Die ökumenische Vesper sollte als „Christusfest“ mit dem hessen-nassauischen Kirchenpräsidenten Volker Jung, dem Limburger Bischof Georg Bätzing und dem Mainzer Diözesanadministrator, Prälat Dietmar Giebelmann, sowie weiteren Gästen aus der Ökumene dazu beitragen, neue Schritte aufeinander zuzugehen. Die Veranstaltung im Kaiserdom war für die beteiligten Kirchen einer der Höhepunkte im Jubiläumsjahr der Reformation. Die abendliche Feier war auch ein erstes Zeichen für die weitere Zusammenarbeit der Glaubensgemeinschaften auf dem Weg zum Ökumenischen Kirchentag 2021 in Frankfurt am Main sein.
Im Gottesdienst sagte der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung, dass die Frage nach der Zukunft der christlichen Konfessionen durch das Reformationsjubiläum wieder verstärkt in den Blick gerückt sei. „Wir sind an einem Punkt, wo wir neu fragen: Müssen wir eine Kirche sein? Oder können wir auch in verschiedenen Kirchen leben? Braucht es eine Einheitskirche oder können wir die uns in Christus geschenkte Einheit auch in verschiedenen Kirchen leben?“, sagte Jung. Der evangelische Kirchenpräsident äußerte die Hoffnung darauf, dass der gemeinsame Glaube an Christus in Zukunft „einen Weg zeigen möge, wie wir in all unserer Verschiedenheit und mit unseren Prägungen glaubwürdig eins sein können in ihm“. Jung erinnerte auch an den Schmerz, den evangelische und katholische Christen sich im Lauf der Geschichte zugefügt hätten. Dass die Glaubensrichtungen heute gemeinsam um Vergebung beten und ihre Schuld vor Gott bekennen würden, „bringt uns näher an das heran, wozu wir gemeinsam in Christus berufen sind“, sagte Jung.
Der Limburger Bischof Georg Bätzing bezeichnete es als „kleines Wunder, dass das Reformationsgedenken des Jahres 2017 in nie zuvor gekannter ökumenischer Verbundenheit begangen wird“. Als katholischer Christ und Bischof bekenne er dies „dankbar und staunend“. Durch die Vielfalt der Initiativen der ökumenischen Bewegung der zurückliegenden Jahrzehnte sei entdeckt worden, dass „wir Christinnen und Christen verschiedener Konfessionen und Gemeinschaften einander geschenkt sind, um uns gegenseitig zu bereichern, anzuspornen und zum Zeugnis der Einheit herauszufordern“, sagte Bätzing. Nach Worten des Bischofs „steht Christus in der Mitte der Reformation“. Dies sei das verbindende Element aller christlichen Kirchen.
Die Stellvertretende hessen-nassauische Kirchenpräsidentin Ulrike Scherf erinnerte daran, dass die Reformation eine Rückbesinnung auf die Bibel bedeute. So habe sie den Blick auf das „Christusgeschehen“ konzentriert. Von dort aus erschließt sich nach ihren Worten „das Verbindende, das wir in Christus haben und hilft, Verletzungen, die wir einander zugefügt haben, zu heilen“. Sie erinnerte gleichzeitig daran, dass weiterhin Trennendes, wie ein unterschiedliches Abendmahlsverständnis bestehe. Scherf: „Gerade deshalb ist es gut und wichtig, nicht nachzulassen, sondern weiter mit Herzblut und offenen Sinnen aufeinander zu hören, voneinander zu lernen und miteinander Gott zu loben.“
Giebelmann: Wahrheit als göttliche Symphonie begreifen
Der Diözesanadministrator des Bistums Mainz, Dietmar Giebelmann, verglich die Suche nach der Wahrheit in den unterschiedlichen Kirchen mit der Arbeit eines Orchesters. Demnach ergebe sich erst der volle Klang einer Symphonie im Zusammenspiel vieler. Giebelmann: „Das bedeutet: Um über Gott etwas zu erfahren, braucht es die ganze Welt.“ So seien die christlichen Kirchen und christlichen Gemeinschaften alle „Instrumente der göttliche Symphonie“. „Wir brauchen diese Vielfalt um der Wahrheit willen, um Gottes willen, um der Menschen willen“, sagte er. Dabei blieben alle weiterhin „Gott-Sucher“, sagte Giebelmann. „Die Wahrheit trennt uns nicht, sie eint uns, sie gewährt uns einen neuen Blick aufeinander und lässt uns in Dankbarkeit und Hochschätzung die unterschiedlichen Erkenntnisse, die die Kirchen bisher erfuhren, nicht nur anerkennen, sondern vielmehr freudig begrüßen“, unterstrich der Mainzer Diözesanadministrator.
In schriftlichen Grüßen hatte bereits im Vorfeld die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer das Engagement der Kirchen in der Ökumene als wichtigen Beitrag über die Konfessionsgrenzen hinweg gewürdigt. Sie trügen damit „ihren Teil zu einer friedlichen und toleranten Gesellschaft bei“, sagte Dreyer. Der hessische Kultusminister Alexander Lorz bezeichnete in seinem schriftlichen Grußwort die Zusammenkunft im Dom als beispielhaft dafür, „wie Begegnung und Verständigung, Toleranz und Respekt gelingen können“. Für die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen Hessen-Rheinhessen sagte deren Vorsitzender Jörg Bickelhaupt, dass die ökumenische Bewegung und das gemeinsame Herangehen an die Reformation, die die Kirchen einst tief spaltete, „ein auch für unsere Gesellschaft notwendiges, geistlich begründetes Paradigma eines konstruktiven Umgangs mit Vielfalt um der Einheit willen“ sein könne.