November 2024: Die Prozession führte an Allerseelen über den neu gestalteten Domfriedhof. (c) Bistum Mainz / Blum

Wir reden über berühmte Menschen, die im Gedächtnis vieler sind, und die Geschichte geschrieben haben. Wir reden aber auch über Alltagsmenschen. Wir reden über Gute und Böse, Sünder und Heilige, Verbrecher und Vorbilder. Vor Gott gelten irdische Bedeutung und historische Verdienste nur wenig. Entscheidend wird sein, wieviel Liebe jemand zu schenken bereit war. Das ist für mich jedes Jahr der wichtigste Impuls aus dem Allerseelentag.“

Mainz, 2. November 2024: Bischof Peter Kohlgraf bei seiner Predigt an Allerseelen im Mainzer Dom. (c) Bistum Mainz / Blum

Zu Beginn seiner Predigt war Kohlgraf auch auf die im Dom begrabenen Bischöfe und Priester eingegangen. Wörtlich sagte er: „Im Dom beten wir besonders für die verstorbenen Bischöfe und Priester des Domstifts. Angesichts mancher Debatten, die wir in den letzten Jahren führen mussten, möchte ich daran erinnern, dass gerade das Gebet am Allerseelentag keine individuelle Ehrung oder gar Heiligsprechung bedeutet. Im Gegenteil: Wir halten daran fest, dass am Ende nur Gott selbst der Richter über das Leben eines Menschen sein wird, dass er Gerechtigkeit schaffen und das Ganze eines Lebens in sein Licht stellen wird. Wir beten für die Toten, die alle ihre Einmaligkeit, ihre Licht- und Schattenseiten in den Augen Gottes haben, er allein kennt sie ganz. Das müssen wir uns heute bewusst machen.“

Mainz, 2. November 2024: Bischof Peter Kohlgraf segnete alle Gräber im Mainzer Dom. (c) Bistum Mainz / Blum

Nach der Eucharistiefeier ging Kohlgraf gemeinsam mit den Konzelebranten und den Gläubigen zu den Gräbern der Bischöfe im Mainzer Dom. Dabei besprengte Bischof Kohlgraf jedes Grab mit Weihwasser. An jedem Grabstein war außerdem eine Kerze aufgestellt. Die Prozession führte vom Westchor über den Mittelgang des Domes auf den Domfriedhof, in die Memorie zum Kettelergrab und schließlich in die Bischofsgruft unter dem Hauptaltar. Musikalisch wurde das Pontifikalrequiem gestaltet mit Männerstimmen der Chöre am Dom unter Leitung von Domkapellmeister Professor Karsten Storck sowie Domorganist Professor Daniel Beckmann an der Domorgel.

Stichwort: Allerheiligen (1.11.) / Allerseelen (2.11.)

Mainz, 2. November 2024: Prozession zur Gräbersegnung im Mainzer Dom an Allerseelen. (c) Bistum Mainz / Blum

An Allerheiligen (1. November) ehrt die Kirche nicht nur alle offiziell heiliggesprochenen Menschen, sondern auch die Menschen, die ein christliches Leben geführt haben, ohne dass ihre Lebensführung einer größeren Öffentlichkeit bekannt geworden ist. Allerheiligen ist zunächst kein Tag des Totengedächtnisses, sondern feiert das neue Leben, das die Heiligen führen und das allen Christen verheißen ist. Vielfach ist der Tag durch den Gang zu den Gräbern von Angehörigen geprägt. Der Allerseelentag am 2. November gilt dem Gedächtnis der Verstorbenen.

Mainz, 2. November 2024: Prozession zur Gräbersegnung im Mainzer Dom an Allerseelen. (c) Bistum Mainz / Blum

Bereits im vierten Jahrhundert ist bei Johannes Chrysostomos von Antiochien ein „Herrentag aller Heiligen“ bezeugt. Seit dem neunten Jahrhundert wird Allerheiligen am 1. November gefeiert. Allerseelen geht auf Abt Odilo von Cluny zurück, der 998 einen Gedenktag anordnete für alle verstorbenen Gläubigen von Klöstern, die Cluny unterstellt waren. Zusammen mit dem staatlichen Volkstrauertag zum Gedächtnis der Toten der Weltkriege und dem Totensonntag (auch: Ewigkeitssonntag) machen Allerheiligen und Allerseelen den Monat November zum Monat des Totengedenkens. Allerheiligen ist gesetzlicher Feiertag in Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland.