Das sagte der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf am Dienstag, 1. Mai, beim Pontifikalamt zur Wallfahrtseröffnung auf der Liebfrauenheide bei Klein-Krotzenburg. Dabei wurde der Einweihung der heutigen Wallfahrtskapelle vor 150 Jahren gedacht. Neben dem Pfarrer von Klein-Krotzenburg-St. Nikolaus, Thomas Weiß, und zahlreichen weiteren Priestern nahm auch Bischof Eugène Cyrille Houndékon aus Benin an dem Gottesdienst teil. Sein früherer Sekretär Levi Hinglo ist aktuell für drei Jahre als Kaplan in St. Nikolaus tätig.
Weiter sagte Kohlgraf: „Hier bei der Wallfahrt wird uns gesagt: ‚Wenn du dir diese Menschen zu Herzen nimmst, kannst du nicht an ihnen vorbeisehen. Du kannst sie nicht jemand anderem überlassen, sie begegnen dir.’ Und: ‚Werde aufmerksam für die Menschen, die sich zurückgezogen haben und in ihrer Armut allein bleiben.’ Die Pietà der Liebfrauenheide lehrt uns einen neuen Blick auf den Menschen, der arm ist."
Kohlgraf erinnerte an Bischof Wilhelm Emmanuel von Ketteler (1811-1877) und sein Wirken auf der Liebfrauenheide: „Als Bischof Ketteler vor 150 Jahren hier die Arbeiter versammelte, zeigte er, dass es der Kirche genau darum geht: Sie will sich die Sorgen und die Anliegen der Menschen, besonders der Armen und Bedrängten aller Art zu Herzen nehmen. Heute gibt es viele Themen, die uns bewegen. In unserer Region sind das Themen der Wohnungsnot von Menschen, so wie es das Jahresthema der Caritas aufgreift. Es ist die Frage der Armut und der Armutsgefährdung.“ Kohlgraf trug bei dem Gottesdienst das Brustkreuz von Bischof Ketteler, das Kardinal Karl Lehmann ihm am Tag seiner Bischofsweihe gegeben hatte.
Wörtlich sagte Kohlgraf: „Bischof Ketteler sagte am Ende seines Lebens einen bewegenden Satz: ‚Ich habe mein ganzes Leben dem Dienste des armen Volkes gewidmet, und je mehr ich es kennengelernt, desto mehr habe ich es lieben gelernt.’ Als sein Motto ist bekannt, dass er nach seiner Priesterweihe ‚kein anderes Interesse mehr haben sollte als das Seelenheil der Menschen und ihre Not’. Sich die Not zu Herzen nehmen, sich die Menschen zu Herzen nehmen - das war das Programm dieses großen Bischofs. Es ist sicher kein Zufall, dass Bischof Ketteler 1868 mit dem Neubau der Kapelle die Wallfahrt zu diesem Gnadenbild wiederbelebte.“
Die Wallfahrt zur Schmerzhaften Muttergottes auf der Liebfrauenheide im Wald bei Klein-Krotzenburg ist im 17. Jahrhundert entstanden. Aus dieser Zeit stammt auch das Gnadenbild, eine holzgeschnitzte Pietà (datiert um 1620), die in der Pfarrkirche in Klein-Krotzenburg aufbewahrt wird und bei den Wallfahrten in einer Prozession zur Kapelle gebracht wird. Dieses Marienbild war während des 30-jährigen Krieges (1618-1648) in einem hohlen Baum versteckt worden. Der Fund durch Hirten erregte damals großes Aufsehen. 1736 wurde am Fundort eine Kapelle errichtet und der Schmerzhaften Muttergottes geweiht.
Durch das Aufblühen der Wallfahrt auf der Liebfrauenheide fürchtete der Dieburger Pfarrer im 18. Jahrhundert um das Interesse an der Dieburger Wallfahrt. Er wandte sich daher an den Mainzer Erzbischof, der eine Untersuchungskommission einsetzte und die Wallfahrt 1756 „wegen eingetretener Missstände“ verbot. Die Kapelle wurde abgerissen und das Gnadenbild in die Pfarrkirche von Klein-Krotzenburg gebracht, wo die Wallfahrt einen neuen Aufschwung fand. Mit der Säkularisation 1803 brach sie zunächst ganz ab.
Erst durch Bischof Wilhelm Emmanuel von Ketteler wurde die Wallfahrt wiederbelebt. Er ließ 1866 den Grundstein zur heutigen Kapelle legen, 1868 folgte die Einweihung. Am 25. Juli 1869, dem 19. Jahrestag seiner Bischofsweihe, hielt er dort eine seiner berühmten Predigten zur sozialen Frage über das Verhältnis der Arbeiterwelt zu Religion und Christentum. Zu den Hauptwallfahrtstagen auf der Liebfrauenheide gehört neben dem 2. Juli (Mariä Heimsuchung) und dem 15. August (Mariä Himmelfahrt) der Sonntag nach dem Fest Mariä Schmerzen (15. September). Von Mai bis Oktober findet jeweils am 13. des Monats eine Fatima-Wallfahrt statt.
Hinweis:
Zum gesamten Text der Predigt von Bischof Peter Kohlgraf
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