„Anstelle einer Kultur des Wegwerfens von Menschen muss eine Kultur der Begegnung treten.“ Dies sagte Kurienkardinal Michael Czerny SJ, Präfekt des Dikasteriums für die ganzheitliche Entwicklung des Menschen, bei seinem Vortrag in der Bistumsakademie Erbacher Hof in Bezug auf Papst Franziskus. Czerny sprach anlässlich der Jahrestagung des Internationalen Instituts für Missionswissenschaftliche Forschungen e.V. (IIMF) am Freitag, 9. Dezember. Begrüßt wurde er vom Mainzer Bischof Peter Kohlgraf.
Bekannt wurde Czerny, der in Kanada aufgewachsen ist, in Deutschland nicht zuletzt dadurch, dass er von Papst Franziskus in den vergangenen Monaten mehrfach als Vertreter der Kurie in die vom Krieg betroffene Ukraine gesandt wurde. In seinem Vortrag nahm er hauptsächlich Bezug auf die beiden Schreiben „Evangelii gaudium“ und „Fratelli tutti“ von Papst Franziskus. „Im Zentrum des Evangeliums steht das Leben in Gemeinschaft und das Engagement für andere“, sagte Czerny etwa mit Blick auf Papst Franzsikus Schrift „Evangelii gaudium.“ Eine Person müsse ein Mitglied eines Volkes werden, und zwar der Völkerfamilie, die die gesamte Menschheit umfasse, sagte Czerny. Es herrsche ein Missverhältnis zwischen den technischen Möglichkeiten unserer Zeit und der ethischen Fähigkeit des Menschen, damit umzugehen, mahnte Czerny. „Es bedarf einer Wiederherstellung von Solidarität. Es gilt, der anonymen Macht der Technologie Einhalt zu gebieten“, sagte er. Czerny zitierte Papst Franziskus mit der Forderung, dass sich „die Option für die Armen“ in religiöser Zuwendung zeigen müsse. Es gelte, die Armen in den Mittelpunkt zu stellen, denn in ihnen zeige sich das Geheimnis Christi.
Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf hatte Kardinal Czerny zuvor begrüßt. Die Missionsgeschichte habe viele Facetten, sagte Kohlgraf. Es habe ein Bewusstsein gegeben, dass „wir kommen als diejenigen, die etwas haben, und geben denen etwas, die nichts haben“, erinnerte Kohlgraf. „Papst Franziskus versteht Evangelisierung hingegen als Zuhören und voneinander lernen“, sagte er. Evangelisierung nehme den ganzen Menschen in den Blick: „Sie versteht sich nicht als bloße Belehrung, sondern als Begegnung mit den Menschen“, führte Kohlgraf weiter aus. Auch Synodalität sei in diesem Sinne als Haltung einer „hörenden Kirche“ zu verstehen, nicht als Methode, erklärte der Bischof.
Das Thema der Jahrestagung „Evangelisierung und Geschwisterlichkeit“, die am Freitag, 9. Dezember, und Samstag, 10. Dezember, in der Bistumsakademie Erbacher Hof in Mainz stattfindet, verbindet zwei Kernbegriffe der Schreiben „Evangelii gaudium“ und „Fratelli tutti“ von Papst Franziskus und reflektiert sie mit Blick auf ein zukunftsfähiges Missionsverständnis. Die Jahrestagung 2022 findet in Kooperation des Internationalen Instituts für Missionswissenschaftliche Forschungen e.V. mit dem Erbacher Hof statt.