Mainz. „Wir beten heute für einen großen Papst, und mehr noch, für einen großen Menschen, einen großen und inspirierenden Christen.“ Mit diesen Worten hat der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf den verstorbenen Papst Franziskus gewürdigt.
In seiner Predigt beim Requiem des Bistums Mainz am Samstagabend, 26. April, im Mainzer Dom sagte er: „In den Nachrufen der vergangenen Tage ist von vielen seine Liebe zu den Menschen hervorgehoben worden. Besonders seine Liebe zu den Menschen am Rande fällt auf: Wir sehen ihn in Lampedusa, wo er an Tausende ertrunkene Flüchtlinge erinnert. Er hat damals eine mich noch heute berührende Predigt gehalten: Über die vergessene Fähigkeit um diese Menschen zu trauern. Wenn ich an die Härte mancher heutigen politischen Debatten denke, würde ich gerne ermutigen, sich diese Predigt nochmals in Erinnerung zu rufen. Bei allen notwendigen Entscheidungen in vielen Fragen geht es immer um den einzelnen Menschen und seine Würde.“ Papst Franziskus war am Ostermontag (21. April) im Alter von 88 Jahren verstorben und am Samstagmorgen in der Basilika Santa Maria Maggiore in Rom beigesetzt worden.
Wörtlich sagte Kohlgraf: „Er kannte die Theologie, war aber kein weltenthobener Gelehrter. Gerade hierzulande hat er manche Reformerwartung enttäuscht, was nicht nur an ihm liegen muss. Es kann auch an einer Erwartung liegen, die den weltkirchlichen Auftrag eines Papstes missversteht oder auch missverstehen will. Der Papst ,vom Ende der Weltʼ hat uns Deutschen ziemlich deutlich gemacht, dass unsere Wünsche und Meinungen nicht der alleinige Schlüssel zum kirchlichen Weltverständnis sind. Die Weltsynode hat allerdings gezeigt, dass viele geringgeschätzte Themen keine allein deutschen oder westeuropäischen Themen sind. Es gehörte seitens des Papstes viel Mut dazu, einen derartigen synodalen Prozess zu beginnen. Das Risiko ist er eingegangen, und er hat neben viel Zustimmung viel Kritik und Widerstand aushalten müssen, wie auch in anderen Fragen.“
Der Mainzer Bischof erinnerte unter anderem an die besondere Sympathie von Papst Franziskus für Gefangene und seine Unterstützung von Armen und Wohnungslosen in Rom, ebenso wie seinen „radikalen Pazifismus“ und die „schmerzvollen Lernschritte“ bei der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der Kirche. Und weiter: „Er hat eine neue Kultur der Diskussion und des Miteinanders in der Kirche angeregt, er wollte eine synodale Kirche, die nicht vom Machtgefälle zwischen Oben und Unten geprägt ist, sondern vom gemeinsamen Auftrag, das Evangelium in Tat und Wort zu verkünden.“
Bischof Kohlgraf erinnerte daran, dass der Glaube für Papst Franziskus „eine Quelle der Freude“ war, wie er es in dem Apostolischen Schreiben „Evangelii Gaudium“ zum Ausdruck gebracht habe: „Die Realität unserer Kirche ist oft wenig von dieser Freude geprägt.“ Und weiter sagte Kohlgraf: „Und hier legt der Papst schon einen Finger in die Wunde. Wir können es uns nicht mehr leisten, uns permanent selbst zu bespiegeln. Er ruft uns weg von unseren scheinbar so wichtigen kircheninternen Themen und ruft, die Menschen in den Blick zu nehmen, die das Evangelium nicht kennen. Es geht nicht um die Bewahrung von Strukturen, sondern um den aktiven, gelebten Glauben – durch mich. Wenn das gelingt, werden sich Strukturen finden. Das ,man müssteʼ ist eine starke Versuchung. Das geht nicht mehr. Auch das hat etwas mit der inneren Freude des Glaubens zu tun.“
Weiter sagte Kohlgraf: „Die Zeiten sind vorbei, in denen jemand sagen konnte, für die und die Aufgabe gibt es Zuständige. Für die Verkündigung des Glaubens ist der Pfarrer oder ein anderer Hauptamtlicher zuständig. Nein, jeder kennt Menschen, denen das Evangelium noch unbekannt ist. Ist unser Glaube dann Thema? Es geht nicht mehr um den Erhalt von Gemeinden, sondern um den suchenden Menschen in unseren Städten und Dörfern. Es geht nicht mehr um Traditionen allein, sondern um das Neue des Glaubens. Alle Ebenen der Kirche wurden vom Papst aufgemischt. Als Reaktion zum deutschen Synodalen Weg hatte uns Papst Franziskus am 29. Juni 2019 einen Brief geschrieben, der insgesamt wenig beachtet wurde. Es ging in diesem Brief im Wesentlichen um diesen Auftrag der Weitergabe des Evangeliums, nicht als Methode, sondern aus der persönlichen Freude am Glauben heraus. Dieses Vermächtnis sollten wir lebendig halten.“
Bischof Kohlgraf feierte das Requiem gemeinsam Generalvikar Dr. Sebastian Lang, Domdekan Henning Priesel sowie Mitgliedern des Mainzer Domkapitels. An dem Gottesdienst nahmen unter anderen teil: die Kirchenpräsidentin der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), Dr. Christiane Tietz, sowie der hessische Staatsminister Armin Schwarz, der Chef der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei, Fedor Rose, die CDU-Fraktionsvorsitzende im Hessischen Landtag und Vorsitzende der Stiftung Hoher Dom zu Mainz, Ines Claus, sowie die Bevollmächtigte des Generalvikars, Ordinariatsdirektorin Stephanie Rieth. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Alexander Schweitzer hatte nicht am Requiem teilnehmen können, sich aber bereits am Nachmittag im Beisein von Bischof Kohlgraf und Domdekan Priesel in das Kondolenzbuch im Mainzer Dom eingetragen. Domdekan Priesel wies dabei darauf hin, dass bereits über 1.000 Seiten im Kondolenzbuch zusammengekommen seien. Das Kondolenzbuch liegt noch bis Sonntag, 27. April, im Mainzer Dom aus. Die musikalische Gestaltung des Requiems hatten übernommen: der Ferienchor der Chöre am Dom unter Leitung von Domkapellmeister Professor Karsten Storck sowie Domkantor Michael Kaltenbach als Kantor und Domorganist Professor Daniel Beckmann an der Domorgel.