„Ich glaube, dass die Welt die Kirche braucht“

Fastenpredigt von Bischof Peter Kohlgraf in Bad Vilbel-St. Nikolaus

Fastenpredigt Bad Vilbel (c) Bistum Mainz / Feldmann
Datum:
So. 25. Feb. 2018
Von:
am (MBN)
„Ich glaube, dass die Welt die Kirche braucht. Nicht als ,societas perfecta‘, als perfekte Gesellschaft, unberührt von den Fragen und Themen der Zeit, sondern berührt von den Menschen und ihrer Welt, und wie der Papst sagt, manchmal auch verbeult und schmutzig. So hält die Kirche Gottes Gegenwart lebendig. Es wird sich zeigen, ob wir diese Wege auch dann gehen, wenn unsere Gewohnheiten und Sicherheiten hinterfragt werden und manches wegbricht, was jetzt noch selbstverständlich zu sein scheint. Wir sollten neu die Freude entdecken, geliebt und berufen zu sein. Dazu ist Kirche da.“

Das sagte der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf am Sonntag, 25. Februar, in der Kirche St. Nikolaus in Bad Vilbel. Kohlgraf äußerte sich in der Reihe der Fastenpredigten der Pfarrgemeinde, die unter der Überschrift „Brauchen wir noch die Kirch(en)?“ stand.

Die Kirche müsse nach ihrem Platz in der Welt und der Gesellschaft fragen, sagte Kohlgraf weiter. „Es ist eine gute Entwicklung, wenn sich Kirche, der Bischof, der Priester und jede und jeder Glaubende nicht der Gesellschaft gegenüber stellt und seine Eigenwelt bildet, sondern wenn wir uns mehr und mehr als Teil unserer Gesellschaft verstehen lernen und mitten in der Welt das Evangelium zu leben beginnen. Dann müssen wir uns auch an die Regeln und Gesetze dieser Welt halten, sofern sie nicht dem Evangelium widersprechen. Dann muss es auch Kritik geben und Kontrolle. Dann ist die Begegnung zwischen Kirche und Welt keine Einbahnstraße, sondern ein Austausch zweier Partner“, betonte er.

Kohlgraf zeigte sich davon überzeugt, dass „manche Kritik an der Kirche, sofern sie sich an Sachfragen orientiert, tatsächlich geholfen hat und hilft, sich als Kirche selbst die Frage einmal zu stellen: Was ist denn unser Auftrag heute?“ Bezogen auf verschiedene kirchliche Finanzskandale sagte er in diesem Zusammenhang: „Kirchliches Vermögen aber ist das Vermögen der Gläubigen, das der Kirche anvertraut ist, um ihre Aufgaben in der Welt für die Menschen leisten zu können. Uns Bischöfen ist drastisch klar geworden, dass es so nicht weiter gehen kann. Geld dient, Besitz dient, Macht dient. Nicht mir, nicht unserem System, sondern unserem Auftrag. Dieses Umdenken gilt für das Bistum, und das muss heruntergebrochen werden auch auf die Gemeinden und andere kirchliche Orte. Braucht die Welt also noch eine Kirche? Im Moment ist es an uns, den Weg der Umkehr einzuschlagen.“

Kohlgraf wies insbesondere auf die „Werke der Nächstenliebe“ hin, die die Kirche vor 2.000 Jahren begonnen habe: „Dass soziale Haltungen gegenüber Armen, Kranken, Obdachlosen, Hilfsbedürftigen mittlerweile zu unserem Kulturgut gehören, ist das Verdienst praktizierender Christinnen und Christen, jedenfalls nicht Produkt einer gottlosen Geschichte. Haltungen der Barmherzigkeit, Versöhnung und die Idee, dass jeder Mensch Ebenbild Gottes ist, gehen auf die biblische Botschaft zurück. Die vielen kleinen und großen Heiligen haben unsere Welt geprägt, bis heute tun sie dies. Umso schmerzlicher natürlich, dass dieses Evangelium immer wieder auch nicht vorbildlich gelebt wurde.“

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