Mainz. Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf hat dazu eingeladen, „die Pfarreien mehr als eine missionarische Kraft zu sehen und nicht einfach zu denken, dass die Menschen schon kommen werden“.
Bei der Akademietagung „Bistümer im epochalen Umbruch“ am Freitag, 11. Januar, im Erbacher Hof in Mainz wies Kohlgraf darauf hin, dass auch Papst Franziskus dazu ermutigt habe, „die Veränderungsfähigkeit der Pfarrei in den Blick zu nehmen und eine stärkere Nähe zu den Menschen herzustellen“. Ein solches Umdenken könne jedoch nicht allein vom Pfarrer oder den hauptamtlichen Mitarbeitern ausgehen, betonte Kohlgraf. „Alle Getauften sind dazu aufgerufen.“ Das Referat von Kohlgraf stand unter der Überschrift „Pfarreien neu denken“. Die Tagung der Bistumsakademie Erbacher Hof, zu der rund 170 Teilnehmer in den Ketteler-Saal gekommen waren, fand in Kooperation mit dem Arbeitsbereich Pastoraltheologie der Katholischen Fakultät der Johannes Gutenberg-Universität Mainz statt.
Kohlgraf wies darauf hin, dass er selbst mit einem klassischen Pfarreibild groß geworden sei. Sein Pfarrer habe sich damals gar nicht die Frage stellen müssen, ob er überhaupt das anbiete, was die Menschen brauchen, weil die Menschen einfach gekommen seien. „Die Pfarrei war auch für mich ein Stück Familie.“ Dieses Bild von der Pfarrfamilie finde sich auch noch in vielen Bestimmungen des Kirchenrechts wieder und präge auch heute noch das Pfarreibild von vielen Menschen, sagte der Bischof. „Ich bin aber davon überzeugt, dass die Entwicklung in unseren Dörfern und Städten eine andere ist und die Gesellschaft schon viel mobiler ist, als dieses klassische Bild.“ Und weiter: „Ich will das alte Bild von Pfarrei nicht schlecht reden, aber wir müssen auch die Offenheit haben, auf die Menschen zuzugehen, die in unseren Gemeinden heute eben keine Heimat mehr finden.“
Im vor kurzem veröffentlichen Abschlussdokument der Weltjugendsynode werde benannt, dass die Territorialgemeinde schon heute für viele Jugendliche nicht mehr der Ort sei, an dem sie kirchliche Erfahrungen machen, betonte Kohlgraf. Mit Blick auf den Gottesdienstbesuch werde deutlich, dass rund 90 Prozent der Katholiken in Deutschland die klassischen kirchlichen Angebote einer Territorialgemeinde kaum annehmen. Deshalb sei es notwendig, den Blick auf andere Orte der kirchlichen Beheimatung zu lenken, wie etwa Schulen, Kindertagesstätten oder die Caritas.
Auch das Ehrenamt in der Kirche sei einem Wandel unterworfen. Die längerfristige Bindung nehme auch in den Gemeinden nehme ab, so dass auch die Möglichkeit für kürzeres, projektartiges Engagement ermöglicht werden müsse. „Grundsätzlich müssen wir die Menschen dazu ermutigen, ihre Taufberufung zu leben, in Familie oder Beruf. Das geht auch erstmal ohne ein Ehrenamt“, sagte der Bischof. „Angesichts der rückläufigen Katholikenzahl könnte es in den kommenden Jahren sein, dass bei einer kleineren Zahl von Katholiken auch die bewusste Bindung an die Kirche stärker wird.“ Darüber hinaus werde sich in den Pfarreien auch die Leitung verändern. „Wir werden zunehmend gemeinschaftliche Formen von Leitung haben“, sagte Bischof Kohlgraf.
Die Begrüßung hatten der Mainzer Pastoraltheologe Professor Dr. Philipp Müller sowie Akademiedirektor Professor Dr. Peter Reifenberg übernommen. Weitere Referenten der Tagung waren Trierer Pastoraltheologe, Professor Dr. Martin Lörsch („Diözesane Zukunftsprozesse - Was sie gelingen, was sie scheitern lässt“), und Professor Dr. Jan Loffeld, Pastoraltheologe an der Katholischen Hochschule (KH) Mainz („Kirchenentwicklung als ‚Allroundlösung’? oder: Was kommt nach dem Communio-Paradigma?“).