In seinem diesjährigen Hirtenwort zur Österlichen Bußzeit, das am Samstag, 5. März, veröffentlicht wird, beschäftigt sich der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf mit dem Thema Berufung. Die Berufungsgeschichte des Samuel bildet die Grundlage. „Gott spricht zu den Menschen. Er hat an jedem einzelnen Menschen Interesse und geht aus freiem Willen auf diesen Menschen zu, mit einer konkreten und einzigartigen Berufung“, schreibt Kohlgraf. In seinem jährlich erscheinenden Hirtenbrief greift der Bischof in der Regel grundsätzliche geistliche und theologische Fragen auf. Der Hirtenbrief wurde auch in diesem Jahr langfristig vorbereitet und vor dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine verfasst. Er soll die Gläubigen durch die gesamte Fastenzeit begleiten.
„Der junge Samuel versieht seinen Dienst im Tempel unter der Aufsicht des Priesters Eli. Es ist eine Zeit, in der ‚Worte des Herrn‘ (1 Sam 3,1) selten waren. Es braucht den erfahrenen alten Eli, um Samuel zu helfen, den Ruf Gottes als sein persönliches Wort an ihn deuten zu können. Schließlich muss Samuel seine persönliche Antwort geben“, schreibt Kohlgraf zu Beginn seines Textes. Im weiteren Verlauf schreibt er: „Die Geschichte von Samuel ist uns so nahe, weil auch in unserer Zeit Worte des Herrn genauso selten zu sein scheinen wie damals. Berufungen kann man nicht machen und die Stimme Gottes nicht herbeizwingen. Seine scheinbare Abwesenheit muss man im Glauben auch aushalten. Und dennoch erinnert uns etwa das Zweite Vatikanische Konzil daran, dass es für jeden Menschen eine individuelle Berufung gibt – eine Berufung zum wahren Menschsein (Gaudium et Spes 3). Jeder Mensch ist berufen, am Aufbau einer geschwisterlichen Welt mitzuarbeiten. Diese Berufung ist die Grundlage des Menschseins, unabhängig davon, ob jemand sich als Christ oder Christin versteht oder nicht. Die Grundlage dafür ist, dass jeder Mensch Ebenbild Gottes ist.“ Kohlgraf fasst zusammen: „Kurzum: für jeden Menschen hat Gott offenkundig eine eigene Idee, eine eigene Lebensmelodie. Es gilt, diese zu hören und in die Praxis umzusetzen. Wenn Gott ein ‚DU‘ ist, dann ist jeder Mensch ein Gegenüber für ihn, auf das er nicht verzichten will. Das macht die Größe und Würde jedes Menschen aus.“
Neben der Berufung zum Menschsein nennt Bischof Kohlgraf die Berufung in die Gemeinschaft der Kirche, die in der Taufe ausgesprochen wird. Und es brauche wie in Zeiten des Samuel „Menschen, die zu Begleiterinnen und Begleitern werden, um die eigene Berufung zu erkennen und die Stimme Gottes für das eigene Leben verstehen zu können.“ Als Beispiel nennt Kohlgraf das „Christliche Orientierungsjahr“ (COJ), ein Angebot des Bistums für junge Menschen zwischen 18 und 25 Jahren. Sie leben ein Jahr in einer Wohngemeinschaft im Bischöflichen Priesterseminar zusammen, sind in einem sozialen oder pastoralen Feld tätig und spüren gemeinsam unter Begleitung ihrer je eigenen Berufung nach.
Nach der Berufung zum Menschsein und zum Christsein nennt Kohlgraf auch die Berufung zu einem besonderen Dienst in der Kirche als dritten Aspekt. „Das Gebet um diese besonderen Berufungen darf nicht nachlassen“, schreibt er. Er appelliert: „Stärken wir die Menschen in ihrer je eigenen Berufung! Ermutigen wir sie, sich für eine menschenwürdige Gesellschaft und für eine Kirche zu engagieren, die auf das Wort Gottes hört und den Menschen zugewandt ist! Dies ist das Ziel des Pastoralen Wegs im Bistum Mainz und anderer synodaler Wege in Deutschland und in der Weltkirche.“
Das Hirtenwort wird am ersten Fastensonntag, 6. März, in den Gottesdiensten (sowie in den Vorabendmessen am Samstag, 5. März) im Bistum Mainz verlesen. Außerdem ist der Wortlaut in der ab Donnerstag, 10. März, erhältlichen Ausgabe der Kirchenzeitung „Glaube und Leben“ abgedruckt. Das Hirtenwort trägt den Titel „Hier bin ich, du hast mich gerufen“. Es ist auf der Internetseite des Bistums Mainz in einer Videoversion mit Bischof Kohlgraf, einer Audio-Fassung, als Word-Datei, sowie in Leichter Sprache verfügbar. Das Hirtenwort erscheint zudem in englischer, italienischer, kroatischer, polnischer, portugiesischer und spanischer Sprache, um Gläubige anderer Muttersprachen sowie die Gemeinden anderer Muttersprache besonders anzusprechen. Auch diese Versionen sind online verfügbar. Zudem gibt es als Anregung Fürbitten, die auf das Hirtenwort Bezug nehmen, und ein Video mit dem Hirtenwort in deutscher Gebärdensprache. Außerdem ist online ein Video mit einem Interview mit Bischof Kohlgraf zum Thema Berufung abrufbar.