Mainz. Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf hat den verstorbenen Papst em. Benedikt XVI / Joseph Ratzinger als „Jahrhundertpersönlichkeit“ gewürdigt und in seiner Predigt beim Requiem des Bistums Mainz am Samstag, 7. Januar, im Mainzer Dom deutlich gemacht, dass er „mit Dankbarkeit auf sein Leben schauen“ wolle. Ratzinger habe zu den „prägenden Theologen“ des Zweiten Vatikanischen Konzils gehört und „seine Aufgaben mit großem Engagement und innerer Hingabe ausgeübt“.
Gleichzeitig überfordere es aber auch eine Predigt, seine Persönlichkeit und seine theologischen Themen umfassend zu würdigen, sagte der Bischof: „Sicher wurden viele Bilder, die sich die Öffentlichkeit von ihm machte, seiner komplexen Persönlichkeit nicht gerecht, aber er hat natürlich durch bestimmte Positionen provoziert, man erinnere sich an seine Einschätzung der Theologie der Befreiung und seine Einschätzung der evangelischen Geschwister als Kirchen.“ Und weiter: „Angesichts mancher Themen, die noch vor seiner Bestattung im Raum standen, auch seine mögliche Heiligsprechung, würde ich zur Ruhe ermutigen. Es gehörte immer zum kirchlichen guten Stil, sich mit abschließenden Bewertungen eines Lebens Zeit zu lassen.“
Wörtlich sagte Kohlgraf: „Manche betonen seine Fehler, nicht nur im Umgang mit Missbrauchstätern im Erzbistum München-Freising und dann als Papst. Auch hier wird es seriöse Untersuchungen brauchen, ohne Zorn und Eifer, mit Sachverstand. Verschweigen darf man das nicht, auch wenn es nicht die ganze Lebensleistung schmälert.“ Und weiter: „Ja, auch ein großer Theologe, Bischof und Papst hat Fehler, und sie sind in das Ganze einzuordnen, auch dafür braucht es Zeit und Abstand, und es braucht Menschen, die sich dieser Bewertung annehmen ohne ein theologisches oder kirchenpolitisches Eigeninteresse.“ Bischof Kohlgraf betonte: „Ich glaube, dass er sich wirklich am Herrn festgehalten hat, und dass der Auferstandene ihn hält. Er kennt das Ganze des Lebens, Licht und Schatten. Wir beten nun, und es ist nicht unsere Hauptaufgabe zu bewerten.“
Bischof Kohlgraf ging auch auf das Geistliche Testament von Benedikt aus dem Jahr 2006 ein, in dem der Satz „Steht fest im Glauben - State in fide“ eine wichtige Rolle einnimmt, den sich auf der frühere Mainzer Bischof, Kardinal Karl Lehmann, als Wahlspruch ausgesucht hatte. Kohlgraf hob hervor, dass Glauben für den früheren Papst keine Ideologie, sondern das Festhalten an der Person Jesu Christi gewesen sei: „In seinem Testament beschreibt Benedikt Christus als die Wahrheit, die gegen alle menschengemachten Ideologien immunisieren kann. Er schaut auf die Ideologien von Kommunismus und Liberalismus, und sieht, dass allein Christus die Würde des Menschen garantiert. Ich halte das für einen bleibenden Stachel in allen Diskussionen heute und in Zukunft. Gleich, um welche Frage es geht, welche Antwort garantiert dem betreffenden Menschen seine Würde? Was stellt ihn als Person in den Mittelpunkt, welche Perspektive schenkt ihm wirklich Leben in Fülle? Sicher kommen heute Theologinnen und Theologen oft zu anderen Antworten im Detail, aber der Blick auf Christus muss uns leiten. Steht fest im Glauben - das heißt: habt als Christinnen und Christen einen kritischen Blick, welche Ideologien heute im Raum sind und einfache Antworten auf komplexe Fragen anbieten.“
Kohlgraf feierte das gemeinsam mit Weihbischof und Generalvikar, Dr. Udo Markus Bentz, Domdekan Henning Priesel sowie Mitgliedern des Mainzer Domkapitels. Die musikalische Gestaltung des Requiems hatten die Männerstimmen des Mainzer Domchores unter Leitung von Domkapellmeister Professor Karsten Storck und Domorganist Professor Daniel Beckmann an der Domorgel übernommen.