Mainz. Der Mainzer Generalvikar, Dr. Sebastian Lang, hat sich dafür ausgesprochen, durch die Mehrfachnutzung von Kirchengebäuden „die Dialogbereitschaft der Kirche erfahrbar zu machen“. Angesichts der zurückgehenden Religiosität „sollten wir uns nicht in Sakristei oder Jugendkeller zurückziehen, sondern wir sollten in der Gesellschaft präsent bleiben, auch räumlich und baulich“. Die gemeinschaftliche Nutzung von Kirchengebäuden böten „große Chancen für die Gesellschaft“, betonte der Generalvikar.
Lang sprach zum Auftakt des Fachtages zur Zukunft von Kirchengebäuden am Mittwoch, 29. Oktober, in der ehemaligen Mainzer Kapuzinerkirche, der Kapelle Maria Mater Dolorosa in der Weintorstraße.
Der Generalvikar würdigte außerdem die „Kirchenbox“, deren Prototyp in der Kapuzinerkirche erstmals aufgebaut war. „Ich bin froh, dass wir im Bistum dieses Projekt angegangen sind, weil es tatsächlich auf eine Fragestellung antwortet, die in unseren Gebäuden dringend ist.“ So könne die „Kirchenbox“ helfen, sinnvolle Mehrfachnutzungen von Kirchen zu ermöglichen, ohne dass große und teure Umbauten notwendig erforderlich würden, sagte Lang.
Lang äußerte sich beim Fachtag „Zwischen Altar und Alltag – Mehrfachnutzung sakraler Räume“. Unter der Leitfrage „Wie viel Sakralität verkraftet die Gesellschaft und wie viel Alltag verkraftet die Religion?“ war es Ziel des Fachtages, Inspiration für Haupt- und Ehrenamtliche in den Gemeinden zu sein, über die Zukunft der Sakralräume des Bistums Mainz aus verschiedenen fachlichen Perspektiven nachzudenken. Während sich die Veranstaltungsreihe „Kirche im Wandel“ im September und Oktober vor allem mit Kirchen der Kategorie IV beschäftigt hat (also Kirchen, die von den Gemeinden aufgegeben werden), ging es in der Kapuzinerkirche besonders um Kirchen der Kategorie III. Während für Kirchen der Kategorien I und II, die dauerhafte Nutzung ermöglicht werden soll, wird in der Kategorie III zunächst nur der Erhalt unterstützt. Dadurch kann Zeit gewonnen werden, um gemeinsam mit kirchlichen, kommunalen oder anderen Partnern Erhalt und weitere Nutzung des Kirchengebäudes zu sichern.
Weiterer Referent war der Leiter des Deutschen Architekturmuseums in Frankfurt, Peter Cachola Schmal. Er plädierte eindringlich dafür, Kirchengebäude nicht vorschnell abzureißen, selbst wenn noch keine alternative Nutzung absehbar sei: „Diesen Leerstand gilt es auszuhalten.“ Die Schwierigkeiten, die ein unmittelbarer Rückbau mit sich bringe, könne man aktuell bei der Bahn oder auch der Bundeswehr sehen, sagte Schmal. Er erinnerte daran, dass Kirchengebäude häufig der größte Versammlungsort einer Gemeinde oder Stadt seien: „Das muss man vielleicht neuen Bewohnern eines Ortes mehr ins Bewusstsein rufen als bisher.“ Schmal präsentierte unter anderem verschiedene Umbauten und Nutzungen von Kirchengebäuden, unter anderem als Kitas oder Gemeinderäume, Kolumbarien und auch kommerzielle Nutzungen.
Beim anschließenden Podium betonte der Mainzer Baudirektor Johannes Krämer, dass durch die Mehrfachnutzung von Kirchengebäuden „mehr Menschen diese schönen Räume nutzen und erleben können“. Er habe die Hoffnung, „dass etwas Neues entsteht, wenn die Kirchenräume teilen“. Krämer ermutigte dazu, sich für die sinnvolle Umnutzung von Kirchen einzusetzen: „Es braucht vor Ort immer die Initiative Einzelner, um eine gute und jeweils individuelle Nutzung zu erreichen.“ Die Moderation hatte Professorin Dr. Clarissa Vilain von der Katholischen Hochschule Mainz übernommen. Am Nachmittag fanden verschiedene Workshops zum Thema statt.
Der stellvertretende Dezernent des Dezernates Bau und Kunst, Roman Prokscha, stellte am Beginn des Fachtages den Prototyp der „Kirchenbox“ vor: Aufgebaut in einem Kirchenraum bietet die in modularerer Bauweise zu errichtende Kirchenbox relativ kostengünstig und ohne Eingriff in die Bausubstanz des Kirchengebäudes Platz für vielfältige Aktivitäten: Gruppen von bis zu 25 Personen können sich dort zu Gremiensitzungen, Gruppenstunden oder zur Erstkommunionvorbereitung treffen; auch eine Nutzung als Pfarrsekretariat ist möglich. Je nach Größe der „Kirchenbox“ entstehen Kosten in Höhe von 50.000 bis 80.000 Euro. Anschlüsse für Heizung und Licht sind vorgesehen, für Wasser nicht. Zusammen mit der Rheinland-Pfälzisch Technische Universität in Kaiserslautern-Landau (RPTU) hatte Baudirektor Krämer das Architektur-Projekt „Kirchenbox“ angestoßen. Der Entwurf stammt von Svenja Brehm. Auf internationalem Parkett vorgestellt wird die „Kirchenbox“ Ende Februar 2026 auf dem Forum Holzbau im Grand Palais in Paris.