Mainz. In Zusammenhang mit der Aktion Maria 2.0 haben den Mainzer Bischof Peter Kohlgraf verschiedene Anfragen zum Umgang der Kirche mit Frauen erreicht. In dieser Stellungnahme geht Bischof Kohlgraf auf die angesprochenen Fragestellungen ein:
Das Thema der Rolle der Frau beschäftigt uns und auch mich persönlich auf verschiedenen Ebenen. Tatsächlich sind auch in den Leitungsaufgaben unseres Bistums zu wenige Frauen vertreten. Das stellt mich nicht zufrieden, und es wird Zeit brauchen, bis hier gerechtere Verhältnisse herrschen. Auf dem Pastoralen Weg werden wir über Leitung und Beteiligung konkret reden müssen, und es wird nicht beim Reden bleiben dürfen. Verschiedene Anfragen dazu waren jetzt Ursache dafür, dass ich das Thema in eine der Teilprojektgruppen des Pastoralen Weges eingebracht habe. Das kann natürlich nur ein Anfang sein. Die Berufsrollen der Priester und anderer Hauptamtlicher werden sich in einer Art verändern, die wir jetzt noch nicht absehen können.
In der Deutschen Bischofskonferenz beginnen wir einen gemeinsamen Synodalen Weg, und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) hat neben den Themen Macht, Sexualmoral und priesterliche Lebensform auch die Ämterfrage für die Frauen in der Kirche gefordert. Es zeigt sich, dass das Bemühen von Papst Johannes Paul II. im Jahre 1994, durch eine lehramtliche Erklärung die Diskussion um die Zulassung von Frauen zu den Weiheämtern ein für alle Mal zu beenden, die Dynamik unterschätzt hat, und gleichzeitig massiv unterschätzt hat, welches Gefühl von Ungerechtigkeit und Diskriminierung die kirchliche Praxis und Lehre bei vielen Gläubigen auslöst. So kann man eine Debatte nicht (mehr) unterdrücken, und sie wird ja in zunehmender Heftigkeit geführt. Ich nehme wahr, dass es nicht reichen wird, am Ende des Synodalen Weges gut gemeinte Erklärungen zu erstellen, die nichts Konkretes beinhalten. Genauso werden die traditionellen Argumente für den Ausschluss von vielen Menschen nicht mehr verstanden, und es reicht nicht, sie nur besser zu erklären. Das ist die eine Seite.
Als Bischof nehme ich jedoch auch eine andere Seite wahr, die ich nicht einfach ignorieren und verschweigen kann. Und ich gebe zu, dass die Unvereinbarkeit der Sichtweisen mich auch ratlos macht. Papst Johannes Paul II. hat die Forderung nach einer Zulassung der Frauen zu den kirchlichen Ämtern mit hoher lehramtlicher Autorität ausgeschlossen, indem er sich auf die Praxis und den Willen Jesu beruft und damit die endgültige Unmöglichkeit einer Veränderung der kirchlichen Praxis betont. Das bedeutet, dass kein Papst einfach diese Entscheidung kippen kann. Es bedürfte meines Erachtens eines Konzils der Weltkirche, um überhaupt neu an diese Frage heranzugehen. Papst Franziskus hat ebenfalls davon gesprochen, dass diese Tür geschlossen sei. Auch mein Vorgänger, Kardinal Lehmann, hat sich wiederholt so geäußert. Ich sehe in dieser Frage derzeit keine realistische Perspektive der Veränderung.
Als Bischof stehe ich hier auch in einer Loyalitätsverpflichtung, die selbstverständlich kritisches Fragen nicht ausschließt. Indem der Papst den Ausschluss quasi als Glaubenssatz verkündet, wird es in dieser Frage auch keine regionalen Sonderlösungen geben können. Im Blick auf die gesamte Weltkirche wird es hier keine Mehrheit geben, und ich tue mich schwer damit, die Forderung nach einer Öffnung des Amtes zum Kriterium dafür zu machen, ob ich andere Teile der Weltkirche gewissermaßen von oben herab als kulturell und religiös unterentwickelt bewerten will. Es ist offenkundig, dass diese Frage erhebliches Spaltungspotential hat und ich verstehe die Aussagen des Papstes auch als Sorge um die Einheit der Weltkirche. Als Bischof sehe ich mich durchaus auch als Teil dieser Weltkirche, deren Vorteile ich in anderen Fragen und Erfahrungen gerne annehme und um die uns andere Kirchen durchaus beneiden. Und wenigstens ein bisschen bewegt mich die Frage, ob die letzten 2.000 Jahre Kirchengeschichte den Willen Jesu tatsächlich derart missverstanden haben sollten. Diese persönliche Gewissensfrage ist für mich nicht einfach zu beantworten.
Auch die ökumenische Dimension der Rolle der Frau wird häufig angesprochen, allerdings meistens ohne die orthodoxen Kirchen im Blick zu haben. Die Frauenordination wäre hier ein erheblicher ökumenischer Rückschlag im Dialog mit den Kirchen, mit denen uns sonst gerade auch die sakramentale Dimension eng verbindet. Diese aufzukündigen, wäre eben auch eine ökumenische Konsequenz, die sich aus der Frauenordination ergäbe.
Was den Predigtdienst in der Eucharistiefeier angeht, bin ich als Bischof zunächst den weltkirchlichen Vorgaben unterstellt. Das heißt nicht, dass ich dieses Thema für nicht lösbar hielte. Gerne bringe ich dieses Anliegen in den Synodalen Weg ein. Was die Unterstützung der Frauenordination angeht, werde ich deutlich benennen, wie sehr die Verweigerung als Ungerechtigkeit empfunden wird, und wie wenig die traditionellen Argumente viele unserer Gläubigen überzeugen. Ich sehe aber auch für mich persönlich moralische Grenzen, den Papst in dieser Frage massiv unter Druck setzen zu wollen. Und wir dürfen auch den Einfluss einer Bischofskonferenz, die hier natürlich auch nicht einheitlich votieren wird, nicht überschätzen.
Im Übrigen erreichen mich auch Stimmen, die aus einer anderen Richtung Druck machen. Die etwa bei Maria 2.0 vertretenen Positionen zur Rolle der Frau werden nicht von allen in der Kirche geteilt, bis hin zur Androhung einer Spaltung, wenn die deutschen Bischöfe den Weg der Öffnung weiter verfolgen. Ich gebe zu, dass mich die lauten Stimmen von beiden Seiten, die nicht selten auch verletzend werden, oft an die persönlichen Grenzen führen, auch an die Grenzen meines bischöflichen Dienstes an der Einheit der Kirche.
Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass wir meines Erachtens Leitungsfunktionen zu sehr mit dem Weiheamt in der Kirche verbinden. Zu oft wird allein die sakramentale Weihe mit Leitung, Verantwortung und Macht gleichgesetzt. Ich glaube, dass es realistische Möglichkeiten für Leitungsaufgaben für Nicht-Ordinierte gibt, die wir in keiner Weise ausgeschöpft haben. Vielleicht entwickeln sich neue Dienste und Ämter.
Mir ist es grundsätzlich wichtig, auch über diese Fragen im Gespräch zu bleiben, vor allem aber, dass wir einander zu verstehen versuchen, auch dort, wo wir unterschiedliche Einschätzungen vertreten.
Bischof Peter Kohlgraf