Mainz. Der Schriftsteller Bernhard Schlink hat im mit über 600 Gästen ausverkauften Mainzer Dom am Montagabend, 30. September, aus seinem im Jahr 2023 bei Diogenes erschienenen Roman „Das späte Leben“ gelesen. Bei einer Fragerunde im Rahmen der Lesung, sagte er, dass er zwar bereits öfter in Kirchen gelesen habe, noch niemals aber in einem Dom.
Und weiter: „Ich gehe eigentlich gerne in die Kirche.“ Zwar ärgere er sich gelegentlich über eine Predigt, „aber Weihnachten ohne Weihnachtsoratorium und Ostern ohne Passion - da fehlt mir was“. Nach mehreren Fragen von Schülerinnen und Schülern zu Stilmitteln in seinen Büchern sagte Schlink unter großem Applaus: „Über Stilmittel denke ich nicht nach.“ Und weiter: „Aufgabe von Deutschunterricht sollte es vor allem sein, Freude an Literatur zu vermitteln.“
Der Abend fand im Rahmen der Reihe „Lesungen in unseren schönsten Kirchen“ statt, die ein Gemeinschaftsprojekt des Landkreises Mainz-Bingen mit Angelika Schulz-Parthu vom Ingelheimer Leinpfad Verlag und Friederike Gemünden von literaturfreunde.de ist. Die im Jahr 2022 begründete Reihe bietet in der Regel Lesungen mit regionalen Autorinnen und Autoren in den Kirchen des Landkreises Mainz-Bingen an. Bernhard Schlink hat für die Lesung kein Honorar genommen. Die Einnahmen kommen über die Literaturfreunde der literarischen Nachwuchsförderung zugute. Schlink nennt das sein „ehrenamtliches Engagement für die Gesellschaft“.
Der Mainzer Domdekan Henning Priesel begrüßte die Gäste im Dom und brachte seine Freude über die Lesung mit Bernhard Schlink zum Ausdruck: „Auch heute zieht der Dom Menschen, die nach Mainz kommen, magnetisch an – nicht nur touristisch interessierte. Er gibt der Stadt ihr Gesicht und ist als identitätsstiftender Mittelpunkt im Bewusstsein und im Leben der Menschen verankert. Hier diese besondere Autorenlesung zu haben, heißt, an einem besonderen Ort, einander zu begegnen, in den Mauern dieses kraftvollen und monumentalen Kirchengebäudes sich zu versammeln und zu bergen, das zugleich durch seine schlichte und gradlinige romanische Architektur überzeugt und gerade am Abend seine mystische Aura verströmt.“
Auch die Landrätin des Landkreises Mainz-Bingen, Dorothea Schäfer, hielt ein Grußwort. Durch den Abend führte Friederike Gemünden, die unter anderen Domdekan Priesel für die Initiative zu der Lesung im Dom dankte. Musikalisch umrahmt wurde die Lesung vom Mainzer Domorganisten Professor Daniel Beckmann. Nach der Lesung hat das Ingelheimer Weingut Schloss Westerhaus im Kreuzgang Wein ausgeschenkt.